"Es gibt immer eine Lösung"
Johannes Noack restauriert moderne Kunst. Zu den Sammlungen im Berliner Museum Hamburger Bahnhof gehören hunderte Werke aus Gummi, Schokolade, Erbsen oder Tierkadavern. Noack sorgt dafür, dass sie nicht schimmlig, brüchig oder blass werden.
Die Tillandsien färben sich wieder grün, Johannes Noack, ein großer, kahlköpfiger Mann mit mächtigen Brauen, schaut erleichert auf die grasartigen Pflanzenblätter:
"Das sind diese Luftatmer, eben nicht Luftwurzler, also die sind ohne jedes Wurzelwerk. Und die sieht ein bisschen aus nach Heu, die versuchen wir wiederzubeleben. Die sind nicht tot, die werden wieder grün."
Ganz langsam wandern seine Augen die Hallendecke des Museums ab. 20.000 dieser Pflanzen bewachsen hier eine hängende Landschaft aus spinnwebartigen Seilen und begehbaren Ballons. Entworfen hat dieses Utopia der argentinische Künstler Tomás Saraceno - und der will, dass es grünt.
Johannes Noack prüft die Luftbenebeler, von denen sich die wurzellosen Tillandsien ihre Feuchtigkeit holen:
"Da war ich auch ganz verblüfft, ich kannte die so vorher nicht, mir fehlt der grüne Daumen, deswegen erfreue ich mich hauptsächlich an Schnittblumen. Als ich die das erste Mal gesehen habe, habe ich gedacht: Welcher Frevler hat die denn abgeschnitten?"
Nein, Noack ist kein Botaniker, er restauriert moderne Kunst. Ungewöhnliche Aufgaben sind für ihn Normalität. Zu den Sammlungen im Hamburger Bahhof gehören hunderte Kunstwerke aus Gummi, Schokolade, Erbsen oder Tierkadavern. Noack sorgt dafür, dass sie nicht schimmlig, brüchig oder blass werden. Manchmal weiß er noch nicht einmal, mit welchem Material er es zu tun hat:
"Ich werde neugierig, wenn es keine Lösung gibt. Das gibt’s nicht, es gibt immer eine Lösung. Und die dann mit zu entwickeln, das ist für mich ein Reiz, also Neuland zu beschreiten. Ich habe hier so viele Sachen zum ersten Mal und seitdem auch nicht wieder machen müssen, machen dürfen."
Er öffnet eine fast unsichtbare Tür in der Wand der Ausstellungshalle und verschwindet im Innenleben des Museums. Drei Stockwerke höher liegt seine Werkstatt.
Gelernt hat er Graveur. Zu DDR-Zeiten arbeitet er am Dresdner Völkerkundemuseum, wo er sich aufgrund seiner Metallkenntnisse um die Prunkwaffensammlung kümmert. 1984 zieht er nach Berlin, studiert Restauration und betreut in der Nationalgalerie die Skulpturensammlung, von der er schwärmt. Doch ihn begeistert auch das Neue. Er will die Werke der zeitgenössischen Künstler restaurieren. Die Maueröffnung gibt ihm die Chance:
"Ich habe damals in Berlin Friedrichstraße am S-Bahnhof gestanden und gegen diese martialische Blechwand da geguckt und dahinter den Bahnbetrieb gehört und fand das so grotesk. Und ich hatte ziemlich bald im Kopf, na da geht es lang, bevor du - wie die anderen Rentner, die dann die Bahnhofseite wechseln und weiterfahren konnten – hier irgendwo Pension beziehst."
Als der Direktor der Nationalgalerie ihm 1994 eine Stelle am neu gegründeten Hamburger Bahnhof anbietet, zögert er nicht. Das Museum für Gegenwartskunst ist damals noch eine Baustelle, erzählt Noack. Er lehnt an einem Arbeitstisch, auf dem sich Fotos und Skizzen seiner Restaurationsarbeiten stapeln.
Einmal rieselt aus Kiefers Werk "Volkszählung", einer tonnenschweren Installation aus Bleiplatten, in die tausende Erbsen eingebacken sind, feines Pulver. Noack findet den Grund: Käfer. Er begast die Schädlinge mit Stickstoff, restauriert die Skulptur.
