"Es ist ein wahrer Bienenkorb hier"
Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin, hält es für realistisch, Verhandlungen beim UNO-Klimagipfel in Kopenhagen zu beeinflussen. "Die Regierungen wissen, Greenpeace ist in der Lage, als internationale Organisation zu mobilisieren", sagte Krug.
Susanne Führer: Die dänische Hauptstadt Kopenhagen hat gut 500.000 Einwohner - normalerweise. Zurzeit sind es einige zehntausend mehr, denn zum Weltklimagipfel sind nicht nur die offiziellen Delegationen von 192 Staaten angereist, dazu haben auch noch Tausende von Journalisten in Kopenhagen ihre Zelte aufgebaut und – nicht zu vergessen – ungefähr 20.000 Lobbyisten.
Das heißt, Menschen, die sich nicht im Auftrag einer Regierung, aber eines Unternehmens oder einer Organisation in und vor dem Konferenzzentrum tummeln, in der Hoffnung, die Verhandlungen in ihrem Sinne beeinflussen zu können – ob das nun Energiekonzerne, Autohersteller oder Umweltschutzgruppen sind. Stefan Krug ist im Auftrag von Greenpeace in Kopenhagen und uns jetzt aus unserem Studio dort zugeschaltet. Guten Tag, Herr Krug!
Stefan Krug: Guten Tag!
Führer: Zehn Tage Klimagipfel haben Sie schon hinter sich. Wo haben Sie die eigentlich hauptsächlich verbracht – auf der Straße, den Fluren oder auch mal als Gast bei den offiziellen Verhandlungen?
Krug: Wir, also die Leute, die hier politische Arbeit machen, verbringen den meisten Teil des Tages hier im Konferenzzentrum. Also wir sehen wenig von draußen und manchmal auch sehr wenig von den Verhandlungen und bewegen uns im Grunde in dem Umfeld, wo wir versuchen, möglichst viel mitzubekommen, aber das ist nicht immer unbedingt der Fall.
Führer: Das heißt, Sie sind dann tatsächlich in der Lobby?
Krug: Ja, wir gehen morgens mit dem Strom der anderen Besucher ins Bella-Zentrum, so heißt das Konferenzzentrum hier, und dann verbringt man seinen Tag zwischen den Konferenzräumen, zwischen den Meetings, die es intern natürlich gibt, aber auch zwischen den Pressekonferenzen, die stattfinden, zwischen den Statements und zwischen den Treffen mit den verschiedenen Delegationen.
Führer: Es sollen ja insgesamt 20.000 Lobbyisten in Kopenhagen vertreten sein. Wo in buchstäblichem Sinne sind die denn alle – vor dem Kongresszentrum oder drin auf den Fluren, wie sieht es denn da aus? Das müsste ja dann ziemlich eng sein, oder?
Krug: Es ist ein wahrer Bienenkorb hier. Ich habe so was sowieso noch nie erlebt in dieser Form. Hier strömen Menschenmassen – das geht schon morgens los. Man versucht, obwohl man akkreditiert ist, also Zugang hat, in das Konferenzgebäude zu kommen und steht bisweilen eine halbe Stunde, eine Dreiviertelstunde, bis man überhaupt an den Sicherheitscheck kommt.
Riesige Menschenschlangen, andere kommen überhaupt nicht rein. Gestern haben mir Kollegen erzählt, dass sie bis zu sieben Stunden gewartet haben und dann entnervt aufgegeben haben. Wenn man diese ganzen Hürden überwunden hat, dann befindet man sich in einem riesigen Konferenzzentrum, das nur so wuselt von Tausenden von Menschen, eine Mischung aus Informationsbasar, Ständen, offiziellen Stellen, wo Papiere verteilt werden, aber dann eben auch die Konferenzräume.
Dann geht es weiter mit einer Art wabenförmigem Bürokomplex, wo die einzelnen Delegationen untergebracht sind. Das sind eigentlich mehr so Container, an denen Schildchen hängen, welche Delegation sich darin befindet, welche Organisation. Also es ist eine sehr komplexe und manchmal sehr unübersichtliche Situation. Alle sind sehr aufgeregt, sehr energiegeladen, bisweilen sehr hektisch, aber ich glaube, das ist nicht immer unbedingt auch so, dass alle genau wissen, wohin die Reise geht.
