"Es ist sehr schwer für mich, mit dem Singen aufzuhören"

Susana Baca im Gespräch mit Susanne Führer · 21.09.2011
Die Grammy-Preisträgerin und neue peruanische Kulturministerin Susana Baca befürchtet Probleme mit der Vereinbarkeit von Gesang und Politik. Sie sehe das Risiko, nicht mehr genug Zeit für die Musik zu haben, sagte Baca. Im Berliner Haus der Kulturen der Welt stellt sie ihr neues Album vor.
Susanne Führer: Die Sängerin Susana Baca – wir haben sie gerade gehört – ist eine der bekanntesten Künstlerinnen Perus und seit einem guten Monat auch noch Kulturministerin ihres Landes. Susana Baca ist zurzeit auf Welttournee. Ich habe Sie gestern in Berlin kurz vor ihrem Konzert getroffen, und warum sie, eine vielbeschäftigte Künstlerin, das Amt der Kulturministerin angenommen hat, das wollte ich zunächst von ihr wissen.

Susana Baca: Ich habe diese Arbeit übernommen, als Mitglied des Kabinetts zu arbeiten, weil das eine Ehre für mich ist. Und ich spürte, dass das eine Gelegenheit ist, auch in mein Land zurückzukehren, dass diese Möglichkeit sich mir so geboten hat.

Führer: Was haben Sie denn vor als Kulturministerin? Haben Sie schon politische Pläne? Was wollen Sie erreichen?

Baca: Das Wichtigste für mich ist, dass dieses Ministerium, das noch sehr jung ist – das gibt es gerade mal seit einem Jahr –, dass dieses Ministerium sich in eine Institution verwandelt, dass es zu einer Institution wird, und dass die Menschen verstehen können, wirklich verstehen können, was unsere Arbeit in diesem Ministerium überhaupt ist.

Und ich werde auch versuchen, dass alle Peruaner Peru wirklich kennen lernen können – diese fantastische kulturelle Vielfalt, die das Land bietet, und die uns zu Teilhabern einer Kultur mit so vielen Ebenen macht, mit so vielen Schichten.

Und das, was in der Vergangenheit passiert ist, ist, dass die Menschen diese Vielfalt überhaupt nicht verstanden haben. Sie glaubten, dass das Zurückgebliebenheit sei, dass das Rückstand wäre, so viele Sprachen zu haben, dass das das Land zurückwerfen würde, so dachte man früher.

Sie verstanden nicht den Wert, den das hatte. All diese Heiligtümer, die es im Land gab, die diese Prä-Inka- und Inka-Kultur uns gebracht hat – sie wussten das nicht wertzuschätzen. Und ich denke, dass das Ministerium die Aufgabe hat, dieses nationale Erbe zu schützen und zu bewahren, das allen Peruanern gehört, auch denen, die noch nicht geboren worden sind.

Führer: Haben Sie denn keine Sorge, keine Angst, dass Sie keine Zeit mehr finden werden für die Musik, wenn Sie jetzt als Ministerin arbeiten?

Baca: Das ist ein Risiko, das ich wirklich jetzt sehe und das mir schon ein wenig Zeit raubt. Ich werde andere Minister, die auch Musiker sind, um Rat fragen, wie die das machen. Ich werde sehen, wie ich die Zeit finden werde, um die Musik zu machen, um auch Aufnahmen zu machen und durch mein Land zu reisen, auch singend durchs Land zu reisen. Das ist etwas, was ich immer machen wollte.

Führer: Sie sind die erste Afroperuanerin in einer Regierung. Damit sind Sie ja zum Symbol geworden und sind sicher auch für viele ein Vorbild. Ist Ihnen das angenehm oder eher unangenehm?

Baca: Ja, das ist sehr angenehm. Die Afroperuaner haben im Allgemeinen ihren Stolz ausgedrückt darüber, dass ich jetzt im Ministerium bin, im Kulturministerium. Sie haben ihre Unterstützung angeboten, und tatsächlich arbeite ich auch mit den wirklich politischen Gruppen von ihnen zusammen.

Führer: Also, das kann ja auch ein bisschen eine Last sein, wenn man ein Symbol ist oder ein Vorbild für so viele Menschen, aber Sie genießen das?

Baca: Ja, das lastet auch, denn so als Beispiel vorauszugehen, als Referenzpunkt zu fungieren für die jungen Leute und vielleicht auch Kinder, die einen dann so ansehen wie einen Mythos – Sie sehen mich wie einen Referenzpunkt, aber nichts, was man nicht berühren könne, was man nicht erreichen könnte.

Das ist eine Last, aber es ist auch lange her, dass ich diese Aufgabe übernahm, die afroperuanische Musik in ihrem Wert darstellen zu können, glänzen lassen zu können, und mich in eine Vertreterin dieser Musik verwandelt habe sozusagen. Und da war ich schon eine ganze Weile im Blickfeld diesbezüglich und bin das also gewöhnt.