Noack trifft Gerhard Richter, Anselm Kiefer und viele andere Künstler, die er verehrt, persönlich. Am liebsten wäre er selbst Künstler geworden. Schon als Kind, damals nimmt er sogar Unterricht bei einem in der Oberlausitz bekannten Maler:
"Und das hatte ich schon im Kopf: Wenn, dann sollten es schon bemerkenswerte Sachen werden, und dazu muss man manisch getrieben sein und es nicht lassen können und dann kommt man dahin, wo ich gerne gewesen wäre. Es geht ja um die Höhen, ich möchte mich und andere nicht langweilen. Und wenn ich da nicht hinkomme, dann gucke ich lieber zu und/oder kümmere mich dann um diese Werke."
Vom Typ ist Johannes Noack eher ein Einzelgänger, er braucht Zeit für sich. Dann überquert er mit dem Rad die Alpen - und er zeichnet gern.
Viele Künstler und Sammler wollen Johannes Noack für ihre Werke als Restaurator. Er denkt sich geradezu ins Material rein, arbeitet mit chirurgischer Präzesion. Hinter seinen ruhigen Bewegungen verbirgt sich aber auch jemand, der trotz seiner 55 Jahre noch an sich zweifelt, weil für ihn nichts außer Perfektion zählt:
"Die beste Restaurierung ist die, die nicht zu sehen ist, heißt, man hat am besten gearbeitet, wenn man nichts von der Arbeit sieht. Und das ist so der Grundsatz - was schwierig ist, wenn man handwerklich gestrickt ist, freut man sich am Feierabend über das, was man am Tag hingestellt hat."
Trotz des wahnsinnigen Anspruchs an sich selbst und der Präzision, mit der er arbeitet, Noack ist kein engstirniger Pedant. Er kann Genie und Schönheit in den verschiedensten Dingen genießen: In den Bildern des Renaissance-Malers Fra Angelico ebenso wie im Fettfleck von Joseph Beuys, in der Musik eines Drum and Base-DJs wie im Gesang tibetanischer Mönche. Und auch im Verfall:
"Es geht mir nicht wie einem befreundeten Bergsteiger, zwischenzeitlich ging er sich selbst auf die Nerven, weil er keine Berge mehr angucken konnte, sondern der suchte nur noch Wege, wie komme ich hier hoch. Der konnte das gar nicht mehr landschaftlich wahrnehmen. Also soweit bin ich nicht Opfer meines Berufs. Ja Venedig, das wäre bedauerlich, wenn unsere Kollegen da alles restaurieren, ja."
"Das sind diese Luftatmer, eben nicht Luftwurzler, also die sind ohne jedes Wurzelwerk. Und die sieht ein bisschen aus nach Heu, die versuchen wir wiederzubeleben. Die sind nicht tot, die werden wieder grün."
Ganz langsam wandern seine Augen die Hallendecke des Museums ab. 20.000 dieser Pflanzen bewachsen hier eine hängende Landschaft aus spinnwebartigen Seilen und begehbaren Ballons. Entworfen hat dieses Utopia der argentinische Künstler Tomás Saraceno - und der will, dass es grünt.
Johannes Noack prüft die Luftbenebeler, von denen sich die wurzellosen Tillandsien ihre Feuchtigkeit holen:
"Da war ich auch ganz verblüfft, ich kannte die so vorher nicht, mir fehlt der grüne Daumen, deswegen erfreue ich mich hauptsächlich an Schnittblumen. Als ich die das erste Mal gesehen habe, habe ich gedacht: Welcher Frevler hat die denn abgeschnitten?"
Nein, Noack ist kein Botaniker, er restauriert moderne Kunst. Ungewöhnliche Aufgaben sind für ihn Normalität. Zu den Sammlungen im Hamburger Bahhof gehören hunderte Kunstwerke aus Gummi, Schokolade, Erbsen oder Tierkadavern. Noack sorgt dafür, dass sie nicht schimmlig, brüchig oder blass werden. Manchmal weiß er noch nicht einmal, mit welchem Material er es zu tun hat:
"Ich werde neugierig, wenn es keine Lösung gibt. Das gibt’s nicht, es gibt immer eine Lösung. Und die dann mit zu entwickeln, das ist für mich ein Reiz, also Neuland zu beschreiten. Ich habe hier so viele Sachen zum ersten Mal und seitdem auch nicht wieder machen müssen, machen dürfen."
