"Es geht darum, die Familie zusammenzuhalten"
Rund 15 Prozent aller Kinder wächst mit einem chronisch kranken Elternteil auf. Viele junge Menschen davon übernehmen zugleich die Betreuung, wie die Pflegewissenschaftlerin Sabine Metzing-Blau berichtete.
Britta Bürger: SupaKids, die erste Anlaufstelle für Kinder, die ihre Eltern pflegen. Sabine Metzing-Blau vom Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Witten-Herdecke beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Situation von pflegenden Kindern, sie begleitet auch das Projekt SupaKids. Schönen guten Tag, Frau Metzing-Blau!
Sabine Metzing-Blau: Schönen guten Tag!
Bürger: Es gibt keine genauen Zahlen, doch Schätzungen gehen von über 200.000 Kindern in Deutschland aus, die ihre Eltern pflegen. Wie kommt es, dass sich dennoch bislang nur wenige Kinder bei SupaKids gemeldet haben?
Metzing-Blau: Ein wesentlicher Grund ist sicherlich darin zu finden und zu sehen, dass die Situation betroffener Familien so gestaltet ist, dass man sagen kann, diese Familien leben im Verborgenen. Im Außen weiß kaum jemand, was hinter den verschlossenen Türen passiert, einfach aus dem ganz einfachen Grund, dass die Familien Angst haben, dass wenn irgendetwas aus ihrer persönlichen Situation nach außen getragen wird, dass das den Zusammenhalt der Familie gefährdet.
Bürger: Beschreiben Sie uns genauer die Situation der Kinder! Welche Aufgaben übernehmen minderjährige Kinder in Familien, in denen ein Elternteil erkrankt ist?
Metzing-Blau: Das ist ganz unterschiedlich. Man kann schon sagen, dass diese Kinder genau dasselbe tun, was erwachsene pflegende Angehörige auch tun, das heißt, sie kümmern sich um die Haushaltsführung, und sie übernehmen all das, was notwendig wird, was durch die Erkrankung einfach wegfällt, was die Eltern nicht mehr selber übernehmen können. Ganz konkret – natürlich krankheitsabhängig und abhängig vom Hilfe- und Pflegebedarf der Eltern – kann das bedeuten, dass Kinder einfach nur umsichtig sind, bei gehbehinderten Eltern dafür sorgen, dass die Wohnung von Stolperfallen freigehalten wird. Aber wenn die Eltern zum Beispiel Hilfe bei der Körperpflege brauchen oder beim An- und Ausziehen, beim Transfer vom Rollstuhl in die Badewanne oder auf den Sessel, dann sind das auch Tätigkeiten, die die Kinder übernehmen, wenn außer ihnen niemand da ist.
Bürger: Ein gewisses Maß an Unterstützung kann man von Kindern sicher auch verlangen, wenn jemand ernsthaft krank ist in der Familie. Wo aber liegt die Grenze, an der das gefährlich wird?
Metzing-Blau: Ja, also ich finde das schön, dass Sie das sagen, denn ich bin eine große Befürworterin, dass Kinder sozialverantwortliches Handeln lernen. Und Sie haben das Stichwort schon gegeben - also es geht um Grenzen und es geht darum, wann Grenzen überschritten werden. Und ich glaube, wir können das daran festmachen, wenn die Aufgaben der Kinder zu täglichen Aufgaben werden und sich im Grunde genommen ihr Leben ausschließlich um die Krankheit dreht und um die Bewältigung der Krankheit innerhalb der Familie, wenn sie zu viel Verantwortung übernehmen müssen.
Bürger: Wie erleben die Kinder selbst die Situation? Sie haben ja eine ganze Reihe von Kindern für Ihre Studie interviewen können.
Metzing-Blau: Was uns während der Interviews sehr beeindruckt hat, war, dass die Kinder ihre Situation und ihr Helfen, ihr Pflegen mit großer Selbstverständlichkeit beschreiben. Das ist für sie normal, und es lässt sich erklären aus ihrem Familienkonzept: Es geht darum, die Familie zusammenzuhalten und den familialen Alltag aufrechtzuerhalten.
Und in dem Zusammenhang ist es für Kinder einfach normal, sie stellen das nicht infrage. Aber wenn diese Kinder wirklich stark eingebunden sind, und wenn sie das Gefühl haben, wirklich hauptverantwortlich zu sein, dann erleben sie die Situation schon als belastend. Und dieses Gefühl von Belastetsein steigt auch mit wachsendem Alter an. Also bei den kleinen Kindern, so die Sechs- bis Acht-, Neunjährigen, haben wir das überhaupt nicht erfahren, da konnten wir eher so Stolz als Selbstwertquelle ausmachen.
Und je älter die Kinder werden und je mehr sie auch die Möglichkeit haben, sich mit Gleichaltrigen zu vergleichen, merken sie, dass sie einfach mehr tun, als vielleicht üblich ist und gewünscht ist. Und sie nehmen aber auch wahr, dass ihre Hilfen notwendig sind für die Aufrechterhaltung des Alltags, und sie tun das trotzdem, aber dann wird es für sie auch zu einer Belastung.
Bürger: Die Kinder stehen vermutlich auch unter einem enormen moralischen Druck - da spielt Schuld eine Rolle, Scham, Angst, das haben Sie schon angedeutet. Entsteht dieser Druck, dieser moralische Druck, eigentlich aus der Familiendynamik selbst heraus oder kommt der von außen, von der Gesellschaft?
