"Es ist sozusagen nichts Spektakuläres"
Petra Grimm, Medienwissenschaftlerin an der Hochschule der Medien in Stuttgart, hat mit der Studie "Porno im Web 2.0" untersucht, welche Rolle Pornografie im Leben von Jugendlichen spielt. Bei allen untersuchten Gruppen von männlichen jungen Menschen seien Pornos "normal und Bestandteil des alltäglichen Medienkonsums", sagte Grimm.
Britta Bürger: Gibt es sie wirklich, die sogenannte Generation Porno? Bislang gab es ausschließlich quantitative Studien, die aufgezeigt haben, dass bis zu zwei Drittel der Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren schon Pornos im Internet gesehen haben. Im vergangenen Jahr belegte das eine Studie der Zeitschrift "Bravo", zuvor der Sexreport 2008 des Sexualwissenschaftlers Jakob Pastötter und die sogenannten JIM-Studien aus den Jahren 2000 bis 2004.
In einer morgen erscheinenden Studie wird das Thema nun zum ersten Mal qualitativ untersucht. Jugendliche im Alter von 13 bis 19 wurden zu ihrem Verhältnis zur Pornografie im Internet befragt und siehe da, die Aussagen sind weniger spektakulär als alle bisher veröffentlichten Meinungen und Urteile aus pädagogischer, aus psychologischer und moralischer Perspektive vermuten ließen.
Federführende Professorin dieser Studie ist die Medienwissenschaftlerin Petra Grimm von der Stuttgarter Hochschule der Medien. Schönen guten Tag, Frau Grimm!
Petra Grimm: Ja, schönen guten Tag!
Bürger: Welche Rolle spielt denn die Pornografie im Leben der befragten Jugendlichen?
Grimm: Nun ja, Sie haben ja gerade schon den Begriff Generation Porno benutzt. Ich denke, diesen Begriff sollte man eigentlich nicht benutzen, da damit ja eine ganze Generation quasi stigmatisiert werden würde.
Auf der anderen Seite haben wir eben festgestellt, dass in allen unseren Fokusgruppen die männlichen Jugendlichen eine Grundhaltung vertreten, die lautet, Pornos sind normal und Bestandteil des alltäglichen Medienkonsums. Also es ist sozusagen nichts Spektakuläres, wenn man sich Pornografie, also normale Pornografie, im Internet anschaut.
Bürger: Was reizt die Jugendlichen an Pornografie, warum schauen sie sich solche Filme an?
Grimm: Das ist ein bisschen unterschiedlich, und zwar haben wir eben herausgefunden, es gibt zum Teil bei den Jugendlichen zwar durchaus auch kritische Haltungen zum Beispiel gegenüber dem Pornomarkt und alles, was damit verbunden ist, aber auch diese sagen durchaus, dass es ja völlig normal sei, sich so was anzuschauen, bis hin gerade zu jüngeren Jugendlichen, die eben unter anderem meinen, sie müssten über bestimmte Erfahrungen verfügen, was lernen, über den Körper der Frau sich Wissen aneignen, das haben sie selber als Motiv mit benannt. Und der andere Bereich ist natürlich ganz klar auch von den männlichen Jugendlichen so formuliert, um eben auch sexuelle Erregung zu erleben und zu erfahren.
Bürger: Was genau schauen die Jugendlichen sich denn an? Sind das vor allem professionelle Pornospielfilme oder sind das auch private Home Movies, ist das Werbung, sind das direkte Online-Kontakte?
Grimm: Nun gut, ich möchte jetzt hier keine Werbung machen für eine bestimmte Seite, aber ich glaube, die ist so bekannt unter Jugendlichen, dass man sie auch nennen kann: YouPorn ist das Internetportal, das sozusagen fast alle Jugendlichen kennen und wo man eben schon mal drauf war.
