Es geschah in Schwante

Von Claudia van Laak |
7. Oktober 1989: Während in Ostberlin die Militärparaden zum 40. Jahrestag abgehalten und Gegendemonstrationen brutal niedergeknüppelt werden, treffen sich in einem Pfarrhaus in Schwante im Kreis Oranienburg 43 Menschen und gründen die Sozialdemokratische Partei der DDR, ohne von der Stasi dabei gestört zu werden.
Von heute aus betrachtet war die Parteigründung ein logischer und hellsichtiger Akt. Doch vor 20 Jahren war vieles dem Zufall geschuldet – der Ort genauso wie die Zusammensetzung der Gründungsversammlung.

"Stolz war man schon, dass es geklappt hat, für mich hatte sich die ganze DDR plötzlich als Papp-Tiger enttarnt, dadurch, dass so was möglich war."

"Die SED hatte ja als Symbol diesen Handschlag und indem sich die SDP gründete, zog sie ja im Grunde eine der beiden Hände zurück und die Hand der SPD war ja auch in der DDR die unbelastete Hand und die sympathische Hand, anders als die Hand, die sozusagen aus der KPD gekommen war."

"Schwante war ja nun greifbar, ist ja das nächste Dorf irgendwo. Wo man das gehört hat in den Nachrichten, das werde ich nie vergessen, es gibt so Sachen, die brennen sich ein ganz hinten auf der Festplatte."

"Dann ist es schon so, dass man das ein bisschen mit Stolz sieht, was passiert ist. Schwante, die Wiege der Sozialdemokratie im Osten."

Anfang Oktober 1989 taucht der Leiter der kirchlichen Bildungsstätte Niederndodeleben bei Magdeburg unter, verrät weder Freunden noch Verwandten seinen Aufenthaltsort. Der evangelische Pfarrer Markus Meckel will eine zu diesem Zeitpunkt illegale und höchst aufrührerische Tat begehen. Er will eine demokratische Partei in der DDR gründen – die SDP.

Eigentlich wollen Markus Meckel und seine Freunde die Gründung der sozialdemokratischen Partei in einer Kneipe besiegeln. Es soll eine Volkspartei werden, deshalb will man sich nicht auf das kirchliche Milieu beschränken. Doch die Gastwirte winken ab, ihnen ist die Angelegenheit zu gefährlich. Was bleibt, ist ein Pfarrhaus in Schwante, Kreis Oranienburg, nordwestlich von Berlin.

In der Nacht vom 6. zum 7.Oktober 1989 trifft sich Markus Meckel mit seinem Freund Martin Gutzeit am Ostberliner S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Bei Nieselregen und herbstlichen 9 Grad steigen die beiden in den Trabbi und machen sich auf den Weg nach Schwante.

In jener Nacht schreibt Markus Meckel seine Grundsatzrede, hält zwischendurch immer wieder inne und horcht auf verdächtige Geräusche. Ein Auto vor dem Pfarrhaus? Verdächtige Gestalten auf dem Friedhof nebenan? Sollte die Stasi doch von der geplanten Parteigründung erfahren haben und sie in letzter Minute verhindern wollen? Und: Wer wird den Mut haben, bei der illegalen Parteigründung dabei zu sein?

Meckel: "Wir haben ein oder zwei Wochen vorher 70 Namen gehabt von Leuten, die gesagt haben, wir wollen mitmachen. Aber wie erreicht man die? Einladungen schreiben und verschicken ging nicht. Per Telefon, alle durchrufen, ging auch nicht, weil klar war, es wird überall abgehört. Das heißt, man konnte nur die erreichen, die man innerhalb dieser fünf Tage traf oder wo man über Vertraute sagen konnte: Dann und dann und da und da."

Während Markus Meckel im Pfarrhaus seine Rede formuliert, klingelt 300 Kilometer weiter südlich in der Kleinstadt Greiz ein Wecker. Der Schlosser und Jazzmusiker Harald Seidel hat über drei Ecken erfahren, dass an diesem Tag in Schwante die sozialdemokratische Partei der DDR gegründet werden soll. Seidel ist kein Intellektueller wie Meckel, er hat einfach die Nase voll von der SED, die ihn nicht die Musik spielen lässt, die ihm gefällt.

