Es grünt so grün

Von Nikola Rägener · 09.06.2005
Gras ist nur selten Gegenstand unserer besonderen Aufmerksamkeit. Und schon gar nicht in der Kunst. Ausschnitte aus Graslandschaften sind dennoch das Lieblingsmotiv der Malerin Cornelia Genschow. Naturstudien, Meditation, Austausch, all das steckt in der Entstehungsgeschichte ihrer Grasbilder.
Obwohl allgegenwärtig, ist Gras nur selten Gegenstand unserer besonderen Aufmerksamkeit. Und schon gar nicht in der Kunst. Ausschnitte aus Graslandschaften sind dennoch das Lieblingsmotiv der Malerin Cornelia Genschow. Naturstudien, Meditation, Austausch, ein Geben und Nehmen, all das steckt in der Entstehungsgeschichte ihrer Grasbilder.

Umfrage: "Gras hat ne Bedeutung von schöner Raum, wo man liegen kann, Wiese, Landwirtschaft.
Gras ist grün.
Grün ist eine herrliche Farbe, ich mein das jetzt nicht politisch.
Ich hör' das Gras wachsen.
Sommer, barfuss durchs Gras laufen.
Picknick unter Bäumen, das fällt mir ein zu Gras.
Ne richtige grüne Wiese mit bunten Blumen, das verbinde ich mit grünem Gras ... "

Auf die Idee, gewöhnliches Gras bildlich in Szene zu setzen, kamen bislang nur wenige Künstler, erklärt die Malerin Cornelia Genschow:

" Es ist eigentlich etwas, was nicht viel dargestellt wird. Es ist nie so richtig Thema der Betrachtung, das Gras an sich. Gras war eher n Rohstoff. Rohstoff für Papier. Das älteste, also Papyros, was die Ägypter benutzt haben, ist aus ner Graspflanze. Dann war es Rohstoff zum Hausbau für Dächer, zum Flechten von Matten, Säcken. Künstlerisch habe ich es noch nie so in der Betrachtung wirklich explizit gesehen. Immer so als Beiwerk. Da gibt’s schon alles Mögliche."

In der Kunstgeschichte erinnert das große Rasenstück von Albrecht Dürer an das alltägliche Grün. Gras bleibt sonst eher unbemerkt. Weniger der Ehrgeiz, eher ein Zufall wollte es dann, dass die junge Frau mit den wachen blauen Augen und den schulterlangen blonden Haaren, ihre ungewöhnliche Liebe für das gewöhnliche Motiv entdeckte:

"Das liegt daran, dass ich schon immer ein sehr hingezogenes Verhältnis zur Natur hatte und bei einer Betrachtung innerhalb meines Studiums, einer Naturbetrachtung, darauf aufmerksam wurde wie unterschiedlich leuchtend oder nicht leuchtende Grüntöne man besonders in so ner großen Fläche wie Gras entdecken kann. "

Ihren Stil nennt sie abstrakte Landschaftsmalerei. Zum Beispiel Frostbeständig, einfach Herbst oder Grasgrün heißen ihre Bilder. In der Dynamik und Farbe der Gräser wird jede nur erdenkliche Laune der Natur spürbar. Zum Beispiel in den warmen Farbtönen des Frühlings:

"Das grasgrün ist sehr hell, sehr gelb, sehr optimistisch. Der Himmel ist oft sehr bewegt. Es sind also eher hellere Bilder mit Sprenkeln von rosa oder gelb, was eben die Farben sind, die im Frühjahr als erstes auftauchen in Tulpen, in Krokussen und im ganzen eine sehr optimistische aufblühende Stimmung verbreiten. "

Die vergrößerten Ausschnitte aus Graslandschaften wirken wie Nahaufnahmen einer Kamera. Im Postkartenformat bis zu wandgroßen Gemälden sind sie in der hellen Fabriketage in Roisdorf, einem kleinen Örtchen zwischen Bonn und Köln zu sehen. Die Fähigkeit Natur zu empfinden und sie später für den Betrachter visuell erlebbar zu machen, hat Cornelia Genschow aus ihrer Kindheit mitgenommen:

" Ich bin in Dresden geboren und hab bis zu meinem 14. Lebensjahr etwas außerhalb von Dresden im Grünen gewohnt. Also ich hab auch sehr viele Kindheitserinnerungen an Wiesen, Wälder und einfach viel draußen sein und erleben."

Gräser bedeuten der 29-Jährigen jedoch mehr, als pure Quelle der Inspiration. Sie begreift die Natur als Partner und möchte mit ihrer Kunst gleichermaßen zurückinspirieren. Der Natur Achtung verschaffen. Mit Gemälden, die grünes Gras als wogendes Meer auf- und abschaukelnder Wellen im Sommerwind zeigen, stürmisch gepeitschte bordeuxfarbene Grasspitzen im Herbst oder eisige blaugraue Gräser im Winter, die den Betrachter frösteln lassen. Um den besonderen Ausdruck ihrer Bilder zu erzielen, hat sie ihr Motiv genau erforscht:

" Ich hab alles mögliche mit Gras angestellt. Ich hab' selber gesät draußen und drinnen. Im Bonner Botanischen Garten gibt es ein wunderbares riesiges Feld mit verschiedenen Gräsern. Immer ein qm mit verschiedenen Gräsern. Das kann man beforschen. Ich hab botanische Studien gemacht. Ich hab Grashalme abgezeichnet aus Büchern und auch eine Diplomarbeit im botanischen Bereich geschrieben und malerisch verknüpft natürlich. "

Dass der Betrachter die Atmosphäre in der Natur fast körperlich zu spüren vermag, liegt vielleicht auch daran, dass die Gräser tatsächlich mit frischem Gras gemalt werden - Im Winter mit Frostgräsern oder Gras aus Gartenmärkten - Die Künstlerin liegt dabei neben ihrem Bild und zieht in schwungvollen Gesten sehr flüssige Ölfarbe mit einem frisch geernteten Grasbüschel über die breite Leinwand. Himmel und Erde entstanden kurz zuvor, gemalt mit einem fast besengroßen, edlen Kalligraphiepinsel. Der Sinn und die Philosophie der uralten japanischen Schriftkunst fließen in ihre Arbeit mit hinein:

"Die Parallelen zu meinen Bildern sehe ich in diesem meditativen Charakter. Man macht ja ne Kalligraphie nicht um am Ende die tollste Kalligraphie der Welt zu haben, sondern es geht da mehr um den Weg. Man übt immer und immer wieder das gleiche und kommt in den Arbeitsprozess, in den man sich sehr vertieft, sehr kontemplativ arbeitet."

Wie eine Panoramalandschaft setzt sich jedes Grasgemälde bis zum Ende der Leinwand fort. Die Wirkung einiger Motive übersteigt dann auch das Sichtbare. Man glaubt den Wind, durch leise raschelndes Gras wehen zu hören. Dazwischen eine Andeutung: blauer Himmel und dunkle Erde. Grassoden, also Rasenstücke, heisst dieser Bilderzyklus.
Adressen:


Service
Regelmäßige Ausstellungen und offene Ateliertage im Kunsthaus Köln-Bonn
Brunnenallee 35a
Bornheim-Roisdorf
Kunsthaus Köln Bonn

Cornelia Genschow