Es gibt natürlich unterschiedliche Zugangsweisen: Zum einen kommen die Jugendlichen unabsichtlich mit Pornografie in Kontakt, das ist sowohl für Mädchen als auch Jungen der Fall. Das kann sein, dass sie sich vertippen bei einer Internetadresse, es kann sie zufällig auf etwas ja gelenkt werden, was sie so gar nicht beabsichtigt haben, sich anzuschauen ...
Bürger: Ja, oder auch Pop-ups, die aufgehen, wo plötzlich dann sieht ...
Grimm: ... und Pop-ups, die aufgehen, ganz korrekt. Auf der anderen Seite gibt es eben diese gezielten Suchen nach solchen pornografischen Inhalten im Internet, und da brauchen Sie ja nicht allzu lange, um hier ohne Weiteres zu der ganzen Bandbreite von Web-2.0-Angeboten zu kommen.
Bürger: Was erzählen sich Jugendliche zum Beispiel über YouPorn, Sie haben die Seite eben genannt, was ist daran interessant?
Grimm: Zum einen tatsächlich der Bereich sexuelle Erregung, Wissensgewinn, Lernen, aber auch manchmal, weil man einfach mitreden möchte unter Freunden, auch als sozusagen ein symbolisches Kapital demonstrieren will, dass man eben weiß, was es da im Internet gibt, oder einfach aus Unterhaltungsspaß oder gegen Langeweile.
Bürger: Sie haben über männliche Jugendliche eben vor allem gesprochen. Haben Sie Jungen und Mädchen getrennt voneinander befragt?
Grimm: Ja, schon um hier auch keine Gender-Effekte herbeizuführen. Wir haben auch Mädchengruppen befragt und haben hier differenziert zum einen pornoablehnende Mädchen bis zu pornotolerierenden Mädchen oder solche, die eben in der Peergruppe mit Pornografie konfrontiert werden.
Und man kann aber bei Mädchen einhellig auch einen Trend feststellen, dass sie eigentlich Pornografie eher ablehnend gegenüberstehen und sie zum Teil auch eklig im Sinne von, wie sie selbst sagen, abstoßend empfinden. Sie wissen auch weniger über das breite Angebot im Web 2.0, das heißt, sie kommen doch eher indirekt oder unabsichtlich mit Pornografie in Kontakt, wissen allerdings auch, dass der Konsum bei männlichen Jugendlichen was völlig Normales ist.
Bürger: Das klingt so, als sei es gar nicht so schwierig gewesen, mit den Jugendlichen darüber zu sprechen, wenn Sie sagen, das gehört ja irgendwie selbstverständlich zum Medienalltag dazu?
Grimm: Wir haben sie zu Beginn gefragt, wie so ein Internetalltag aussieht. Da sind sie zum Teil selber auf das Thema Pornografie auch zu sprechen gekommen.
Bürger: Was haben Sie noch ganz genau gefragt?
Grimm: Also wir haben darüber hinaus auch die Frage gestellt, inwieweit sie zum Beispiel das pornografische Angebot differenzieren, was sie überhaupt als Pornografie definieren, wie sie das wahrnehmen, und da konnten wir auch Gender-Effekte feststellen, das heißt, für Mädchen ist die Grenze zu Pornografie sehr viel niedriger: Alles, was nuttig oder eben in dem Bereich von abstoßend gilt, wird bereits als Pornografie empfunden, währenddessen die Jungs die Grenze zwischen dem, was für sie normal, nicht normal ist, dann erst bei Extrempornografie ziehen.
Man kann auch sagen, dass die männlichen Jugendlichen sehr wohl auch Extrempornografie ablehnen, das heißt also, so was wird dann eher unter Kuriosum auf dem Handy vielleicht verschickt, aber das gehört dann nicht zu dem, was sie gezielt aufsuchen, währenddessen Mädchen eher dazu tendieren, sich sozusagen mal was erotisch, ästhetisch Schönes anzuschauen.