Führer: Ich habe gelesen, dass zehn Prozent der Peruaner afrikanische Vorfahren haben. Da habe ich mich gefragt, wie leben die eigentlich in Peru? Werden sie diskriminiert, oder spielt die Hautfarbe in diesem multiethnischen Land eigentlich gar keine Rolle? Sie, Susana Baca, werden ja auch von allen Peruanern quer durch alle Schichten und alle Hautfarben bewundert.

Baca: Der Rassismus besteht in unserem Land immer noch. Er hat überlebt. Und es ist ein Rassismus gegen die Indios, gegen die Ureinwohnerdörfer, gegen die am Amazonas lebenden Bewohner, und das drückt sich aus dadurch, dass diese Leute ausgegrenzt werden, sie dürfen nicht in bestimmte Türen eintreten manchmal – aber auch ein Rassismus, der sie ganz sich selbst überlässt. Das ist auch eine Art von Rassismus, wenn man diese Leute einfach links liegen lässt. Eine Art von Rassismus, das ist auch, diese Kultur nicht zu demokratisieren, nicht in die letzten Winkel des Landes zu gelangen mit der Kultur.

Führer: Die peruanische Sängerin und Kulturministerin Susana Baca im Deutschlandradio Kultur. Ihr Staatspräsident Ollanta Humala hat als sein Vorbild Lula da Silva angegeben, also den ehemaligen Präsidenten Brasiliens, und in dessen Kabinett, also in Lula da Silvas Kabinett, war ja der Musiker Gilberto Gil Kulturminister. Da habe ich mich dann gefragt: Musiker wie Sie, Grammy-Preisträger wie Sie, ist jetzt vielleicht Gilberto Gil wiederum Ihr Vorbild?

Baca: Ja, auf jeden Fall war er für uns ein Beispiel, ein Vorbild, und wir haben gefeiert, als er ernannt wurde, weil er auch afroamerikanischer Herkunft ist, und wir fühlten uns auch stolz auf ihn, die Afroperuaner. Ich konnte ihn tatsächlich nicht anrufen, aber ich hatte große Lust, mit ihm zu sprechen, denn es ist sehr schwer für mich, mit dem Singen aufzuhören. Und es ist auch gleichzeitig sehr schwer, zu singen und Ministerin zu sein.

Führer: Ollanta Humala ist jetzt seit knapp zwei Monaten der neue Präsident Perus. Er ist der erste linke Präsident seit über 30 Jahren. Was erhoffen Sie sich von ihm für ihr Land?

Baca: Man erwartet sehr viel von ihm, man erwartet eine Veränderung, eine wirkliche Veränderung. Man hat wieder angefangen, aufzuwachen. Man hat wieder eine Stimme, um zu sagen, was man spürt, was man fühlt und was man denkt.

Die Wahl dieses Präsidenten war sehr wichtig und vor allem deshalb, weil Peru dahingehend arbeitet, um die Versprechen, die nun gegeben worden sind, auch wirklich umzusetzen. Das ist eine wirkliche Arbeit, eine Arbeit, in der alle mitgenommen werden sollen, an die Orte zu gehen, in die letzten Winkel des Landes, um zu gucken: Was braucht man dort, was ist nötig, was muss passieren?

Es ist gerade mal ein Monat und ein bisschen, dass er in der Regierung ist, und der muss auch mal ein wenig ausruhen, denn er reist die ganze Zeit mit Ministern aus seinem Kabinett in den Süden, in den Norden, in alle Teile des Landes, er ist immer unterwegs.

Und das Erste, was er getan hat, war, zu den Orten zu fahren, und dort zu gucken, was noch nicht wieder aufgebaut worden war nach dem Erdbeben. Und die Leute an diesen Orten hatten schon die Hoffnung verloren. Sie haben jetzt wieder gemerkt, dass sie vielleicht wirklich eine Möglichkeit haben, dass ihre Häuser wieder aufgebaut werden. Und es gibt eine besondere Arbeit, eine wichtige Arbeit, um diese Konstruktionen auch durchzuführen, um diese Baumaßnahmen einzuleiten.

Führer: Und Sie persönlich, was erhoffen Sie sich persönlich von dem neuen Präsidenten?

Baca: Ich hoffe, dass die Menschen sich nicht wie Bürger zweiter Klasse fühlen. Und ich spüre, dass er das schaffen wird. Er kämpft dafür, das zu schaffen. Ganz Peru, wir sind alle Peruaner, jeder mit der Wichtigkeit des Seins, mit der Tatsache, dass er ein menschliches Wesen ist.

Führer: Susana Baca, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch. Muchas Gracias!

Baca: Muchas Gracias und einen ganz herzlichen Gruß an alle Hörer dieses Programmes, dieser Sendung, und ich bin sehr froh, wieder nach Deutschland kommen zu können!


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