Es ist doch alles Gold, was glänzt

Randbemerkung von Herbert A. Gornik |
Was wenden wir nicht alles auf, um die Luft zu reinigen, schlecht und stickig und verkohlendioxiert wie die ist. – Raumsprays zum Beispiel, Raumsprays mit Banane- oder Meloneduft. Oder: wer gute Luft im haus haben will, baut eine Klimaanlage ein. Fenster zu, Klimaanlage einschalten, Filter einlegen – die Luft wird gereinigt, die Luft wird sauber.
Das sind, wie wir jetzt wissen können, Techniken von gestern. Wer gute Luft will, geht heute in die Kirche. Besonders in eine alte. Mit viel Gold auf den Fenstern.

Fällt nämlich Sonnenlicht durch goldbeschichtete Kirchenfenster, reinigen die Goldpartikel die Umgebungsluft. Das hat eine wissenschaftliche Studie herausgefunden, meldet die „Süddeutsche Zeitung“ am 25.August. Wenn das kein Fingerzeig ist. Die „Finger Gottes“, wie man die Kirchenfenster auch nannte, weisen auf Nanotechnologie hin. Denn durch das Licht wird das Gold in Form von Nanopartikeln aufgemischt. Dabei entsteht ein Magnetfeld und das wiederum zersetzt Schadstoffe in der Luft. Herausgefunden hat das, – auch das noch, die olympischen Gold-Höhenflüge nehmen kein Ende, – ein Chinese, Zhu Huai Yong, Chemiker an der australischen Queensland University of Technology. Kirchenfenster säubern die Luft – wenn sich das rumspricht, wie gut die Luft in alten Kirchen ist, dann platzen die Kirchen bald aus allen Fugen. Schon jetzt sollten die Kirchenleitungen umsteuern. Das Geld für allerlei theologische Leuchtfeuer muss in Gold investiert werden. „Gold auf die Fenster“ lautet die Devise.

Geahnt haben wir es ja schon immer. Nicht das mit dem Gold. Sondern das mit den Kirchen. Worte bereinigen Konflikte, Gespräche klären Probleme, wenn Leute miteinander feiern, ist das erfrischend, wenn der Pfarrer von der Kanzel donnert, ist das oft ein reinigendes Gewitter. Die Luft ist rein, der Weg ist frei. Ja singt nicht auch der Gefangenenchor in Nabucco: „O welche Lust, in freier Luft, den Atem leicht zu heben“? Den Effekt können wir jetzt in der Kirche haben und müssen nicht erst vorher ins Gefängnis. Freie Luft, leichter Atem. Das Gold macht’s.

Schon ganz wenig Gold wirkt Wunder. Das, na ja, wussten wir Männer eigentlich schon immer: Bei Missverständnis, Ärger, Krach macht schon ein kleines Goldstück bessere Laune.

Freilich müsste, bevor wir jetzt vor Bischofssitzen für den Goldkauf aus Kirchensteuermitteln demonstrieren, noch eine weitere wissenschaftliche Untersuchung gemacht werden. Wenn das feine Kirchenfenstergold die Luft reinigt, wird der Effekt dann durch den massenhaften schweren Goldschmuck der massenhaft einströmenden Kirchenbesucher verstärkt oder aufgehoben? Oder gilt gar: Je leerer die Kirchen, desto besser die Luft? Dann müssten wir aus theologischen Gründen zwar reingehen, aus ökologischen aber draußenbleiben. Wenn sich aber"Nano“ als Prinzip mit schädlichen Nebenwirkungen entpuppt, wie bei Asbest? Dann gibt es die nächste Glosse.