Bürger: "Porno im Web 2.0" heißt eine morgen erscheinende Studie, für die erstmals jetzt Jugendliche befragt wurden, wie sie die Pornografie im Internet nutzen und wahrnehmen. Im Deutschlandradio Kultur sprechen wir darüber mit der federführenden Medienwissenschaftlerin Petra Grimm. Gibt Ihre Studie, Frau Grimm, also im Grunde Entwarnung? Ist die Pornografie im Internet für Jugendliche gar nicht so gefährlich wie häufig behauptet?
Grimm: Also ich denke, dass es schon einige Wirkungsrisiken gibt. Wir haben ja auch noch in einer zweiten Untersuchungsphase Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Bereichen von Jugendpsychotherapie, Sexualwissenschaft, Medizin befragt und es wurde dann doch relativ klar, dass bestimmte Wirkungsrisiken genannt werden können.
Die Jugendlichen haben uns selbst im Vorfeld auch schon gesagt, dass sie vor allen Dingen einen stärkeren Leistungsdruck empfinden. Das heißt, sie glauben, dass sie bereits vor dem ersten Mal über ein Wissen oder Erfahrungen verfügen müssten, die sie ja qua definitionem gar nicht haben können, und dann konsumieren sie Pornografie. Das verstärkt aber wiederum nur den Leistungsdruck.
Also aus Sicht der Jungs ein erhöhter sexueller Leistungsdruck und aus Sicht der Mädchen ein Perfektionsdruck, der vor allen Dingen Richtung Körperbild geht, also das Thema Body-Modification. Das heißt, Jugendlichen wird gegebenenfalls keine Zeit mehr gelassen, spielerisch und neugierig an ihre eigene Herangehensweise an Sexualität und Partnerschaft zu entdecken.
Und das ist vor allen Dingen der Fall, wenn sie in sehr frühen Jahren, also relativ jung, häufig Pornografie konsumieren, weil man eben davon ausgehen kann, dass durchaus diese Drehbücher und Modelle, die Sie in der Pornografie finden, dann ein Stück weit auch übertragen.
Bürger: Macht die Pornografie also ja auch Angst vor der ersten eigenen Erfahrung?
Grimm: Also ich würde sogar sagen, dass es wirklich eine Herausforderung ist und hier vielleicht nicht mit dem Klischee verknüpft ist, dass Jugendliche jetzt quasi sexuell verwahrlost werden würden. Ganz im Gegenteil, ich glaube, dass eigentlich die Latte viel höher gelegt wird und dass sie hier eher sozusagen unter einen psychischen Druck geraten.
Bürger: Was lässt sich jetzt aus Ihrer Studie ableiten? Es gibt ja bereits Vorschläge zum Beispiel, dass Pornografie im Schulunterricht thematisiert werden sollte. Haben Sie die Jugendlichen dazu auch befragt, und was ist aufgrund der Studie Ihre Haltung dazu?
Grimm: Also ich hatte ja jetzt nur einige Wirkungsrisiken benannt. Wir haben natürlich auch die Frage, wie beeinflusst Pornografie das sexuelle Verhalten der Jugendlichen, können sie noch zwischen real life und Pornografie unterscheiden, und wie prägt das überhaupt das Frauen- und Männerbild?
Ich denke, wir bräuchten in dem Bereich durchaus eine medienpädagogische Offensive, das heißt, dass wir eben auch im formalen Bildungskontext – Sie sagten es gerade – Schule das Thema enttabuisieren sollten – nicht direkt im Unterricht mit Lehrerinnen und Lehrern behandeln, aber durchaus Medienpädagogen oder Sexualpädagogen die Chance geben, in einem bestimmten geschützten Bereich das Thema mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen.
Bürger: Sie sagen, enttabuisieren. Aber für die Jugendlichen ist es ja anscheinend gar kein Tabu mehr?
Grimm: Ja, aber es ist im Bildungskontext ein Tabu, wo man eigentlich nicht so gerne hinschaut. Aufseiten der Jugendlichen ist es kein Tabu, das ist richtig, aber ich denke, die offene Auseinandersetzung auch vonseiten Pädagogen, Eltern und Erwachsenen, das Gespräch suchen mit den Jugendlichen – das ist bislang eher ein Tabu.