Führer: Nun sind Sie ja da als Vertreter von Greenpeace, weil Sie ein bestimmtes Anliegen haben. Wie ist denn das, Herr Krug, haben Sie denn den Eindruck, dass Sie überhaupt jetzt noch also den Verhandlungsverlauf beeinflussen können? Meines Wissens ist es doch so, dass eigentlich Interessensvertreter oder Lobbyisten eben ihren größten Einfluss versuchen zumindest auszuüben, bevor es dann in solche Verhandlungen geht, also die Leute vorher zu überzeugen?
Krug: Sicher, aber beide Ebenen sind wichtig. Man muss solche Konferenzen lange vorbereiten. Es hat keinen Sinn, gewissermaßen dann, wenn das Finale ansteht, erst aktiv zu werden. Das heißt, alle, die bestimmte Anliegen haben, versuchen das natürlich über Jahre aufzubauen und gute Kontakte herzustellen. Das ist das eine. Das andere ist aber dann, vor Ort natürlich die Dynamik der Verhandlungen verfolgen zu können.
Da spielen sich dann eingefädelte oder stabile Kontakte aus, das ist auch eine Sache von Vertrauen. Und dann muss man halt schauen, was bekommt man überhaupt noch mit von den Verhandlungen. Am Anfang kann man als Beobachterorganisation den Verhandlungen beiwohnen, das heißt, es ist Zugang gestattet zu den Vollversammlungen, auch zu den Kontaktgruppen, die dann entstehen, als Unterarbeitsgruppen sozusagen.
Aber je weiter sich die Probleme sozusagen zuspitzen, umso enger wird der Kreis derjenigen, der Zugang hat, dann werden zum Beispiel Umweltorganisationen sehr schnell nicht mehr zugelassen. Da haben wir aber zum Beispiel die Möglichkeit, dass in den Delegationen auch Mitglieder von Umweltorganisationen sitzen und wir sozusagen dann auch über offizielle Delegationen weiter Informationen bekommen.
Führer: Und ansonsten warten Sie, bis mal eine Pause ist, und dann schnappen Sie sich einen Delegierten und sprechen auf ihn ein oder wie geht das dann?
Krug: Genau, das ist auch viel Arbeit auf den Gängen, und es ist auch viel Zufall dabei, und man muss auch Glück haben. Das heißt, man läuft morgens durch die Gänge und dann steht eben auf einmal jemand da, den man vielleicht am Vortag vergeblich versucht hat zu erreichen, auf offiziellem Wege ihn nicht bekommen hat, und dann muss man sehr schnell, denke ich mal, auch die zur Verfügung stehende Zeit nutzen können, sehr schnell auf den Punkt kommen und eventuell auch weitere Gespräche vereinbaren.
Man wartet morgens, bevor die Delegierten in die Verhandlungen strömen, man wartet an den Ausgängen, wenn sie in den Pausen rauskommen, man sieht sie, wie gesagt, zufällig mal in der Caféteria, man steht vorm Delegationsbüro und hofft, dass …
Führer: Ich bekomme ja jetzt fast ein bisschen Mitleid mit den Delegierten. Kaum haben die mal eine Pause oder morgens, bevor es losgeht, stürzen schon die Lobbyisten auf sie zu und tragen ihr Anliegen vor. Herr Krug, Sie haben ja gerade gesagt, dass der Hauptteil der Arbeit eigentlich im Vorfeld der Konferenz stattfindet. Also noch mal die Frage, was für einen Sinn das jetzt hat – geht es vielleicht auch darum, so eine Art psychologischen Druck aufzubauen?
