Es müssen nicht Männer mit Bärten sein

Von Heike Ularich · 23.08.2008
In den Zeiten einer neuen Religiosität wird es in den Gemeinden immer wichtiger, für suchende Männer einen Platz zu schaffen. Einen Platz zu schaffen für die neuen und alten evangelischen Männer zwischen christlicher Männerbewegung, New Softie, Vaterrolle und erwachender Spiritualität.
Herrmann-Elsemüller: "Den Männerkreis, oder erste Überlegungen für den Männerkreis gab es 2001."

Fuhrmeister: "Wir haben ja in der Kirche das Problem, dass der normale kirchennahe Mann `nen netter Kerl ist, der bringt immer den Mülleimer runter und bewegt sich in recht geordneten Bahnen."

Herrmann-Elsemüller: "Eigentlich sind unsere Frauen (...) auf die Idee gekommen, die Männer sollten doch auch mal was machen. (...)"

Lagoda: "Die Situation (...) war folgende, das ich im Erziehungsurlaub war und meinen Sohn immer zur Spielgruppe gebracht habe und beobachtet habe, dass die Mütter stundenlang den ganzen Vormittag miteinander gesprochen haben."

Tappen: "Väter-Kinder-Aktionen sind in Haan etwas christliches, das macht man nicht einfach so."

Schulz: "Wir sehen uns nicht unbedingt als missionarisches Projekt, sondern jeder kann hier herkommen, und das ist ein freier Raum. Kirche wird erfahrbar (...)"

Lagoda: "Und dann traf ich irgendwann einmal einen Vater. (...) Und dann sind wir ins Gespräch gekommen und haben überlegt, wir könnten doch auch eine Müttergruppe, also eine Vätergruppe (...) organisieren."

Diese Männer haben Männergruppen in ihren Kirchengemeinden gegründet. Damit betreten sie Neuland in den Gemeinden. Und wenn Karsten Schulz und Silvio Herrmann-Elsemüller von ihren Aktionen erzählen, dann sind diese Aktionen eben männlich:

Schulz: "Und da gibt es jemanden, der hackt Bäume auf seiner Arbeit, zersägt und bringt sie mit. Und dann wird einen Samstag gesagt, hier sind sechs Äxte, und dann wird holzgehackt. Und das war eine irre Aktion gewesen."

Herrmann-Elsemüller: "Wir haben Holz gehackt, und wir haben das Holz, das wir gehackt haben‚ nem bedürftigen, alten Mann zur Verfügung gestellt, kostenlos. Wir helfen auch mit Muskelkraft, dafür sind wir Männer."

Aber in den Gemeinden am Ort fehlen die tatkräftigen Männer. Die Studie der Universität Bayreuth "Was Männern Sinn gibt" geht dem Grund nach, warum Männer in den Gemeinden fehlen. Befragt wurden kirchenferne Männer zu den Themen Religiosität, Glaube und Spiritualität. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Soziologen, Pädagogen und Theologen brachte Erstaunliches ans Licht. So fehlt es den Männern nicht an Spiritualität, vielmehr scheitern Männer an den kirchlichen Strukturen in den Gemeinden. Martin Rosowski, Mitherausgeber dieser Studie und Hauptgeschäftsführer der Männerarbeit der evangelischen Kirche in Kassel stellt selbstkritisch fest:

Rosowski: "... Und der kirchliche Alltag, (...) das gemeindliche Alltagsleben findet weitgehend ohne Männer statt, und zwar nicht nur der 40 bis 50-Jährigen, sondern vor alle Dingen auch der jungen Männer zwischen 25 und 35.
Was wir festgestellt haben, ein ganz wichtiger Aspekt, sind biografische Enttäuschungen, biografische Frustrationen. Männer scheinen Verletzungen, die ihnen durch Menschen, durch Strukturen, durch Institutionen zugefügt wurden, radikaler und rigoroser zu ahnden, als das Frauen tun."

Wenn engagierte Männer mit Tatendrang auf Pfarrer im Alltagstrott treffen, dann birgt das Konflikte und Missverständnisse. Andreas Fuhrmeister beschreibt seinen ersten von der Männergruppe organisierten Gottesdienst.

Fuhrmeister: "Wir haben einmal einen Männergottesdienst gemacht und in der Vorbereitung war der Pfarrer nie da und was sich dann herausstellte, als wir am Himmelfahrtstag den Gottesdienst hatten war, dass das ein Jugendgottesdienst war, mit so ein paar Väterelementen da."

Gefordert ist eine Kirche auf Augenhöhe. Denn die "Laien-Männer" wollen in ihrer persönlichen Kompetenz gleichberechtigt neben der theologischen Kompetenz der Profi-Pfarrer stehen. Ein solches Selbstbewusstsein der Männer kann dann auch schon mal als Konkurrenz ausgelegt werden. Doch für Karsten Schulz vom "Männerabend Schenkenberg" birgt die Abwesenheit des Pfarrers auch Chancen.

Schulz: "Wir sind mündige Christen und mündige Menschen, und in dem Falle können wir auch selber tätig werden."

Nicht nur Kompetenzgerangel beeinträchtigt den gewünschten offenen Dialog zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in der Kirche. Zusätzlich fühlen sich Männer von den bereits vorhandenen Angeboten in den Gemeinden kaum angesprochen. Martin Rosowski von der evangelischen Männerarbeit.