Bürger: Welche Rolle spielt Pornografie im Internet im Leben von Jugendlichen? Das fragen Stuttgarter Medienforscher in ihrer Studie "Porno im Web 2.0". Morgen erscheint diese Studie als Buch im Vistas-Medienverlag, 300 Seiten für 17 Euro, und ich danke der federführenden Professorin Petra Grimm sehr herzlich für das Gespräch. Danke, Frau Grimm!
Grimm: Bitteschön!
In einer morgen erscheinenden Studie wird das Thema nun zum ersten Mal qualitativ untersucht. Jugendliche im Alter von 13 bis 19 wurden zu ihrem Verhältnis zur Pornografie im Internet befragt und siehe da, die Aussagen sind weniger spektakulär als alle bisher veröffentlichten Meinungen und Urteile aus pädagogischer, aus psychologischer und moralischer Perspektive vermuten ließen.
Federführende Professorin dieser Studie ist die Medienwissenschaftlerin Petra Grimm von der Stuttgarter Hochschule der Medien. Schönen guten Tag, Frau Grimm!
Petra Grimm: Ja, schönen guten Tag!
Bürger: Welche Rolle spielt denn die Pornografie im Leben der befragten Jugendlichen?
Grimm: Nun ja, Sie haben ja gerade schon den Begriff Generation Porno benutzt. Ich denke, diesen Begriff sollte man eigentlich nicht benutzen, da damit ja eine ganze Generation quasi stigmatisiert werden würde.
Auf der anderen Seite haben wir eben festgestellt, dass in allen unseren Fokusgruppen die männlichen Jugendlichen eine Grundhaltung vertreten, die lautet, Pornos sind normal und Bestandteil des alltäglichen Medienkonsums. Also es ist sozusagen nichts Spektakuläres, wenn man sich Pornografie, also normale Pornografie, im Internet anschaut.
Bürger: Was reizt die Jugendlichen an Pornografie, warum schauen sie sich solche Filme an?
Grimm: Das ist ein bisschen unterschiedlich, und zwar haben wir eben herausgefunden, es gibt zum Teil bei den Jugendlichen zwar durchaus auch kritische Haltungen zum Beispiel gegenüber dem Pornomarkt und alles, was damit verbunden ist, aber auch diese sagen durchaus, dass es ja völlig normal sei, sich so was anzuschauen, bis hin gerade zu jüngeren Jugendlichen, die eben unter anderem meinen, sie müssten über bestimmte Erfahrungen verfügen, was lernen, über den Körper der Frau sich Wissen aneignen, das haben sie selber als Motiv mit benannt. Und der andere Bereich ist natürlich ganz klar auch von den männlichen Jugendlichen so formuliert, um eben auch sexuelle Erregung zu erleben und zu erfahren.
Bürger: Was genau schauen die Jugendlichen sich denn an? Sind das vor allem professionelle Pornospielfilme oder sind das auch private Home Movies, ist das Werbung, sind das direkte Online-Kontakte?
Grimm: Nun gut, ich möchte jetzt hier keine Werbung machen für eine bestimmte Seite, aber ich glaube, die ist so bekannt unter Jugendlichen, dass man sie auch nennen kann: YouPorn ist das Internetportal, das sozusagen fast alle Jugendlichen kennen und wo man eben schon mal drauf war.
Es gibt natürlich unterschiedliche Zugangsweisen: Zum einen kommen die Jugendlichen unabsichtlich mit Pornografie in Kontakt, das ist sowohl für Mädchen als auch Jungen der Fall. Das kann sein, dass sie sich vertippen bei einer Internetadresse, es kann sie zufällig auf etwas ja gelenkt werden, was sie so gar nicht beabsichtigt haben, sich anzuschauen ...
Bürger: Ja, oder auch Pop-ups, die aufgehen, wo plötzlich dann sieht ...
