"Es muss schon ein klares Nein der Bundesregierung geben"

27.11.2009
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Europäischen Parlament, Alexander Alvaro, lehnt das geplante SWIFT-Abkommen ab. Darin wird die Herausgabe europäischer Banküberweisungsdaten an die USA geregelt. Bislang fehle ein klarer Nachweis, dass dies tatsächlich zur Bekämpfung des Terrorismus beitrage.
Hanns Ostermann: Von einer Liebesheirat sprechen die Schwarz-Gelben gern, wenn sie ihre Koalition in Berlin meinen. Das davor, das zwischen Union und SPD, war ja nur eine Vernunftehe. Die Grenzen zwischen beiden Formen können allerdings fließend sein, denn schon wieder gibt es Krach zwischen den Wunschpartnern, konkret zwischen dem Innenminister von der Union und der Justizministerin von der FDP. Es geht um das umstrittene Bankdatenabkommen der Europäischen Union mit den USA.

Mitgehört hat der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Europäischen Parlament, Alexander Alvaro. Guten Morgen, Herr Alvaro.

Alexander Alvaro: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Was stört Sie denn jetzt vor allem, dass der Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers so tief geht, oder dass er überhaupt möglich gemacht wird, ohne dass das Parlament das letzte Wort hat?

Alvaro: Ich denke, das sind beide Sachen, die da zusammenkommen, zum einen natürlich die Tatsache, dass man das einen Tag, bevor der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt und damit wir als direkt gewählte Vertretung der Bürger beteiligt werden würden, noch durchwinkt - das ist schon ein Affront -, und natürlich auch die inhaltlichen Punkte, die angesprochen worden sind, welche Daten werden übertragen, die Rechtsschutzmöglichkeiten etc. Das ist eine recht lange Liste, die da noch ansteht.

Ostermann: Aber bleiben wir bei den Daten, die Sie angesprochen haben, das heißt beim Sachproblem. Ist das nicht der Preis, der für ein mehr an Sicherheit zu zahlen ist, mehr Transparenz nämlich?

Alvaro: Wenn man das tatsächlich in der Form so formuliert, dann stellt sich auch die Frage, wo ist dann das Ende der Fahnenstange? Welcher Preis wäre zu viel? Ich glaube, was uns vor allen Dingen auch im Europäischen Parlament fehlt, ist ein klarer Nachweis, dass die Übertragung dieser Bankdaten erfolgreich zur Bekämpfung des Terrorismus beiträgt, zumal wir verschiedenste Gesetzgebungen in Kraft haben, die das in der einen oder anderen Weise auch schon ermöglichen und sicherlich so gestaltet sind, dass auch der Gesetzgeber beteiligt ist und es ein transparentes Verfahren ist.

Ostermann: Diese fehlende Transparenz ist ein springender Punkt. Zugleich ist doch auch die Frage, wann werden die Daten abgerufen und wann nicht. Ist dort das Abkommen konkret genug formuliert?

Alvaro: Das Abkommen sieht vor, so weit uns die letzte Version vorliegt, wenn im Verdachtsfalle die Vereinigten Staaten bekunden, dass sie Daten brauchen, dass sie die dann abziehen können. Das Problem ist allerdings, in dem Gesetzestext selber oder in dem Abkommenstext ist halt nur enthalten Finanztransaktionsdaten und verwandte Daten. Das ist unglaublich unbestimmt. Das kann alles sein, von der Personalausweisnummer bis zu der Wohnadresse. Das macht es schon wirklich sehr heikel.

Ostermann: Sehr heikel und deshalb gibt es ja auch bei uns in Deutschland, aber bei Ihnen wahrscheinlich auch im Europäischen Parlament, den entsprechenden Streit, bei uns zwischen Justizministerin und dem Innenminister. Das dürfte doch auch schon im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben. Warum kann sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger da nicht durchsetzen?

Alvaro: Letzten Endes wird es der Bundesinnenminister sein, der im Rat am Montag die Entscheidung treffen muss. Ich hätte mir auch gewünscht, dass er wesentlich mehr auf seinen Koalitionspartner, in der Form vor allen Dingen auf die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gehört hätte, die klare Bedenken geäußert hat. So weit mir das bekannt ist, ist auch Herr de Maizière in der Bewertung des Abkommens selber recht kritisch, kommt nur anscheinend zu einem anderen Ergebnis.

Ostermann: Dann frage ich mich aber schon, wie ist es denn wirklich mit der Feinstabstimmung in dieser Koalition und in diesem Kabinett. Müsste er sich dann nicht konsequenterweise – und es gab gestern Indizien – der Stimme enthalten?

Alvaro: Eine Enthaltung wäre ja dann letzten Endes auch nur eine formelle, wie soll ich sagen, Schönfärberei, denn letzten Endes würde eine Enthaltung auch dazu führen, dass das Abkommen durchgewunken werden würde. Es muss schon ein klares Nein der Bundesregierung geben, oder sonst wird dieses Abkommen auch beschlossen. Da wünsche ich mir auch von der CDU, gerade weil auch die Kollegen im Europäischen Parlament das ähnlich sehen wie wir, mehr Rückgrat auch gegenüber unserem transatlantischen Partner.

Ostermann: Herr Alvaro, es heißt, dass die Laufzeit dieses Abkommens relativ kurz sein soll. Deutet das darauf hin, dass es in einigen Ländern in der Tat erhebliche Bauchschmerzen gibt, ähnlich wie Sie sie formuliert haben?

Alvaro: Wir wissen, dass es in Österreich noch sehr starke Vorbehalte gibt. Frankreich hatte noch Bedenken angemeldet, Finnland hat noch Bedenken angemeldet. Die Laufzeit dieses erstmaligen Abkommens ist mit einem Jahr nun auch nicht so kurz. Vor allen Dingen entfaltet das ja doch eine präjudizierende Wirkung, wenn es einmal beschlossen ist. Ob man in einem anderen Abkommen dahinter zurückstecken kann, was einmal beschlossen worden ist, bezweifele ich.

Ostermann: Ist dies ein gravierender Fall, der auch Auswirkungen auf das Binnenverhältnis in der Koalition hat?

Alvaro: Ich denke schon, dass es mehr als atmosphärische Störungen sind, wobei es mir natürlich jetzt auch nicht zusteht, aus der Ferne eine Diagnose zu treffen, wie in Berlin derzeit die Stimmung ist, aber ich weiß, dass die Kollegen der Bundestagsfraktion überhaupt nicht zufrieden sind. Es gibt auch einen entsprechenden Beschluss. Entsprechend hat auch das FDP-Parteipräsidium einen Beschluss zu SWIFT gefasst. Ich denke schon, dass etwas mehr Kooperation in dieser Situation wichtig wäre.