"Es gibt großen Verbesserungsbedarf"

Klaus Mangold im Gespräch mit Markus Pindur |
Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft und ehemalige Daimler-Manager, Klaus Mangold, hofft auf ein besseres Investitionsklima in Russland. Derzeit treffen sich in Baden-Baden junge Führungskräfte zu den zweiten deutsch-russischen Gesprächen.
Marcus Pindur: Behördenwillkür, undurchsichtige Regelungen, immer neue Hürden, Korruption, das beklagen deutsche Unternehmen zunehmend in Russland. Bislang war Deutschland der wichtigste Handelspartner Russlands in der EU, aber die Wirtschaftskrise scheint auch hier durchzuschlagen. Von heute an treffen sich junge Führungskräfte aus Deutschland und Russland zu den zweiten deutsch-russischen Gesprächen in Baden-Baden. Veranstalter ist unter anderem der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft und dessen Vorsitzenden, Professor Klaus Mangold, begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Mangold.

Klaus Mangold: Herr Pindur, guten Morgen!

Pindur: Hören auch Sie die Klagen über ein ständig sich verschlechterndes Investitionsklima in Russland?

Mangold: Ich glaube, dass das Investitionsklima wirklich teilweise einige Macken hat, und Sie haben die Punkte genannt wie die Bürokratie und die Korruption. Da hat sich leider in den letzten Jahren wenig geändert und deshalb müssen wir alles tun, um immer wieder in Gesprächen dazu beizutragen, die russische Regierung davon zu überzeugen, dass sie das dringend ändern muss. Russland ist ja leider auch in der internationalen Tabelle der attraktiven Investitionsländer zurückgefallen und ich glaube, Russland muss diese Alarmsignale ernst nehmen.

Pindur: Diese Beteuerungen von Präsident Medwedew und auch Ministerpräsident Putin wiederholen sich: mehr Offenheit wollen sie schaffen, mehr investitionsoffene Branchen, mehr Rechtssicherheit soll es auch geben. De facto passiert aber nichts. Wie erklären Sie sich das?

Mangold: Ich glaube, es gibt einen großen Abstand zwischen dem, was die russische Führungsspitze sagt, und zwischen dem, was unten in der Verwaltung ankommt, und diese Lehmschicht muss jetzt endlich durchbrochen werden. Sie gilt sowohl für die Bürokratie, sie gilt auch für die Justiz und die Gerichte, und ich habe den Eindruck, dass gerade der Präsident Medwedew jetzt fest entschlossen ist, dieses Thema endlich einmal konsequent anzupacken. Sie haben Recht: es gibt viele Lippenbekenntnisse. Es hat sich auch partiell an der einen oder anderen Stelle etwas verändert, aber es muss endlich jetzt konsequent umgesetzt werden.

Pindur: Nehmen wir mal ein praktisches Beispiel: Eine deutsche mittelständische Firma, die ein spezielles Produkt herstellt, geht nach Russland, will das dort verkaufen und stellt fest, wenn sie nicht schmiert, dann macht sie auch keine Geschäfte. Was raten Sie dem Unternehmen?

Mangold: Ich rate dem Unternehmen natürlich, weiterhin nicht zu schmieren. Das ist der einzige konsequente Weg und ich kenne viele Unternehmen, die das inzwischen für sich so entschieden haben. Wenn sie einmal sich darauf einlassen, dann haben sie nachhaltig ein Problem, und am besten ist, man baut sich dieses Problem erst gar nicht auf und siehe da: Am Ende des Tages lohnt es sich, weil alle Leute wissen, dass sie von ihnen kein Geld bekommen. Insofern ist Konsequenz eigentlich dann am Ende des Tages die richtige Strategie.

Pindur: Wo erhalten denn deutsche Unternehmen, die in Russland investieren wollen, Rechtsberatung?

Mangold: Ich glaube, es gibt viele Organisationen. Es gibt den Ostausschuss, die deutsch-russische Industrie- und Handelskammer. Es gibt auch viele Gerichte inzwischen, die durchaus immer wieder für ausländische Investoren entscheiden. Man braucht dann dort aber einen langen Atem, und letztlich will ich auch noch mal eines sagen: Wir haben ja fast 6000 deutsche Unternehmen - davon sind 90 Prozent Mittelständler. Die haben bisher alle geschafft, sich mit dem russischen Markt in irgendeiner Form zu arrangieren, und ich glaube, Russland ist immer noch in vielen Bereichen ein leichteres Investitionsland, verglichen zum Beispiel mit anderen Ländern wie China, Indien und so weiter. Insofern ist nicht alles so schlecht, aber es gibt großen Verbesserungsbedarf.

Pindur: Bleiben wir beim russischen Markt. Wie viel Potenzial hat er denn? Demographisch ist das ja eher ein schrumpfendes Land.

Mangold: Ja, aber der Markt ist natürlich nach wie vor riesig. Wir haben etwa rund 140 Millionen Einwohner. Man kann von Russland aus leicht Zentralasien bedienen mit etwa weiteren 80 Millionen Einwohnern. Die Ukraine liegt vor der Tür. Also der Markt ist riesig und ich glaube, die Chancen nach dem Überwinden der derzeitigen Krise werden groß sein und Russland ist für die deutsche Wirtschaft ein Markt mit einem besonderen Potenzial und die deutschen Exporte liegen etwa auf dem gleichen Niveau nach Russland wie nach China. Das zeigt, dass der Markt nach wie vor ein sehr starker ist.

Pindur: Was erwarten Sie als Ostausschuss von der künftigen Bundesregierung?

Mangold: Ich glaube, dass sich nichts Dramatisches ändern wird. Ich glaube, die Bundeskanzlerin hat ja inzwischen einen sehr guten Zugang zur russischen Führung. Ich glaube, auch Herr Westerwelle wird durchaus den Kurs seines Vorgängers fortsetzen. Insofern sehe ich keine Veränderungen. Ich glaube, dass es immer vielleicht mal Nuancen gibt, aber die große Linie wird unverändert positiv bleiben.

Pindur: Wir haben über deutsche Investitionen in Russland gesprochen. Umgekehrt investieren aber auch russische Firmen in Deutschland. Prominentes Beispiel: Magna und die Sberbank, die russische Sberbank bei Opel. Befürchten Sie da nicht einen Transfer von Knowhow nach Russland und dass dann Opel hier irgendwann auf der Strecke bleibt?

Mangold: Ich glaube, das ist ja ein klassisches Prinzip, wo die deutsche Wirtschaft immer sehr positiv und offen war. Wir können nicht auf der einen Seite für uns in Anspruch nehmen, dass wir Exportweltmeister sind, was ja auch Technologie beinhaltet, oder dass wir ein starker Partner sind für Joint Ventures. Wir müssen offen sein und wenn ein anständiger Preis für deutsche Technologie bezahlt wird, dann müssen wir das akzeptieren und sollten das positiv akzeptieren. Ich glaube, dass diese Zusammenarbeit zwischen der Sberbank/Magna, dem russischen Automobilunternehmen Gaz und Opel sicherlich ein wichtiger Punkt ist, vor allem für die Modernisierung der russischen Automobilindustrie. Dort ist das eigentlich unverzichtbar, einmal mit einem solchen Einkauf von Technologie auch in neue Dimensionen zu gelangen, was die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmen anbetrifft.

Pindur: Klaus Mangold, Vorsitzender des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Herr Mangold, vielen Dank für das Gespräch!

Mangold: Herr Pindur, vielen Dank und auf Wiederhören!