Grimm: ... und Pop-ups, die aufgehen, ganz korrekt. Auf der anderen Seite gibt es eben diese gezielten Suchen nach solchen pornografischen Inhalten im Internet, und da brauchen Sie ja nicht allzu lange, um hier ohne Weiteres zu der ganzen Bandbreite von Web-2.0-Angeboten zu kommen.
Bürger: Was erzählen sich Jugendliche zum Beispiel über YouPorn, Sie haben die Seite eben genannt, was ist daran interessant?
Grimm: Zum einen tatsächlich der Bereich sexuelle Erregung, Wissensgewinn, Lernen, aber auch manchmal, weil man einfach mitreden möchte unter Freunden, auch als sozusagen ein symbolisches Kapital demonstrieren will, dass man eben weiß, was es da im Internet gibt, oder einfach aus Unterhaltungsspaß oder gegen Langeweile.
Bürger: Sie haben über männliche Jugendliche eben vor allem gesprochen. Haben Sie Jungen und Mädchen getrennt voneinander befragt?
Grimm: Ja, schon um hier auch keine Gender-Effekte herbeizuführen. Wir haben auch Mädchengruppen befragt und haben hier differenziert zum einen pornoablehnende Mädchen bis zu pornotolerierenden Mädchen oder solche, die eben in der Peergruppe mit Pornografie konfrontiert werden.
Und man kann aber bei Mädchen einhellig auch einen Trend feststellen, dass sie eigentlich Pornografie eher ablehnend gegenüberstehen und sie zum Teil auch eklig im Sinne von, wie sie selbst sagen, abstoßend empfinden. Sie wissen auch weniger über das breite Angebot im Web 2.0, das heißt, sie kommen doch eher indirekt oder unabsichtlich mit Pornografie in Kontakt, wissen allerdings auch, dass der Konsum bei männlichen Jugendlichen was völlig Normales ist.
Bürger: Das klingt so, als sei es gar nicht so schwierig gewesen, mit den Jugendlichen darüber zu sprechen, wenn Sie sagen, das gehört ja irgendwie selbstverständlich zum Medienalltag dazu?
Grimm: Wir haben sie zu Beginn gefragt, wie so ein Internetalltag aussieht. Da sind sie zum Teil selber auf das Thema Pornografie auch zu sprechen gekommen.
Bürger: Was haben Sie noch ganz genau gefragt?
Grimm: Also wir haben darüber hinaus auch die Frage gestellt, inwieweit sie zum Beispiel das pornografische Angebot differenzieren, was sie überhaupt als Pornografie definieren, wie sie das wahrnehmen, und da konnten wir auch Gender-Effekte feststellen, das heißt, für Mädchen ist die Grenze zu Pornografie sehr viel niedriger: Alles, was nuttig oder eben in dem Bereich von abstoßend gilt, wird bereits als Pornografie empfunden, währenddessen die Jungs die Grenze zwischen dem, was für sie normal, nicht normal ist, dann erst bei Extrempornografie ziehen.
Man kann auch sagen, dass die männlichen Jugendlichen sehr wohl auch Extrempornografie ablehnen, das heißt also, so was wird dann eher unter Kuriosum auf dem Handy vielleicht verschickt, aber das gehört dann nicht zu dem, was sie gezielt aufsuchen, währenddessen Mädchen eher dazu tendieren, sich sozusagen mal was erotisch, ästhetisch Schönes anzuschauen.
Bürger: "Porno im Web 2.0" heißt eine morgen erscheinende Studie, für die erstmals jetzt Jugendliche befragt wurden, wie sie die Pornografie im Internet nutzen und wahrnehmen. Im Deutschlandradio Kultur sprechen wir darüber mit der federführenden Medienwissenschaftlerin Petra Grimm. Gibt Ihre Studie, Frau Grimm, also im Grunde Entwarnung? Ist die Pornografie im Internet für Jugendliche gar nicht so gefährlich wie häufig behauptet?
Grimm: Also ich denke, dass es schon einige Wirkungsrisiken gibt. Wir haben ja auch noch in einer zweiten Untersuchungsphase Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Bereichen von Jugendpsychotherapie, Sexualwissenschaft, Medizin befragt und es wurde dann doch relativ klar, dass bestimmte Wirkungsrisiken genannt werden können.