Krug: Es ist immer beides. Also für eine Umweltorganisation, wie wir es sind, ist der öffentliche Druck natürlich das eine wesentliche Standbein, mit dem wir dann hier auch arbeiten können. Das heißt, wir werden auch wahrgenommen oder respektiert, weil die Delegierten und die Regierungen wissen, Greenpeace ist in der Lage, als internationale Organisation zu mobilisieren, öffentliche Meinung zu erzeugen und wirklich Druck auszuüben, auch über die Medien oder über öffentliche Darstellungen. Das heißt, es wird wahrgenommen und Sie wissen, darauf muss man reagieren. Aber ich würde den Einfluss direkt vor Ort nicht unterschätzen.
Führer: Ich habe ja gelesen, dass Sie die Delegierten, also die offiziellen Teilnehmer, mit einem guten Buffet abends auf Ihre Veranstaltungen locken?
Krug: Nein, das sind so die klassischen Vorurteile, die man so hat. Sie sollten sich mal die Buffets angucken, die hier bei den sogenannten Side Events kredenzt werden. Das sind pappige Sandwiches, auf die sich allerdings dann auch alle stürzen, weil alle Hunger haben. Man darf nicht vergessen, dass den ganzen Tag über hier ein unglaubliches Gewusel herrscht, man kommt auch kaum an Essen ran, weil riesige Schlangen überall stehen, und vielfach hat man überhaupt keine Zeit zu essen. Und das ist einfach, das ist eine Mär, dass man hier große Buffets auftischen kann, das geht gar nicht.
Führer: Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace Berlin im Deutschlandradio Kultur, zurzeit in Kopenhagen, über Lobbyarbeit auf dem Klimagipfel. Herr Krug, wie ist das eigentlich, versuchen denn die Lobbyisten dann auch wiederum nicht nur die Delegierten, sondern vielleicht sich auch untereinander zu beeinflussen, haben Sie schon mal mit Leuten von sagen wir mal von British Petrol, also von BP geredet?
Krug: Nein, das ist auf so einer Ebene im Moment auch überhaupt nicht nötig. Große Konzerne wie die Ölkonzerne zum Beispiel oder auch Autokonzerne oder Chemiekonzerne versuchen hier natürlich, möglichst eine Entwicklung zu beeinflussen, dass für sie nicht unbedingt harte Einschnitte rauskommen – ich sag es jetzt mal vorsichtig.
Also sie versuchen, die Verhandlungen auch in ihrem Sinne zu beeinflussen, für ihre Unternehmen sozusagen positive Umstände rauszuholen. Man begegnet sich ab und zu, klar, es gibt viele Werbeveranstaltungen hier, die zeigen, wie grün angeblich viele Industrien sind. Es gibt allerdings auch ernst zu nehmende Industriezweige, die wirklich wollen, dass es hier zu einem ernsthaften Abkommen kommt. Man begegnet sich, aber es ist nicht nötig, sich auf dieser Ebene gewissermaßen politisch zu bearbeiten.
Jetzt geht es darum, die Texte zu beeinflussen, es geht darum, die Entscheidungsträger über die zum Teil kriminellen Machenschaften zu informieren, die vonstatten gehen da draußen in der Welt, die sie ja oft gar nicht mitbekommen. Und letztendlich leben wir mit dem, was hier beschlossen wird, für das nächste Jahr und die nächsten Jahre. Es ist ja nicht irgendein Gipfel, sondern der wahrscheinlich wichtigste Klimagipfel, den es jemals gegeben hat.
Führer: Morgen wollen ja einige der Umweltgruppen, also der NGOs, der Nichtregierungsorganisationen, das Kongresszentrum stürmen und besetzen, habe ich gehört. Greenpeace will da nicht mitmachen. Fürchten Sie einen Imageschaden für Ihre Organisation?
Krug: Kein Imageschaden, sondern das ist eine Grundsatzfrage für uns. Wir machen keine gewaltsamen Aktionen, wir haben grundsätzliche Gewaltfreiheit als Prinzip. Im Übrigen ist das eine Aktion, in die wir auch nicht eingebunden sind, das ist etwas, denke ich mal, was andere organisiert haben, und die sollten Sie mal an dieser Stelle besser fragen.
Führer: Also Sie sprechen sich da nicht untereinander ab?
