"Es ist ein fantastischer Film"

Moderation: Marietta Schwarz |
Der Spielfilm "Lincoln" über den legendären US-Präsidenten Abraham Lincoln (1861-1865) startet in den deutschen Kinos. Der amerikanische Botschafter in Berlin, Philip D. Murphy, hat den Film schon gesehen und ist begeistert. Im Interview spricht er über Parallelen zwischen Barack Obama und seinem Amtsvorgänger.
Marietta Schwarz: Für zwölf Oscars ist er nominiert, und er ist wohl ein weiterer Film, in dem sich Regisseur Steven Spielberg in die Kinogeschichte einschreibt: "Lincoln". Heute läuft er in Deutschland an, und der Diskurs über jenen amerikanischen Präsidenten, der vor 150 Jahren die Sklaverei abschaffte, der ist in vollem Gange. Denn gezeigt wird ein manchmal tapsiger, linkisch wirkender Lincoln, der ein gespaltenes Land regiert, in einem Bürgerkrieg steckt und gegen eine Mehrheit im Kongress das 13. Amendment durchsetzt, also jenen Verfassungszusatz, der die Schwarzen in den Südstaaten befreit.

Der amerikanische Botschafter Philip D. Murphy hat sich "Lincoln" gestern in einem Berliner Kino angeschaut, und ich hatte danach die Gelegenheit, ihn zu fragen, wie es ihm denn eigentlich gefallen hat.

Philip D. Murphy: Es ist ein fantastischer Film. Meine Frau und ich, uns fiel auf, dass ist einer der besten Filme, die wir jemals gesehen haben. Wir hatten 200, 300 Studenten und Lehrer, und ihre Reaktion war auch großartig, von den amerikanischen Kollegen ebenso wie von den vielen deutschen Freunden. Es ist wirklich ein fantastischer Film.

Schwarz: Daniel Day Lewis, der für seine schauspielerische Leistung als Präsident Lincoln hymnisch gelobt wird, der hat in einem Interview sinngemäß gesagt: Es ist toll, dass die Leute uns die Geschichte abnehmen, also unsere Version der Geschichte. Entspricht der Spielberg-Lincoln dem, den Sie im Kopf haben, Mister Murphy?

Murphy: Das ist eine sehr gute Frage. Der Film basiert teilweise auf einem Buch, das heißt "The Team of Rivals", und das ist eine gute Freundin. Und es gab sehr viele Bücher, die über Lincoln geschrieben worden sind. Und ihr Buch ist sehr anerkannt und ist relativ neu, es ist wohl vor fünf Jahren oder so geschrieben worden. Und ich glaube, Historiker akzeptieren ihre Version. Es ist nicht immer hundertprozentig exakt, aber für mich jedenfalls, wenn ich den Film mir anschaue, dann fiel mir auf, dass es doch sehr überzeugend ist, und dass dieser Prozess, das 13. Amendment durchzubekommen, das hat mich schon sehr überzeugt.

Schwarz: Abraham Lincoln, der amerikanische Präsident, der vor 150 Jahren die Sklaverei abschaffte und sich dafür im entscheidenden Moment auch undemokratischer Mittel bediente – ist dieser Film auch ein Lehrstück in Sachen politischer Führung?

Murphy: Also ich bin jetzt nicht informiert genug, ich war damals ja nicht dabei, aber wir brauchen immer einen Präsidenten – und wir haben zurzeit Barack Obama –, der auch bereit ist, das Land zu führen. Und er lehnt sich auch heraus in den Wind, und er muss sich auch mit der Opposition auseinandersetzen. Wir haben sehr laute, lautstarke Debatten im Kongress, wir haben sie damals auch gehabt und haben sie heute immer noch. Und ich glaube, dass auch, wenn es manchmal so ist, dass die öffentliche Meinung uns entgegenschlägt und der Kongress sehr laute, starke Debatten hat, am Ende des Tages werden wir an der richtigen Seite der Geschichte landen, und das war die Lektion, die ich aus diesem Film auch gezogen habe.

Schwarz: Jetzt haben Sie den Bezug zu Barack Obama selbst hergestellt: Angeblich hat ja kein anderer Präsident den Namen Lincoln öfter erwähnt als Barack Obama. Er hat sich den Film ja auch persönlich mit Steven Spielberg im Weißen Haus angesehen – also wo genau sehen Sie Parallelen zwischen Obama und Lincoln?

Murphy: Also es gibt einige Parallelen, die sind ganz klar: Sie kommen beide aus Illinois, Obama hat auch seine Kandidatur dort in Springfield angekündigt, das hat auch Lincoln getan damals, beide stammen aus Familien, wenn man sie als Kinder gesehen hätte, hätte man gesagt, die haben keine Chance, dass jemals einer von denen Präsident werden könnte, und trotzdem haben sie es geschafft. Und ich bin unglaublich stolz darauf, was Obama geschafft hat in seiner ersten Amtszeit. Und jetzt ist er das zweite Mal eingeführt worden – es ist natürlich noch zu früh, um Geschichte zu schreiben, wir haben noch vier Jahre vor uns, und es ist sehr viel, was da vor ihm liegt, und wir müssen bis ans Ende seiner Präsidentschaft warten, um ihn beurteilen zu können und um die Parallelen in der Geschichte dann wirklich feststellen zu können.

Schwarz: Ja, die Vereidigung Barack Obamas zur zweiten Amtszeit, die ist ja noch ganz frisch. Seine Ansprache, die war sehr kämpferisch. Werden wir in den nächsten vier Jahren einen Obama erleben, der mit härteren Bandagen durchgreift?

Murphy: Ich bin nicht sicher, ob kämpferisch oder härter Wörter sind, die man benutzen sollte. Ich finde, das ist eine seiner besten Reden geworden, die sehr inspirierend war, und er hat großartige Parallelen zwischen der Historie unseres Landes und der Realität, mit der wir uns heute auseinandersetzen, festgestellt in der heutigen Welt. Und es war ein sehr interessantes Display, wie er Amerika 2013 zeigt. Ich war so stolz darauf, nicht nur ihn zu sehen, also einen afroamerikanischen Präsidenten, sondern das ganze Spektrum unseres Landes, die Jugend, Latinos, Frauen, sie waren alle repräsentiert, und das war ein wunderbarer Schnappschuss, so wie Amerika heute aussieht.

Er hat eine Vision für unser Land, das ist eine Vision, die ich teile. Und ich glaube ebenfalls, dass er diese Vision erreichen möchte. Und das heißt nicht so sehr kämpfen, als Mittel zu finden, um mit anderen zusammenzuarbeiten, gerade denen im Kongress. Und er wird für seine Ideale kämpfen, aber er ist auch ein sehr pragmatischer Präsident, und Sie werden sehen, dass er auch auf den Boden der Tatsachen kommen wird und versuchen wird, die Gemeinsamkeiten zu finden.

Schwarz: Philip D. Murphy, US-Botschafter in Deutschland, über den neuen Spielberg-Film "Lincoln", der heute in den deutschen Kinos anläuft und aktuelle Bezüge zu Barack Obama. Mister Murphy, thank you, vielen Dank für das Gespräch!

Murphy: Vielen Dank, Marietta!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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