"Es ist nicht zu lange Zeit, in zwei Jahren Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Nana Brink · 29.03.2011
Die FDP muss das Atomenergie-Restrisiko noch einmal im neuen Licht bewerten und zu einem geänderten Energiekonzept kommen. Das sagt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die auch im FDP-Präsidium sitzt.
Nana Brink: Die FDP leckt ihre Wunden nach dem Debakel bei den Landtagswahlen vom Sonntag. Schlimmer hätte es fast nicht kommen können: Einmal Machtverlust in Baden-Württemberg und totales Scheitern in Rheinland-Pfalz. Aber wenn auch ein reichlich zerknirschter FDP-Chef Guido Westerwelle gestern vor die Kameras trat – eines tat er nicht: weitreichende personelle Konsequenzen zu verkünden oder sogar seinen eigenen Rücktritt als Parteichef. Immerhin, Wirtschaftsminister Brüderle will den Posten als Landesvorsitzender seiner Partei in Rheinland-Pfalz zur Verfügung stellen, das allerdings führt zu Unmut bei den jungen, ungeduldigen Liberalen.

Am Telefon ist jetzt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sie sitzt im FDP-Präsidium. Einen schönen guten Morgen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger!

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen!

Brink: Braucht die FDP ein neues Führungsteam?

Leutheusser-Schnarrenberger: Jedenfalls braucht sie Veränderungen, sie braucht auch wieder stärkere inhaltliche Orientierung. Von daher ist eine isolierte Personaldebatte bestimmt nicht das, was der FDP allein aus einer schwierigen Lage heraushelfen kann.

Brink: Der Chef Ihrer Partei, Guido Westerwelle, hat ausdrücklich einen Neustart gefordert, aber die Verlierer bleiben im Amt. Wie geht denn das zusammen?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es ist einmal gut, dass auch der Parteivorsitzende sieht, dass inhaltlich auch in manchen Themen die FDP wieder auf die Höhe der Zeit kommen muss. Das betrifft ganz besonders die Energiepolitik, dass wir ganz deutlich machen, wir haben auch Notwendigkeit und wir sehen ganz klar die Notwendigkeit, Atomenergie-Restrisiko wirklich noch mal in einem anderen Lichte zu bewerten und deshalb auch zu einem geänderten Energiekonzept zu kommen. Und das muss verbunden werden mit Personen, und nur zusammen kann das ja glaubwürdig sein, dass Personen für Inhalte stehen, und dann diese Inhalte auch stärker versucht werden, in der Koalition durchzusetzen. Denn auch da liegt eines unserer Probleme.

Brink: Sie haben es ja selber in einem Zeitungsinterview heute gesagt, Sie haben von einem Glaubwürdigkeitsproblem gesprochen. Ich probiere es trotzdem mal: Wie können Sie denn die Erneuerung, über die wir gleich auch noch sprechen, nicht verbinden mit neuen Köpfen?

Leutheusser-Schnarrenberger: Dass wir am Ende auch in unserem Führungsgremium – wir haben das Präsidium, wir haben den großen Bundesvorstand – zu personellen Veränderungen kommen werden, das, glaube ich, weiß jeder. Dass aber nicht eben mal durch Zuruf ein Name genannt wird oder einer allein jetzt für verantwortlich erklärt wird, ist in meinen Augen natürlich auch naheliegend. Wir müssen sehen, wie können wir deutlich auch noch Jüngere in Verantwortung mit hineinbringen, weil das ja dann auch der Übergang insgesamt der FDP in eine verjüngte Führungsriege sein muss. Und von daher ist schon richtig, dass man da sich die nötige Zeit nimmt.

Brink: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann müssen die Jüngeren jetzt endlich sozusagen an die Macht kommen. Müssen sie einen Machtkampf vom Zaun brechen bald?

Leutheusser-Schnarrenberger: Wir wollen ja gerade uns nicht zerfleischen und der eine den anderen niedermachen, davon halte ich überhaupt nichts, denn die FDP braucht ein gutes Miteinander von Jüngeren und Älteren. Und das deshalb in Gremien zu erörtern, aber dann auch in einen möglichen Wettbewerb auf dem Parteitag zu kommen, das glaube ich ist richtig, und nicht jetzt in den nächsten Tagen Scherbengericht anzurichten.

Brink: Der ehemalige FDP-Chef Wolfgang Gerhardt fordert ja eine gründliche Inventur unseres Angebots in der Sache und in Personen. Wo muss sich die FDP neu aufstellen? Sie haben es immer gefordert, sie muss sich breiter aufstellen. – Wo?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ja. Ganz klar, dass gerade auch die Themen der Gesellschaftspolitik, da ist nicht nur Integration ein Riesenthema, sondern natürlich gerade auch Persönlichkeitsrechtsschutz im digitalen Zeitalter, also im 21. Jahrhundert. Das muss in anderer Form gelingen als in der Vergangenheit.

Aber ganz wichtig wird natürlich sein, Glaubwürdigkeit gerade auch zurückzugewinnen in Kernthemen schon auch der Innovations- und Forschungspolitik und gerade eben in der Energiepolitik. Da glaube ich erwarten die Bürger wirklich ein überzeugendes Umsetzen der Worte, dass es nicht weiter so gehen wird. Also was konkret muss an Investitionen, auch möglicherweise an Veränderungen im Atomgesetz passieren, um hier einen zügigeren Übergang in der Energiewende zu bekommen. Brückentechnologie, Kernenergie muss für die FDP sehr ernst genommen werden, und nicht eine Brücke in die nächsten 40 Jahre sein.

Brink: Dann habe ich Sie richtig verstanden, dass der Weg immerhin seit Beginn der Regierung einfach ein falscher war?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich denke, dass das Energiekonzept des letzten Jahres wirklich – das man damals natürlich auch gefunden hat in der Koalition –, dass das nicht ein überzeugender, richtiger Weg war, und wir jetzt die guten Gründe haben mit den fürchterlichen Vorfällen in Fukushima, wirklich uns über Restrisiken, über das, was verantwortbar ist auch hier in Deutschland, aber natürlich gerade auch im europäischen Zusammenhang, neu überdacht werden muss.

Brink: Sie hoffen ja dann auf einen Neustart sozusagen auf dem Bundesparteitag der FDP im Mai. Westerwelle ließ ja offen, ob er wieder antritt. Tut der FDP das wirklich gut, diese Frage offen zu lassen so lange?

Leutheusser-Schnarrenberger: Wir haben ja jetzt in diesen Tagen, auch nächsten Montag Gespräche in den Führungsgremien, wir haben am 11. April, möglicherweise auch mit dem Bundesvorstand, aber in jedem Fall mit allen Landesvorsitzenden Gespräche. Denn das, was wir jetzt zu entscheiden haben, das muss stehen für die gesamte Legislaturperiode bis 2013. Es ist nicht zu lange Zeit, in zwei Jahren Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, Vertrauen zurückzugewinnen in liberale Politik, dass der Liberalismus notwendig ist in Deutschland. Denn die Verschiebung im Parteienspektrum mit letztem Sonntag, die sind massiv: Machtoption für drei Parteien und die FDP ist nicht dabei!

Brink: FDP-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, schönen Dank für das Gespräch!

Leutheusser-Schnarrenberger: Danke Ihnen!