Es lebe Solidarnosc!
Der Mechaniker Ludwik Pradzynski war einer der Rädelsführer des legendären polnischen Arbeiter-Streiks von 1980, der den Anfang vom Ende des Kommunismus markiert. Doch er ist ein vergessener Held - im Gegensatz zu Gewerkschaftschef Lech Walesa.
14.15 Uhr, Schichtwechsel auf der "Stocznia Gdanska", der früheren Danziger Lenin-Werft. Eilig strömen die Arbeiter durch das Werkstor 3, um ihren Bus oder ihre Straßenbahn nicht zu verpassen. An der Schranke wartet Ludwik Pradzynski auf mich, ein hagerer Mann mit schütterem grauen Haar und müden Augen. Pradzynski ist gerade 53 Jahre alt geworden, doch er sieht älter aus. Er, der vergessene Held des legendären Arbeiter-Streiks von 1980.
"Wenn ich als Held bezeichnet werde, macht mich das sofort nervös. Ich bin ja kein Politiker geworden. Ich hatte keine Ausbildung und überhaupt nicht die Voraussetzungen, Politiker zu werden. Ich bin lediglich ein Zeitzeuge."
Eine bescheidene Selbsteinschätzung, denn der damals 24-jährige Mechaniker war einer der Rädelsführer des mutigen Aufstands, der letztlich den Anfang vom Ende des Kommunismus markiert. Doch anders als viele seiner Mitstreiter ist Ludwik Pradzynski später nicht in die Politik gegangen. Ja, Lech Walesa, Bogdan Borusewicz oder Jerzy Borowczak, die kennt fast jeder in Polen, aber Ludwik Pradzynski?
"Darüber bin ich nicht traurig. […] In meinem Leben war immer die Arbeit am wichtigsten. Arbeit war für mich Unterricht in Patriotismus. Ich habe gearbeitet und auf diese Weise meine Heimat geliebt."
Als Sohn eines einfachen Bauern aus dem pommerschen Hinterland kommt Pradzynski 1975 an die Werft. Er schließt sich dort den jungen Aktivisten an, die nach der Entlassung der beliebten Kranführerin Anna Walentynowicz ein Streikkomitee ins Leben rufen. Ludwik Pradzynski klebt heimlich Flugblätter an die Stempeluhren und verteilt antikommunistischen Zeitschriften und Bücher auf dem Werftgelände. Immer mehr Werftangestellte, aber vor allem auch polnische Intellektuelle schließen sich der Arbeiterbewegung an.
"Das war die Pflicht eines jeden Bürgers. Und es gab damals sehr viele Unterstützer. Es scheint mir, ganz Polen stand hinter uns. Dieses Nationalgefühl war überall, nicht nur in Danzig."
Wir haben inzwischen das berühmte Tor 2 der Danziger Werft erreicht und setzen uns auf eine Bank vor dem imposanten dreikreuzigen Denkmal mit den Schiffsankern. An dieser Stelle hat Walesa seine Kollegen im August 1980 auf den Arbeitskampf eingeschworen und wortgewandt die Rolle des Streikführers übernommen.
"Er war eine Autorität für mich, ein echter Held. Die Regierung hat damals alle unsere Forderungen ignoriert. Wir wollten hier beispielsweise eine Gedenktafel und ein Denkmal für die gefallenen Werftarbeiter von 1970 errichten. Walesa schlug vor, dass wir dieses Monument selbst bauen. Jeder sollte einen Baustein mitbringen. Das waren prophetische Worte. Ein Jahr später stand dieses Denkmal hier."
Walesa sei damals der richtige Mann gewesen - klug, kämpferisch und eloquent. Doch später am Runden Tisch, so erinnert sich Pradzynski, habe er das Volk verraten und gegenüber den Kommunisten zu viele Zugeständnisse gemacht.
Nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski wird der Aktivist Pradzynski verhaftet und anderthalb Jahre lang eingesperrt. Nach seiner Freilassung heiratet er und zieht mit seiner Frau auf den Bauernhof der Eltern nach Pommern. Hier lebt und arbeitet er, als 1989 im Osten Europas der Kommunismus zusammenbricht.
""Wir wussten, dass es auch in den Nachbarländern irgendwann losgehen würde: in Ungarn, in der Tschechoslowakei und Deutschland. Später ist dann die Mauer gefallen. Die Bundesrepublik hat dann sofort Ordnung geschaffen. So hätten wir das auch tun sollen: Weg mit den Kommunisten und Entscheidungsgewalt für die Opposition. Die Deutschen haben ihre Probleme gelöst und wir zahlen bis heute die Kosten für unseren Wandel. Das ist schrecklich."