Seidel: "Wir waren eigentlich immer oppositionell, das hat aber damals weniger eine politische Bedeutung gehabt, wir hatten lange Haare gehabt, Jimi Hendrix, Rolling Stones, 68, da ist man automatisch mit dem Staat zusammengeknallt. Wir wollten gar nicht Honecker oder Ulbricht weghaben, wir wollten nur mehr Transparenz und das hören, was uns gefällt, wir waren als Band zweimal verboten."

Medianox heißt die Band von Harald Seidel, 1966 gegründet. Anfangs spielen sie Rockmusik, dann Blues, heute sind sie beim Freejazz gelandet.

Seidel: "Damals waren für mich Willy Brandt, Helmut Schmidt, das war für mich die beste Möglichkeit, für Helmut Kohl hatte ich keine großen Sympathien. Die SDP war eine Mischung aus Bürgerbewegung und Partei, also nicht reine Partei, das war wohltuend."

Was Harald Seidel noch nicht weiß, als er am frühen Samstagmorgen zusammen mit seiner Frau, seinem Sohn und einem Bekannten in den Trabbi steigt: In Schwante wird er seinen alten Freund Ibrahim Böhme wieder treffen und mit ihm gemeinsam die SDP gründen.

Seidel: "Wir waren eng befreundet, ganz Medianox, wir sind zusammen rumgefahren, haben Jazz-Lyrik-Programme gemacht, Musikprogramme, Böhme hat ja schon damals als Jugendklubleiter der FDJ eine massive kulturelle Szene ins Leben gerufen, mit jungen Leuten, Lyrikprogrammen, Philosophiezirkeln, Ausstellungen etc., Filmklub, das war 68."
In der thüringischen Kleinstadt Greiz lebt auch der Dichter Reiner Kunze, ebenfalls ein Freund Ibrahim Böhmes. Nachdem der Lyriker 1968 gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR protestiert hat, darf er in der DDR weder öffentlich auftreten noch publizieren. Seit dieser Zeit bespitzelt ihn der inoffizielle Mitarbeiter "Maximilian", Klarname Ibrahim Böhme. Mit seinem Buch "Deckname Lyrik" enttarnt Reiner Kunze 1990 die Leitfigur der ostdeutschen Sozialdemokratie und stoppt Böhmes hoffnungsvolle politische Karriere. "Zwiespältig" nennt der Musiker Harald Seidel seinen früheren Freund.

Seidel: "Die Zwiespältigkeit liegt darin, dass er auch vielen Menschen geholfen hat, die ein Studium gemacht haben, uns, Medianox geholfen hat, uns Probenräume zur Verfügung gestellt hat, also bei ihm ist haarscharf das Gute und das Schlechte vereint, ich habe das Gefühl, das ist eine Romangestalt aus Dostojewski, aus den Brüdern Karamasow."

Auch der Studentenpfarrer Konrad Elmer macht sich am Morgen des 7.Oktober 1989 auf den Weg nach Schwante. Die Stasi weiß schon Bescheid, wartet in einem Lada vor seinem Haus.

Elmer: "Ich hatte die Warnung von Markus nicht ganz ernst genommen, schlaft woanders in der Nacht, und wie wir dann früh losfuhren, merkten wir, dass ein Lada hinter uns dran hing, und den mussten wir natürlich abschütteln."

Der Pfarrer fährt nach Oranienburg, hält an einer Tankstelle, sucht im Telefonbuch nach der Adresse eines Kollegen, fährt zum dortigen Superintendenten. Der Stasi-Lada folgt.

Elmer: "Bei Superintendent Naumann, da sind wir hingefahren, und da habe ich gesagt, Sie müssen mir helfen, wie wir die hier loswerden. Da hatte er eine tolle Idee und sagte, fahren Sie hier an der Havel entlang bis zur Fußgängerbrücke, dann rennen Sie rüber und ich stehe auf der anderen Seite mit meinem Trabbi, und so sind wir denen entkommen, denn ich hatte die Unterlagen mit fürs Statut, für den Ablauf der Versammlung und sollte das ja leiten, und insofern musste ich unbedingt versuchen, hierher zu kommen."

Um 8 Uhr treffen die ersten im Pfarrhaus in Schwante ein, gegen 10 Uhr beginnt die illegale Versammlung. Die Stühle reichen gerade so aus, mehr als 40 Menschen drängen sich in dem kleinen Gemeindesaal mit dem grünen Kachelofen.