Er öffnet eine fast unsichtbare Tür in der Wand der Ausstellungshalle und verschwindet im Innenleben des Museums. Drei Stockwerke höher liegt seine Werkstatt.
Gelernt hat er Graveur. Zu DDR-Zeiten arbeitet er am Dresdner Völkerkundemuseum, wo er sich aufgrund seiner Metallkenntnisse um die Prunkwaffensammlung kümmert. 1984 zieht er nach Berlin, studiert Restauration und betreut in der Nationalgalerie die Skulpturensammlung, von der er schwärmt. Doch ihn begeistert auch das Neue. Er will die Werke der zeitgenössischen Künstler restaurieren. Die Maueröffnung gibt ihm die Chance:
"Ich habe damals in Berlin Friedrichstraße am S-Bahnhof gestanden und gegen diese martialische Blechwand da geguckt und dahinter den Bahnbetrieb gehört und fand das so grotesk. Und ich hatte ziemlich bald im Kopf, na da geht es lang, bevor du - wie die anderen Rentner, die dann die Bahnhofseite wechseln und weiterfahren konnten – hier irgendwo Pension beziehst."
Als der Direktor der Nationalgalerie ihm 1994 eine Stelle am neu gegründeten Hamburger Bahnhof anbietet, zögert er nicht. Das Museum für Gegenwartskunst ist damals noch eine Baustelle, erzählt Noack. Er lehnt an einem Arbeitstisch, auf dem sich Fotos und Skizzen seiner Restaurationsarbeiten stapeln.
Einmal rieselt aus Kiefers Werk "Volkszählung", einer tonnenschweren Installation aus Bleiplatten, in die tausende Erbsen eingebacken sind, feines Pulver. Noack findet den Grund: Käfer. Er begast die Schädlinge mit Stickstoff, restauriert die Skulptur.
Noack trifft Gerhard Richter, Anselm Kiefer und viele andere Künstler, die er verehrt, persönlich. Am liebsten wäre er selbst Künstler geworden. Schon als Kind, damals nimmt er sogar Unterricht bei einem in der Oberlausitz bekannten Maler:
"Und das hatte ich schon im Kopf: Wenn, dann sollten es schon bemerkenswerte Sachen werden, und dazu muss man manisch getrieben sein und es nicht lassen können und dann kommt man dahin, wo ich gerne gewesen wäre. Es geht ja um die Höhen, ich möchte mich und andere nicht langweilen. Und wenn ich da nicht hinkomme, dann gucke ich lieber zu und/oder kümmere mich dann um diese Werke."
Vom Typ ist Johannes Noack eher ein Einzelgänger, er braucht Zeit für sich. Dann überquert er mit dem Rad die Alpen - und er zeichnet gern.
Viele Künstler und Sammler wollen Johannes Noack für ihre Werke als Restaurator. Er denkt sich geradezu ins Material rein, arbeitet mit chirurgischer Präzesion. Hinter seinen ruhigen Bewegungen verbirgt sich aber auch jemand, der trotz seiner 55 Jahre noch an sich zweifelt, weil für ihn nichts außer Perfektion zählt:
"Die beste Restaurierung ist die, die nicht zu sehen ist, heißt, man hat am besten gearbeitet, wenn man nichts von der Arbeit sieht. Und das ist so der Grundsatz - was schwierig ist, wenn man handwerklich gestrickt ist, freut man sich am Feierabend über das, was man am Tag hingestellt hat."
Trotz des wahnsinnigen Anspruchs an sich selbst und der Präzision, mit der er arbeitet, Noack ist kein engstirniger Pedant. Er kann Genie und Schönheit in den verschiedensten Dingen genießen: In den Bildern des Renaissance-Malers Fra Angelico ebenso wie im Fettfleck von Joseph Beuys, in der Musik eines Drum and Base-DJs wie im Gesang tibetanischer Mönche. Und auch im Verfall:
"Es geht mir nicht wie einem befreundeten Bergsteiger, zwischenzeitlich ging er sich selbst auf die Nerven, weil er keine Berge mehr angucken konnte, sondern der suchte nur noch Wege, wie komme ich hier hoch. Der konnte das gar nicht mehr landschaftlich wahrnehmen. Also soweit bin ich nicht Opfer meines Berufs. Ja Venedig, das wäre bedauerlich, wenn unsere Kollegen da alles restaurieren, ja."