Krug: Nein, es gibt nicht die NGO-Gemeinschaft. Es gibt natürlich Netzwerke von NGOs, die miteinander … also wir haben sehr große Konsultationsrunden hier innerhalb der Community von NGOs, die es gibt, aber das sind ja zum Teil auch Gruppen, die gar nicht spezifisch bei Klimathemen arbeiten, sondern es geht ja häufig auch darum, Gipfel generell – ob es ein G-8-Gipfel ist oder ein politischer Gipfel anderer Art – zu nutzen für eine generelle politische Botschaft, die da zum Beispiel lautet, nieder mit dem Kapitalismus oder was auch immer.
Ich bin, wir sind mit solchen Gruppen eigentlich nicht in Kontakt. Wir sagen grundsätzlich, Gewaltfreiheit ist Grundbedingung für solche Aktionen, und wir selber machen auch Aktionen. Das ist ja nicht so, dass wir nur Lobbyarbeit hier machen, aber wir machen unsere eigenen Aktionen und wollen uns auch nicht allzu weit über Aktionen anderer Organisationen äußern.
Führer: Also im Grunde genommen ist für Greenpeace dieser Gipfel doch auch eine wunderbare Plattform, ja, eine PR-Veranstaltung?
Krug: Das finde ich persönlich nicht. Ich finde es einen grundsätzlichen Unterschied, was den Begriff des Lobbyisten auch angeht, ob jemand für ein Unternehmen unterwegs ist und versucht, sozusagen für sein Unternehmen möglichst günstige Rahmenbedingungen herauszubekommen, damit zum Beispiel weiterhin hohe Profite möglich sind in Geschäften, die vielleicht trotzdem klimaschädlich sind.
Eine Umweltorganisation wie Greenpeace, aber auch die Menschenrechtsorganisationen, die hier sind, die Entwicklungsorganisationen, vertreten so was wie ein öffentliches Gut, vertreten Menschen, die sich in keiner Weise selbst organisieren oder äußern können, weil sie schlicht nicht die Mittel dazu haben. Das geht ja schon bei den Delegationen der Entwicklungsländer hier los. Ich denke, es ist ein grundsätzlicher Unterschied, ob man für Profite wirbt oder ob man fürs Gemeinwohl wirbt.
Führer: Stefan Krug, der Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace, zurzeit schwer beschäftigt in Kopenhagen. Herzlichen Dank fürs Gespräch, Herr Krug!
Krug: Bitte!
Das heißt, Menschen, die sich nicht im Auftrag einer Regierung, aber eines Unternehmens oder einer Organisation in und vor dem Konferenzzentrum tummeln, in der Hoffnung, die Verhandlungen in ihrem Sinne beeinflussen zu können – ob das nun Energiekonzerne, Autohersteller oder Umweltschutzgruppen sind. Stefan Krug ist im Auftrag von Greenpeace in Kopenhagen und uns jetzt aus unserem Studio dort zugeschaltet. Guten Tag, Herr Krug!
Stefan Krug: Guten Tag!
Führer: Zehn Tage Klimagipfel haben Sie schon hinter sich. Wo haben Sie die eigentlich hauptsächlich verbracht – auf der Straße, den Fluren oder auch mal als Gast bei den offiziellen Verhandlungen?
Krug: Wir, also die Leute, die hier politische Arbeit machen, verbringen den meisten Teil des Tages hier im Konferenzzentrum. Also wir sehen wenig von draußen und manchmal auch sehr wenig von den Verhandlungen und bewegen uns im Grunde in dem Umfeld, wo wir versuchen, möglichst viel mitzubekommen, aber das ist nicht immer unbedingt der Fall.
Führer: Das heißt, Sie sind dann tatsächlich in der Lobby?
Krug: Ja, wir gehen morgens mit dem Strom der anderen Besucher ins Bella-Zentrum, so heißt das Konferenzzentrum hier, und dann verbringt man seinen Tag zwischen den Konferenzräumen, zwischen den Meetings, die es intern natürlich gibt, aber auch zwischen den Pressekonferenzen, die stattfinden, zwischen den Statements und zwischen den Treffen mit den verschiedenen Delegationen.