Meckel: "Ich würde bis heute von den 40 wahrscheinlich nicht mehr als zehn Namen zusammen bekommen, weil, es gab nur dieses eine Treffen dieser 43 Leute, es gab weder vorher, dass die sich trafen noch dass sie sich danach trafen. Es war völlig zufällig, wann der ein oder andere aus dem Vorbereitungskreis den oder den ereichte oder auch nicht mehr erreichte."

Die Männer – viele von ihnen evangelische Theologen - tragen lange Bärte, weite Strickpullover und schlabberige Cordhosen. Es sind nur wenige Frauen anwesend, sie halten sich eher im Hintergrund. Die 43 sind nicht gekommen, um nach dem Neuen Forum eine weitere basisdemokratische Oppositionsgruppe in der DDR zu gründen. Nein, sie wollen eine richtige neue Partei. Ibrahim Böhme begrüßt, Markus Meckel hält die Grundsatzrede. Die historische Gründungsversammlung ist auf einem Video dokumentiert.

Böhme: "Die obwaltenden Verhältnisse im Lande zwingen uns dazu, den Schritt der Gründung einer Initiativgruppe zur Bildung einer SDP, ich nenne das schon mal so, vorzugreifen, und heute unter Umständen, vom Plenum getragen, bereits auf einer programmatischen Rede und auf einem Statut fußend, die SDP als gegründet zu erklären."

Meckel: "Vorausgesetzt wir einigen uns, gründen wir heute eine sozialdemokratische Partei in der DDR. Wir wollen damit ein Hoffnungszeichen setzen in der Unruhe und Spannung dieser Tage und Wochen. Es soll Zeichen sein eines beginnenden Endes und des notwendigen Anfangs einer wirklich demokratischen deutschen Republik."

Bis zum frühen Nachmittag diskutieren sie, verabschieden ein Statut, unterschreiben die Gründungsurkunde. Sie wählen den 33-jährigen Informatiker Stephan Hilsberg zu ihrem Vorsitzenden, um nicht als reine Pastorenpartei wahrgenommen zu werden. Der Pfarrer und Initiator Markus Meckel wird sein Stellvertreter, der Dramaturg, Deutschlehrer und Stasi-IM Ibrahim Böhme Geschäftsführer. Die erste Partei jenseits von SED und Blockparteien ist gegründet, die Sozialdemokratische Partei der DDR.

Meckel: "Die sozialdemokratische Partei deshalb, weil sie erstens die älteste deutsche Partei war, das zweite war, dass wir uns in den internationalen Kontext der sozialistischen Internationale stellen wollten, (…) und am wichtigsten war, dass wir mit der Gründung eine Hand aus dem Parteiabzeichen der SED herauszogen, diese Zwangsvereinigung rückgängig machten und damit deutlich machten, die vertreten eine Diktatur, und wir setzen uns ein in dieses demokratische Erbe dieser sozialdemokratischen Geschichte."

Am 7.Oktober in Ostberlin: die Volkspolizei knüppelt die Proteste gegen die Jubelfeiern zum 40. Jahrestag der DDR nieder. Wenige Tage zuvor hat die Staatssicherheit die Gründung der Oppositionsgruppe "Demokratischer Aufbruch" verhindert. Doch in die Gründungsversammlung der SDP in Schwante kann oder will der Sicherheitsapparat der DDR nicht eingreifen, obwohl Stasileute vor Ort sind. Von der Gemeindebibliothek gegenüber beobachten sie das Pfarrhaus. Markus Meckel und Konrad Elmer spekulieren.

Elmer: "Fast denke ich, ob einer in der Stasi da anders gespielt hat, so nach dem Motto, wir haben doch da Ibrahim Böhme an der Spitze, wenn der der Chef wird, kann uns ja nix passieren und deshalb lassen wir die gründen."

Meckel: "Sie haben uns lieber arbeiten lassen mit unseren sehr geringen und schwierigen Kommunikationsmitteln. Wenn wir verhaftet worden wären, wäre das sofort in allen Zeitungen gewesen und wäre die beste Werbung in dieser Zeit des Aufbruchs, die es damals war, die beste Werbung für die Partei gewesen, und zwar für diese Organisation der Opposition, die in ihrer Kritik und ihrer Strategie am klarsten und am konsequentesten gegen die SED aufgetreten ist, das wollten sie verhindern."

Elmer: "Es könnte auch sein, dass Ibrahim Böhme gegenüber der Stasi nicht voll mitgespielt hat, so ein bisschen eine schizophrene Persönlichkeit. Als er merkte, er könnte hier Chef werden, hat er vielleicht gedacht, ich verrate ihnen nicht alles."