Rosowski: "Wofür wird denn eigentlich Geld ausgegeben, für welche Angebote wenden wir unsere hauptamtlichen Ressourcen an? Und wenn sie eine ganz saubere Analyse machen, werden Sie zu dem Ergebnis kommen müssen, das ist etwas, was vorrangig für Kinder, Frauen und alte Leute gedacht ist, und deren Bedürfnisse bedient."

Andreas Fuhrmeister beschreibt, wie in der Berliner Kirchengemeinde Alt-Schöneberg die Männergruppe ihren Anfang nahm.

Fuhrmeister: "Am Anfang stand die Anfrage eines Journalisten, der bei uns im Gemeindegebiet wohnte und fragte wo er sich denn in die Gemeinde einbringen konnte. Der war Mitte dreißig unverheiratet, also keine kleinen Kinder und war auch nicht besonders musikalisch, kam also für den Kirchenchor nicht in Frage und wir haben dann geschaut und wir stellten fest da war nichts."

Von diesen speziellen Anfängen abgesehen, finden die meisten Männer über ihre Kinder zurück in die Kirchengemeinde. Im brandenburgischen Schenkenberg gründeten Silvio Herrman-Elsemüller und Karsten Schulz nach dem erfolgreichen Martinsfest den "Männerabend Schenkenberg". Im rheinländischen Haan bei Düsseldorf engagieren sich Rolf Lagoda und Detlev Tappen seit 13 Jahren in der Väter-Kinder-Arbeit. Mittlerweile betreuen sie auch Männergruppen.

Pagoda: "Wir sind mittlerweile zu folgendem Modell gekommen: das wir immer für ein Jahr einladen. (...) dass zehn Männer für zehn Abende sich verpflichten zusammenzukommen."

Tappen: "Noch mal ne andere Ebene ist, dass aus dieser Väterkinderaktion eine Gruppe entstanden ist mit Männern, die jetzt zwischen 40 bis 45 sind. Da geht es um spirituelle Männerthemen. Über Männergesundheit, über Männer und Frauen, über ‚Das habe ich mir anderes vorgestellt in meiner Ehe’."

So unterschiedlich die Beweggründe auch hier und da sind: Fakt ist: es gibt ein gemeinsames Bedürfnis unter den Männern nach Austausch ohne Konkurrenzgehabe oder Erfolgsdruck. Das ist auch sinnvoll, denn die gesellschaftliche Stellung der Männer wandelt sich gerade. Das Berufsleben verläuft immer seltener gradlinig. Partnerinnen erwarten von ihren Männern mehr als früher eine gerechte Verteilung der alltäglichen Aufgaben.

Rosowski: "Der Bereich, in dem wir zurzeit den meisten Zulauf an Männern in der Kirche haben, ist der Bereich, den die evangelische Männerarbeit unter dem Stichwort: Vater und Kindarbeit betreut."

Aus den unverbindlichen Väter-Kinder-Aktionen werden feste Angebote wie Fahrradwerkstatt, Kanutour, oder das jährliche Grillfest ausrichten. Und wenn auf den gemeinsamen Väterwochenenden die Kinder abends schlafen, dann beginnen die Männer miteinander zu reden. Detlev Tappen und Carsten Schulz:

Tappen: "Etwas anderes findet statt, wenn die Männer mal unter sich. Wenn wir auf einem Väterkinderwochenende sind, dann sind die Männer sensibel, über das zu sprechen was über Autos, Sportverein hinausgeht. Die erzählen von dem, was sie erfreut, was ihnen Schwierigkeiten macht, mit der Vaterrolle."

Schulz. "Es gibt Geschichten, die möchte man seiner Frau erst mal so nicht erzählen. Das ist einfach so, dass man mit der Erfahrung erst mal sich austauscht. Das ist manchmal besser, wenn man das von `nem Mann gesagt kriegt, als von `ner Frau."

Rosowski: "Dann sprechen die über ihre männliche Identität, über ihren Beruf, über ihre Hoffnungen, über ihre Wünsche ihre Sorgen, über ihre Nöte. Natürlich auch über die Familie, über die Partnerschaften, aber auch über Fragen von Religiosität, über Glaube, über Gott und die Welt."

Als der Rat der evangelischen Kirche mit dem Impulspapier "Kirche der Freiheit" die zwölf Leuchtfeuer als Wegweiser in die Zukunft formulierte, wurde auch ein innerer Veränderungsprozess eingeleitet. Ziel sollte sein, eine offene, moderne Kirche zu schaffen, die der Vielfalt und Heterogenität der zukünftigen Gesellschaft Rechnung trägt. Martin Rosowski wünscht sich den idealen Mann in der Kirche so:

Rosowski: "Wir wünschen ihn uns als einen Mann, der die Fragen des Glauben und alle damit verbunden Hoffnungen, aber auch Ängste an sich heranlässt. Der vielleicht ein Stück weit wieder vertrauensvoller wird gegenüber den Dingen, die im Christentum wichtig sind. Die sich vielleicht ein Stück weit auch wieder mit Gott einlassen wollen, ein Stück weit stärker darüber nachdenken wollen. Und aus einer Glaubensspiritualität heraus, auch die Kraft schöpfen wollen und können, die sie brauchen um ihr Leben in dieser Gesellschaft zu gestalten, um mit all den Dingen klarzukommen, die sich ihnen im alltäglichen Leben stellen, an Herausforderungen."