1993 kehrt Pradzynski zurück nach Danzig an die Werft - als Werkzeugmechaniker. Bis heute sind die maroden Hallen hinter dem Tor mit der Nummer 3 sein Arbeitsplatz. Jenseits der Schranke kennen ihn alle: "Lutek", den stillen Helden des Arbeiterkampfes. Doch auf der Straße dreht sich niemand nach ihm um. Hier ist Ludwik Pradzynski der vergessene Held der friedlichen Revolution.
"Wenn ich als Held bezeichnet werde, macht mich das sofort nervös. Ich bin ja kein Politiker geworden. Ich hatte keine Ausbildung und überhaupt nicht die Voraussetzungen, Politiker zu werden. Ich bin lediglich ein Zeitzeuge."
Eine bescheidene Selbsteinschätzung, denn der damals 24-jährige Mechaniker war einer der Rädelsführer des mutigen Aufstands, der letztlich den Anfang vom Ende des Kommunismus markiert. Doch anders als viele seiner Mitstreiter ist Ludwik Pradzynski später nicht in die Politik gegangen. Ja, Lech Walesa, Bogdan Borusewicz oder Jerzy Borowczak, die kennt fast jeder in Polen, aber Ludwik Pradzynski?
"Darüber bin ich nicht traurig. […] In meinem Leben war immer die Arbeit am wichtigsten. Arbeit war für mich Unterricht in Patriotismus. Ich habe gearbeitet und auf diese Weise meine Heimat geliebt."
Als Sohn eines einfachen Bauern aus dem pommerschen Hinterland kommt Pradzynski 1975 an die Werft. Er schließt sich dort den jungen Aktivisten an, die nach der Entlassung der beliebten Kranführerin Anna Walentynowicz ein Streikkomitee ins Leben rufen. Ludwik Pradzynski klebt heimlich Flugblätter an die Stempeluhren und verteilt antikommunistischen Zeitschriften und Bücher auf dem Werftgelände. Immer mehr Werftangestellte, aber vor allem auch polnische Intellektuelle schließen sich der Arbeiterbewegung an.
"Das war die Pflicht eines jeden Bürgers. Und es gab damals sehr viele Unterstützer. Es scheint mir, ganz Polen stand hinter uns. Dieses Nationalgefühl war überall, nicht nur in Danzig."
Wir haben inzwischen das berühmte Tor 2 der Danziger Werft erreicht und setzen uns auf eine Bank vor dem imposanten dreikreuzigen Denkmal mit den Schiffsankern. An dieser Stelle hat Walesa seine Kollegen im August 1980 auf den Arbeitskampf eingeschworen und wortgewandt die Rolle des Streikführers übernommen.
"Er war eine Autorität für mich, ein echter Held. Die Regierung hat damals alle unsere Forderungen ignoriert. Wir wollten hier beispielsweise eine Gedenktafel und ein Denkmal für die gefallenen Werftarbeiter von 1970 errichten. Walesa schlug vor, dass wir dieses Monument selbst bauen. Jeder sollte einen Baustein mitbringen. Das waren prophetische Worte. Ein Jahr später stand dieses Denkmal hier."
Walesa sei damals der richtige Mann gewesen - klug, kämpferisch und eloquent. Doch später am Runden Tisch, so erinnert sich Pradzynski, habe er das Volk verraten und gegenüber den Kommunisten zu viele Zugeständnisse gemacht.
Nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski wird der Aktivist Pradzynski verhaftet und anderthalb Jahre lang eingesperrt. Nach seiner Freilassung heiratet er und zieht mit seiner Frau auf den Bauernhof der Eltern nach Pommern. Hier lebt und arbeitet er, als 1989 im Osten Europas der Kommunismus zusammenbricht.
""Wir wussten, dass es auch in den Nachbarländern irgendwann losgehen würde: in Ungarn, in der Tschechoslowakei und Deutschland. Später ist dann die Mauer gefallen. Die Bundesrepublik hat dann sofort Ordnung geschaffen. So hätten wir das auch tun sollen: Weg mit den Kommunisten und Entscheidungsgewalt für die Opposition. Die Deutschen haben ihre Probleme gelöst und wir zahlen bis heute die Kosten für unseren Wandel. Das ist schrecklich."
1993 kehrt Pradzynski zurück nach Danzig an die Werft - als Werkzeugmechaniker. Bis heute sind die maroden Hallen hinter dem Tor mit der Nummer 3 sein Arbeitsplatz. Jenseits der Schranke kennen ihn alle: "Lutek", den stillen Helden des Arbeiterkampfes. Doch auf der Straße dreht sich niemand nach ihm um. Hier ist Ludwik Pradzynski der vergessene Held der friedlichen Revolution.