Schwante am Nachmittag des 7.Oktober 1989: Es regnet nicht mehr, doch der Himmel bleibt trüb. Die 43 Gründer der SDP sind gut gelaunt und auch ein bisschen stolz, als sie aufbrechen und zurück nach Berlin, Potsdam, Greiz und Magdeburg fahren. Gleichzeitig bleibt die Angst vor einer Verhaftung.

Seidel: "Der Gefahr hat man ins Auge gesehen. Wir sind nachts nach Hause gekommen, mitten reingeplatzt in die Tagesthemen, sahen das kleine Fähnchen Schwante, Gründung der sozialdemokratischen Partei, und da haben wir eine Flasche Sekt geöffnet und angestoßen darauf, jeden Moment hätte es klingeln können und die holen einen ab jetzt."

Elmer: "Dann saß ich zu Hause, wartete auf die Verhaftung, der Lada stand weiter draußen, und am nächsten Tag fuhren wir dann zu meiner Schwägerin, da bin ich zu denen hin, und habe ganz kess gesagt: Sie können dem Staat ein paar Steuern sparen, wir fahren nur zu Verwandten, gegründet wird jetzt nicht mehr, die Sache ist abgeschlossen. Dann sind sie tatsächlich verschwunden."

Die SDP-Gründer wissen um die Macht der Medien, informieren die Nachrichtenagentur dpa. Schon läuft die Meldung über den Ticker und überrascht die SPD. Ganz unabhängig und ohne die Genossen in der Bonner Parteizentrale zu informieren, haben die aufmüpfigen DDR-Pfarrer eine deutsche Schwesterpartei gegründet. Die Reaktion der westdeutschen Genossen ist entsprechend vorsichtig.

"Also die West-SPD hat auf die Gründung von Schwante sehr zögerlich reagiert, mit einer sehr zurückhaltenden Presseerklärung. Da war die Rede davon, dass man es begrüßt, wenn sich Menschen im Rahmen des demokratischen Sozialismus versammeln. Nun war aber vom demokratischen Sozialismus da gar nicht mehr die Rede gewesen in Schwante, das S-Wort war ja sehr diskreditiert in der DDR","

erläutert der Journalist Daniel Sturm, der sich in seiner Promotion mit der SPD im deutsch-deutschen Vereinigungsprozess beschäftigt hat. "Uneinig in die Einheit" lautet der Titel seines Buches. Uneinig waren sich die westdeutschen Genossen auch in der Bewertung der SDP.

Sturm: ""Man fürchtete nicht zuletzt um die guten Kontakte, die man zur SED hatte, da haben sich Leute wie Egon Bahr, der Stabilitätspolitiker Egon Bahr, da hervorgetan, sie fürchteten darum, dass der Trampelpfad ihrer Kontakte zur SED da beschädigt würde und er wurde auch dadurch beschädigt."

Viele in der westdeutschen SPD hätten 1989 die Zeichen der Zeit nicht erkannt, resümiert Daniel Sturm. Einige hätten nicht nur die Gründung der SDP unterschätzt, sie hätten diese demokratische und aus dem Geist der DDR-Bürgerbewegung entstandene Partei sogar abgelehnt, sagt der Journalist.

Sturm: "Jemand wie der damalige Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine hatte nun wirklich keinerlei Interesse an dieser SDP-Gründung, auch andere haben die Realität nicht zur Kenntnis nehmen wollen, Walter Momper, Bürgermeister in Berlin, Heide Wiecorek-Zeul, also tendenziell der linke Parteiflügel tat sich doch sehr schwer damit."

Ähnliche Erfahrungen macht Harald Seidel aus Greiz. Im Dezember 1989 wird der Schlosser, Jazzmusiker und Mitgründer der SDP zu einer Veranstaltung der Jusos nach Bonn eingeladen. Dort muss er erfahren: Glücklich ist die Jugendorganisation der SPD nicht über die Parteigründung in der DDR.

Seidel: "Wo die Jusos mich empfangen haben, da sagten sie, Menschenskind, Harald, was macht ihr denn da drüben. Menschenskind, wir hatten doch mit dem Egon Krenz so ein dolles Verhältnis, wir haben FDJ-Hemden ausgetauscht, das war doch ein schönes Miteinander. Das war mein Juso-Erlebnis in Bonn, ich dachte, ich bin unter Verrückten."