Führer: Es sollen ja insgesamt 20.000 Lobbyisten in Kopenhagen vertreten sein. Wo in buchstäblichem Sinne sind die denn alle – vor dem Kongresszentrum oder drin auf den Fluren, wie sieht es denn da aus? Das müsste ja dann ziemlich eng sein, oder?
Krug: Es ist ein wahrer Bienenkorb hier. Ich habe so was sowieso noch nie erlebt in dieser Form. Hier strömen Menschenmassen – das geht schon morgens los. Man versucht, obwohl man akkreditiert ist, also Zugang hat, in das Konferenzgebäude zu kommen und steht bisweilen eine halbe Stunde, eine Dreiviertelstunde, bis man überhaupt an den Sicherheitscheck kommt.
Riesige Menschenschlangen, andere kommen überhaupt nicht rein. Gestern haben mir Kollegen erzählt, dass sie bis zu sieben Stunden gewartet haben und dann entnervt aufgegeben haben. Wenn man diese ganzen Hürden überwunden hat, dann befindet man sich in einem riesigen Konferenzzentrum, das nur so wuselt von Tausenden von Menschen, eine Mischung aus Informationsbasar, Ständen, offiziellen Stellen, wo Papiere verteilt werden, aber dann eben auch die Konferenzräume.
Dann geht es weiter mit einer Art wabenförmigem Bürokomplex, wo die einzelnen Delegationen untergebracht sind. Das sind eigentlich mehr so Container, an denen Schildchen hängen, welche Delegation sich darin befindet, welche Organisation. Also es ist eine sehr komplexe und manchmal sehr unübersichtliche Situation. Alle sind sehr aufgeregt, sehr energiegeladen, bisweilen sehr hektisch, aber ich glaube, das ist nicht immer unbedingt auch so, dass alle genau wissen, wohin die Reise geht.
Führer: Nun sind Sie ja da als Vertreter von Greenpeace, weil Sie ein bestimmtes Anliegen haben. Wie ist denn das, Herr Krug, haben Sie denn den Eindruck, dass Sie überhaupt jetzt noch also den Verhandlungsverlauf beeinflussen können? Meines Wissens ist es doch so, dass eigentlich Interessensvertreter oder Lobbyisten eben ihren größten Einfluss versuchen zumindest auszuüben, bevor es dann in solche Verhandlungen geht, also die Leute vorher zu überzeugen?
Krug: Sicher, aber beide Ebenen sind wichtig. Man muss solche Konferenzen lange vorbereiten. Es hat keinen Sinn, gewissermaßen dann, wenn das Finale ansteht, erst aktiv zu werden. Das heißt, alle, die bestimmte Anliegen haben, versuchen das natürlich über Jahre aufzubauen und gute Kontakte herzustellen. Das ist das eine. Das andere ist aber dann, vor Ort natürlich die Dynamik der Verhandlungen verfolgen zu können.
Da spielen sich dann eingefädelte oder stabile Kontakte aus, das ist auch eine Sache von Vertrauen. Und dann muss man halt schauen, was bekommt man überhaupt noch mit von den Verhandlungen. Am Anfang kann man als Beobachterorganisation den Verhandlungen beiwohnen, das heißt, es ist Zugang gestattet zu den Vollversammlungen, auch zu den Kontaktgruppen, die dann entstehen, als Unterarbeitsgruppen sozusagen.
Aber je weiter sich die Probleme sozusagen zuspitzen, umso enger wird der Kreis derjenigen, der Zugang hat, dann werden zum Beispiel Umweltorganisationen sehr schnell nicht mehr zugelassen. Da haben wir aber zum Beispiel die Möglichkeit, dass in den Delegationen auch Mitglieder von Umweltorganisationen sitzen und wir sozusagen dann auch über offizielle Delegationen weiter Informationen bekommen.
Führer: Und ansonsten warten Sie, bis mal eine Pause ist, und dann schnappen Sie sich einen Delegierten und sprechen auf ihn ein oder wie geht das dann?