Die Jugendlichen haben uns selbst im Vorfeld auch schon gesagt, dass sie vor allen Dingen einen stärkeren Leistungsdruck empfinden. Das heißt, sie glauben, dass sie bereits vor dem ersten Mal über ein Wissen oder Erfahrungen verfügen müssten, die sie ja qua definitionem gar nicht haben können, und dann konsumieren sie Pornografie. Das verstärkt aber wiederum nur den Leistungsdruck.
Also aus Sicht der Jungs ein erhöhter sexueller Leistungsdruck und aus Sicht der Mädchen ein Perfektionsdruck, der vor allen Dingen Richtung Körperbild geht, also das Thema Body-Modification. Das heißt, Jugendlichen wird gegebenenfalls keine Zeit mehr gelassen, spielerisch und neugierig an ihre eigene Herangehensweise an Sexualität und Partnerschaft zu entdecken.
Und das ist vor allen Dingen der Fall, wenn sie in sehr frühen Jahren, also relativ jung, häufig Pornografie konsumieren, weil man eben davon ausgehen kann, dass durchaus diese Drehbücher und Modelle, die Sie in der Pornografie finden, dann ein Stück weit auch übertragen.
Bürger: Macht die Pornografie also ja auch Angst vor der ersten eigenen Erfahrung?
Grimm: Also ich würde sogar sagen, dass es wirklich eine Herausforderung ist und hier vielleicht nicht mit dem Klischee verknüpft ist, dass Jugendliche jetzt quasi sexuell verwahrlost werden würden. Ganz im Gegenteil, ich glaube, dass eigentlich die Latte viel höher gelegt wird und dass sie hier eher sozusagen unter einen psychischen Druck geraten.
Bürger: Was lässt sich jetzt aus Ihrer Studie ableiten? Es gibt ja bereits Vorschläge zum Beispiel, dass Pornografie im Schulunterricht thematisiert werden sollte. Haben Sie die Jugendlichen dazu auch befragt, und was ist aufgrund der Studie Ihre Haltung dazu?
Grimm: Also ich hatte ja jetzt nur einige Wirkungsrisiken benannt. Wir haben natürlich auch die Frage, wie beeinflusst Pornografie das sexuelle Verhalten der Jugendlichen, können sie noch zwischen real life und Pornografie unterscheiden, und wie prägt das überhaupt das Frauen- und Männerbild?
Ich denke, wir bräuchten in dem Bereich durchaus eine medienpädagogische Offensive, das heißt, dass wir eben auch im formalen Bildungskontext – Sie sagten es gerade – Schule das Thema enttabuisieren sollten – nicht direkt im Unterricht mit Lehrerinnen und Lehrern behandeln, aber durchaus Medienpädagogen oder Sexualpädagogen die Chance geben, in einem bestimmten geschützten Bereich das Thema mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen.
Bürger: Sie sagen, enttabuisieren. Aber für die Jugendlichen ist es ja anscheinend gar kein Tabu mehr?
Grimm: Ja, aber es ist im Bildungskontext ein Tabu, wo man eigentlich nicht so gerne hinschaut. Aufseiten der Jugendlichen ist es kein Tabu, das ist richtig, aber ich denke, die offene Auseinandersetzung auch vonseiten Pädagogen, Eltern und Erwachsenen, das Gespräch suchen mit den Jugendlichen – das ist bislang eher ein Tabu.
Bürger: Welche Rolle spielt Pornografie im Internet im Leben von Jugendlichen? Das fragen Stuttgarter Medienforscher in ihrer Studie "Porno im Web 2.0". Morgen erscheint diese Studie als Buch im Vistas-Medienverlag, 300 Seiten für 17 Euro, und ich danke der federführenden Professorin Petra Grimm sehr herzlich für das Gespräch. Danke, Frau Grimm!
Grimm: Bitteschön!