Die SDP-Gründer finden es zwar richtig, dass die westdeutschen Sozialdemokraten mit Honecker und dem Politbüro reden, doch sie sind skeptisch gegenüber Verbrüderungsgesten. Auch deshalb wählen sie einen eigenen Namen und nennen sich nicht SPD. Markus Meckel gibt sich selbstbewusst.

Meckel: "Da wollten wir gewissermaßen die Hand heben und sagen, Eure eigentlichen Partner auf der Grundlage gemeinsamer Werte sind wir. Und nicht die. Und insofern war diese Gründung auch ein Stück weit ein kleiner Tritt vor das Schienbein der SPD."

Schwante 20 Jahre danach. Die Gemeinde ist nicht mehr selbstständig und heißt jetzt offiziell Oberkrämer. Einen eigenen Pfarrer hat das 2000-Einwohner-Dorf auch nicht mehr – das einstöckige Pfarrhaus mit dem ausladenden Dach wird jetzt von der evangelischen Kirche als Wohnhaus vermietet. Eine kleine Marmortafel an der Seite weist auf die SDP-Gründung hin:

"Am 7.Oktober 1989 wurde in diesem Haus von 43 Frauen und Männern die Sozialdemokratische Partei wieder gegründet. Am 40. Jahrestag der wenig später untergehenden DDR endete damit die 43 Jahre währende Zwangsunterbrechung sozialdemokratischer Arbeit in Ostdeutschland."

"Du, wo war das, war das hier oder drüben? Der Raum war dieser hier, der Gemeinderaum, nebenan war das Amtszimmer. Hier war ne Tür, kann das sein? Dann war’s hier, und das war offen, mit diesem Raum zusammen."

Markus Meckel und Konrad Elmer sind nach 20 Jahren zurückgekehrt an den Gründungsort der SDP. Pfarrer Thomas Köhler hat ihnen die Tür aufgeschlossen, führt durch die momentan leer stehenden Räume. Obwohl selber in der DDR-Bürgerbewegung aktiv, hat er keine Erinnerung mehr an die Gründung der SDP.

Köhler: "Es war eine von vielen Gründungen, klar, ich wusste darum, um die SDP, aber das war nichts, was mich an dem Abend bewegt hätte. An dem Abend haben mich bewegt die Bilder von dieser Demonstration in Berlin, sehr viel stärker, am 7. und am 9. Oktober eben in Leipzig, wo nicht geknüppelt wurde."

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel und der Potsdamer Studentenpfarrer Konrad Elmer schauen sich in den Räumen um, versuchen, die 20 Jahre alten Bilder und Gefühle heraufzubeschwören. Konrad Elmer zeigt in eine Ecke des früheren Gemeindesaals.

Elmer: "Hier drüben saß Ibrahim, wahrscheinlich mit seiner Kollegin Gabler, Karola, die das Protokoll geschrieben hat, die war bei der Stasi, die haben auch immer getuschelt, das sieht man auf dem Video, und ihr saßt hier so, und dann haben wir da losgelegt mit dem Statut."

Am Nachmittag des 7. Oktober machen die SDP-Gründer noch ein Gruppenfoto. Vor dem Haus? Hinter dem Haus? Die Erinnerungen trügen.

"Wir sind alle durch diese Tür rein, und da ist ja das Foto gemacht worden zum Garten raus. Ne, das ist vorne gemacht worden, das ist nach vorne raus. Nein. Ich wette, genau auf diesen Stufen hier habe ich gestanden, ich muss es doch wissen, wir wollten doch nicht der Polizei in die Arme laufen."

20 Jahre nach der revolutionären Tat vom 7.Oktober 1989 dümpelt die SPD in Schwante-Oberkrämer vor sich hin. Es gibt nur wenige aktive Mitglieder, die Jungen bleiben weg.

Und die mutigen Gründer von damals? Die meisten sind namenlos geblieben, nur wenigen gelang ein Aufstieg in der SPD. Von den SDP-Gründern sitzt niemand mehr im Bundestag. Harald Seidel – einige Jahre lang Landtagsabgeordneter in Thüringen – organisiert jetzt das kleine SPD-Büro in Greiz, Konrad Elmer arbeitet als Studentenpfarrer in Potsdam. Der erste Parteisprecher der SDP, Stephan Hilsberg, wurde von der sozialdemokratischen Basis in Brandenburg nicht wieder als Bundestagskandidat nominiert. Die SDP-Gründer sind sich selber treu geblieben – politische Querköpfe machen eben nur selten Karriere.