Krug: Genau, das ist auch viel Arbeit auf den Gängen, und es ist auch viel Zufall dabei, und man muss auch Glück haben. Das heißt, man läuft morgens durch die Gänge und dann steht eben auf einmal jemand da, den man vielleicht am Vortag vergeblich versucht hat zu erreichen, auf offiziellem Wege ihn nicht bekommen hat, und dann muss man sehr schnell, denke ich mal, auch die zur Verfügung stehende Zeit nutzen können, sehr schnell auf den Punkt kommen und eventuell auch weitere Gespräche vereinbaren.
Man wartet morgens, bevor die Delegierten in die Verhandlungen strömen, man wartet an den Ausgängen, wenn sie in den Pausen rauskommen, man sieht sie, wie gesagt, zufällig mal in der Caféteria, man steht vorm Delegationsbüro und hofft, dass …
Führer: Ich bekomme ja jetzt fast ein bisschen Mitleid mit den Delegierten. Kaum haben die mal eine Pause oder morgens, bevor es losgeht, stürzen schon die Lobbyisten auf sie zu und tragen ihr Anliegen vor. Herr Krug, Sie haben ja gerade gesagt, dass der Hauptteil der Arbeit eigentlich im Vorfeld der Konferenz stattfindet. Also noch mal die Frage, was für einen Sinn das jetzt hat – geht es vielleicht auch darum, so eine Art psychologischen Druck aufzubauen?
Krug: Es ist immer beides. Also für eine Umweltorganisation, wie wir es sind, ist der öffentliche Druck natürlich das eine wesentliche Standbein, mit dem wir dann hier auch arbeiten können. Das heißt, wir werden auch wahrgenommen oder respektiert, weil die Delegierten und die Regierungen wissen, Greenpeace ist in der Lage, als internationale Organisation zu mobilisieren, öffentliche Meinung zu erzeugen und wirklich Druck auszuüben, auch über die Medien oder über öffentliche Darstellungen. Das heißt, es wird wahrgenommen und Sie wissen, darauf muss man reagieren. Aber ich würde den Einfluss direkt vor Ort nicht unterschätzen.
Führer: Ich habe ja gelesen, dass Sie die Delegierten, also die offiziellen Teilnehmer, mit einem guten Buffet abends auf Ihre Veranstaltungen locken?
Krug: Nein, das sind so die klassischen Vorurteile, die man so hat. Sie sollten sich mal die Buffets angucken, die hier bei den sogenannten Side Events kredenzt werden. Das sind pappige Sandwiches, auf die sich allerdings dann auch alle stürzen, weil alle Hunger haben. Man darf nicht vergessen, dass den ganzen Tag über hier ein unglaubliches Gewusel herrscht, man kommt auch kaum an Essen ran, weil riesige Schlangen überall stehen, und vielfach hat man überhaupt keine Zeit zu essen. Und das ist einfach, das ist eine Mär, dass man hier große Buffets auftischen kann, das geht gar nicht.
Führer: Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace Berlin im Deutschlandradio Kultur, zurzeit in Kopenhagen, über Lobbyarbeit auf dem Klimagipfel. Herr Krug, wie ist das eigentlich, versuchen denn die Lobbyisten dann auch wiederum nicht nur die Delegierten, sondern vielleicht sich auch untereinander zu beeinflussen, haben Sie schon mal mit Leuten von sagen wir mal von British Petrol, also von BP geredet?
Krug: Nein, das ist auf so einer Ebene im Moment auch überhaupt nicht nötig. Große Konzerne wie die Ölkonzerne zum Beispiel oder auch Autokonzerne oder Chemiekonzerne versuchen hier natürlich, möglichst eine Entwicklung zu beeinflussen, dass für sie nicht unbedingt harte Einschnitte rauskommen – ich sag es jetzt mal vorsichtig.
