Es geht um unseren Gott

Von Sandra Petersmann · 25.06.2013
Im ostindischen Orissa lagert ein Stoff, den die Welt begehrt: Bauxit, das zur Aluminiumherstellung gebraucht wird. Die Ureinwohner der Region wehren sich gegen die Schändung ihrer heiligen Berge. Der verbissene Kampf der Dongria Kondh ist längst zum politischen Fall geworden.
Der Weg zu Laddo führt über versteckte, schmale Trampelpfade tief in den dichten Dschungel. Laddo ist der Anführer eines kleines Dorfes, in dem rund 170 Menschen leben. Ihre Hütten sind aus Lehm, Stroh, Holz und Wellblech.

"Nyamgiri ist unser Gott. Nyamgiri gibt uns alles, was wir zum Leben brauchen. Deshalb beschützen wir unseren Gott."

Die Nyamgiri-Berge im Osten Indiens sind die Heimat der Dongria Kondh. So heißt das indische Urvolk, zu dem auch Laddo gehört ‒ insgesamt rund 8.000 Menschen. Sie leben nicht gänzlich unberührt von der Moderne, aber weitestgehend entrückt von der Entwicklung des modernen Indien. Kein Kind aus Laddos Dorf ist geimpft, keins geht zur Schule.

"Warum sollten wir woanders leben? Ohne Nyamgiri sind wir verloren."

Doch der Gott der Dongria Kondh wird auch von anderen begehrt. Denn die Nyamgiri-Berge im ostindischen Bundesstaat Orissa sind voll von Bauxit. Bauxit ist der Rohstoff, aus dem Aluminium entsteht. Und Vedanta will es abbauen. Vedanta ist ein milliardenschwerer Rohstoffriesen, der an der Londoner Börse notiert ist. Anil Agarwal ist der Gründer und Vorstandsvorsitzende des Unternehmens. Für ihn steht völlig außer Frage, dass der Abbau von Rohstoffen gleichbedeutend ist mit Entwicklung, Wachstum, Arbeitsplätzen und Wohlstand:

"Indien verfügt über eine der größten Bauxit-Reserven der Welt. Sollen wir für immer arm bleiben? Zur Zeit müssen wir das Bauxit von außerhalb heranschaffen, um in unserer Fabrik Aluminium zu produzieren. Das ist doch irrsinnig. Wir haben kein Gesetz gebrochen, sondern wir haben uns entschieden, einen der ärmsten Distrikte Indiens zu entwickeln, weil es dort Bauxit gibt. Lanjighar hat sich durch uns positiv verändert. Wie lange will Indien seine Entwicklung noch bremsen? Wir brauchen doch selber jeden Tag Aluminium, um uns zu entwickeln."

Vedanta hat in den vergangenen Jahren Milliarden investiert und im kleinen Städtchen Lanjighar eine gigantische Aluminium-Raffinerie aus dem Boden gestampft. Lanjighar liegt direkt zu Füßen der Nyamgiri-Berge.

Als Vedanta 2003 in Lanjighar ankam, lief zunächst alles nach Plan. Doch je näher das Unternehmen an die heiligen Nyamgiri-Berge heranrückte, desto größer wurde der Widerstand. Vor allem die Dongria Kondh stellten sich Vedanta in den Weg. Umweltschützer und Menschenrechtler reichten Klagen ein. 2010 schließlich stoppte die Zentralregierung in Neu Delhi den geplanten Bauxit-Abbau, und etwas später auch die Erweiterung der Raffinerie. Dann lag der Fall lange beim Obersten Gerichtshof.

Doch in diesem April hat das höchste indische Gericht dann in einem vielbeachteten Urteil entschieden, dass die Betroffenen in der Region selber entscheiden sollen, was Vorrang hat: das Recht der Ureinwohner an ihrem Dschungel und am Schutz ihres Gottes oder der Abbau von Rohstoffen und die weitere Industrialisierung. Das heißt im Klartext: Der Oberste Gerichtshof überlässt einer großen Versammlung der lokalen Dorf- und Stammesräte die Entscheidung. Für Vedanta ist das ein Schlag ins Gesicht – auch wenn die Entscheidung der lokalen Selbstverwaltung noch aussteht.