Also sie versuchen, die Verhandlungen auch in ihrem Sinne zu beeinflussen, für ihre Unternehmen sozusagen positive Umstände rauszuholen. Man begegnet sich ab und zu, klar, es gibt viele Werbeveranstaltungen hier, die zeigen, wie grün angeblich viele Industrien sind. Es gibt allerdings auch ernst zu nehmende Industriezweige, die wirklich wollen, dass es hier zu einem ernsthaften Abkommen kommt. Man begegnet sich, aber es ist nicht nötig, sich auf dieser Ebene gewissermaßen politisch zu bearbeiten.
Jetzt geht es darum, die Texte zu beeinflussen, es geht darum, die Entscheidungsträger über die zum Teil kriminellen Machenschaften zu informieren, die vonstatten gehen da draußen in der Welt, die sie ja oft gar nicht mitbekommen. Und letztendlich leben wir mit dem, was hier beschlossen wird, für das nächste Jahr und die nächsten Jahre. Es ist ja nicht irgendein Gipfel, sondern der wahrscheinlich wichtigste Klimagipfel, den es jemals gegeben hat.
Führer: Morgen wollen ja einige der Umweltgruppen, also der NGOs, der Nichtregierungsorganisationen, das Kongresszentrum stürmen und besetzen, habe ich gehört. Greenpeace will da nicht mitmachen. Fürchten Sie einen Imageschaden für Ihre Organisation?
Krug: Kein Imageschaden, sondern das ist eine Grundsatzfrage für uns. Wir machen keine gewaltsamen Aktionen, wir haben grundsätzliche Gewaltfreiheit als Prinzip. Im Übrigen ist das eine Aktion, in die wir auch nicht eingebunden sind, das ist etwas, denke ich mal, was andere organisiert haben, und die sollten Sie mal an dieser Stelle besser fragen.
Führer: Also Sie sprechen sich da nicht untereinander ab?
Krug: Nein, es gibt nicht die NGO-Gemeinschaft. Es gibt natürlich Netzwerke von NGOs, die miteinander … also wir haben sehr große Konsultationsrunden hier innerhalb der Community von NGOs, die es gibt, aber das sind ja zum Teil auch Gruppen, die gar nicht spezifisch bei Klimathemen arbeiten, sondern es geht ja häufig auch darum, Gipfel generell – ob es ein G-8-Gipfel ist oder ein politischer Gipfel anderer Art – zu nutzen für eine generelle politische Botschaft, die da zum Beispiel lautet, nieder mit dem Kapitalismus oder was auch immer.
Ich bin, wir sind mit solchen Gruppen eigentlich nicht in Kontakt. Wir sagen grundsätzlich, Gewaltfreiheit ist Grundbedingung für solche Aktionen, und wir selber machen auch Aktionen. Das ist ja nicht so, dass wir nur Lobbyarbeit hier machen, aber wir machen unsere eigenen Aktionen und wollen uns auch nicht allzu weit über Aktionen anderer Organisationen äußern.
Führer: Also im Grunde genommen ist für Greenpeace dieser Gipfel doch auch eine wunderbare Plattform, ja, eine PR-Veranstaltung?
Krug: Das finde ich persönlich nicht. Ich finde es einen grundsätzlichen Unterschied, was den Begriff des Lobbyisten auch angeht, ob jemand für ein Unternehmen unterwegs ist und versucht, sozusagen für sein Unternehmen möglichst günstige Rahmenbedingungen herauszubekommen, damit zum Beispiel weiterhin hohe Profite möglich sind in Geschäften, die vielleicht trotzdem klimaschädlich sind.
Eine Umweltorganisation wie Greenpeace, aber auch die Menschenrechtsorganisationen, die hier sind, die Entwicklungsorganisationen, vertreten so was wie ein öffentliches Gut, vertreten Menschen, die sich in keiner Weise selbst organisieren oder äußern können, weil sie schlicht nicht die Mittel dazu haben. Das geht ja schon bei den Delegationen der Entwicklungsländer hier los. Ich denke, es ist ein grundsätzlicher Unterschied, ob man für Profite wirbt oder ob man fürs Gemeinwohl wirbt.
Führer: Stefan Krug, der Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace, zurzeit schwer beschäftigt in Kopenhagen. Herzlichen Dank fürs Gespräch, Herr Krug!
Krug: Bitte!