Metzing-Blau: Sowohl als auch würde ich sagen. Es gibt natürlich Familien, die das von ihren Kindern erwarten und die Kinder sich in einer Situation sehen, dass sie keine Wahl haben. Aber die meisten Kinder, die wir gesprochen haben, machen das von sich aus freiwillig.
Aber der Druck kommt natürlich von außen, und das sehen wir besonders daran, dass diese Kinder so gut wie nicht über ihre Situation sprechen, und da – was Sie sagten – da spielt Scham und Vorsicht eine ganz große Rolle. Diese Kinder haben Angst vor Ausgrenzung, sie wollen nicht anders sein als andere Kinder. Kinder wünschen sich in der Regel ja Normalität, sie wollen zur Peergroup dazugehören. Und viele von den Kindern, die wir gesprochen haben, haben massive Ausgrenzungserfahrungen gemacht.
Bürger: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit der Pflegewissenschaftlerin Sabine Metzing-Blau. Seit mehreren Jahren untersucht sie die Situation von Kindern und Jugendlichen, die ihre kranken Eltern pflegen. Sie haben die Angst angesprochen, die Situation, offen zu legen, weil Kinder fürchten, den Eltern könnte dann das Sorgerecht entzogen werden, die ganze Familie würde auseinanderbrechen. Wäre das aber nicht für manche Kinder in bestimmten Fällen sogar besser?
Metzing-Blau: Nein. Also das glaube ich nicht, und ich glaube, dass man das wirklich nur für extreme Ausnahmefamilien und -kinder so sagen kann. Was die Kinder brauchen und was wir sehr unterstützen, ist, dass die Familie die Ressourcen bekommt und die Unterstützung bekommt, dass sie als Familie zusammenbleiben können und ihren Alltag mit weitaus weniger Beschwernis und Belastung leben können, und zwar so, wie sie es sich wünschen.
Und ich glaube, die Kinder aus der Familie herauszuholen, ist wirklich die allerletzte Entscheidung, die wir treffen sollten. Und ich glaube, es ist auch nicht notwendig. Wenn sie entsprechend unterstützt werden, ist es nicht notwendig, und dann ist es auch nicht notwendig, dass die Kinder weiter so stark eingebunden sind.
Bürger: Aber anscheinend werden sie ja von den Jugendämtern nicht ausreichend unterstützt, die Jugendämter werden eher als bedrohliche denn als hilfreiche Instanz empfunden.
Metzing-Blau: Ja klar, also das Jugendamt als Institution ist natürlich angstbesetzt, weil es auch die Macht hat, diesen Schritt zu vollziehen, die Familien zu trennen, aber ich würde da gar nicht also so mit dem mahnenden Finger stehen wollen.
Wir stehen vor einer Situation, dass wir über ein Phänomen reden, was in den letzten Jahren in Deutschland einfach nicht im Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft war. Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche pflegen, konnte sich niemand vorstellen, und der Hilfebedarf ist dann auch nicht erkannt worden. Und diese Familien wenden sich eben nicht hilfesuchend an die Jugendämter. Viele Jugendämter wissen überhaupt nicht um die Situation.
Bürger: Wie viel weiß man schon über die tatsächlichen körperlichen und psychischen Folgen, die das für die Kinder hat?
Metzing-Blau: Wir sehen natürlich – also körperliche Auswirkungen sind vor allem zu sehen in Konzentrationsschwächen aufgrund von Schlafmangel, von Sich-Sorgen-Machen. Die Kinder sind aufgrund dieses Schlafmangels unausgeschlafen in der Schule, das heißt, sie können sich nicht konzentrieren, die kommen in der Schule dann nicht mehr mit. Und das kann sich natürlich massiv auf ihren gesamten Bildungsweg auswirken. Wir können jetzt schon bei einigen Kindern soziale Auswirkungen feststellen, dass sie aufgrund ihres Eingebundenseins wenig Zeit haben für Freunde, und wenn sie keine Zeit für Freunde haben und das ein anhaltender Zustand ist, dann leben sie wirklich sozial isoliert.
Bürger: In Großbritannien, da hat man das Problem schon sehr viel länger untersucht. Hat man denn dort auch Modelle entwickelt, an denen wir uns orientieren könnten, um diesen Kindern zu helfen?
Metzing-Blau: Also es gibt auf der Insel mittlerweile über 350 Projekte, sogenannte "Young Carers"-Projekte, die aufgrund der Forschung da auch entstanden sind. Und was wir von den Briten gelernt haben, ist, die "Young Carers"-Gruppe anzubieten, also eine sozialpädagogisch begleitete Freizeiteinrichtung, dass die Kinder wöchentlich zusammenkommen können mit Gleichbetroffenen und einfach Kind sein können, also vergessen, was zu Hause los ist, spielen, sich austauschen, sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen, aber wenn es sein muss, auch einfach nur zu toben.
Bürger: Die Pflegewissenschaftlerin Sabine Metzing-Blau untersucht die Situation von Kindern und Jugendlichen, die ihre Eltern pflegen. In Hamburg begleitet sie das erste Hilfsprojekt für solche Familien, SupaKids. Frau Metzing-Blau, ich danke Ihnen fürs Gespräch!
Metzing-Blau: Gerne!
Sabine Metzing-Blau: Schönen guten Tag!
Bürger: Es gibt keine genauen Zahlen, doch Schätzungen gehen von über 200.000 Kindern in Deutschland aus, die ihre Eltern pflegen. Wie kommt es, dass sich dennoch bislang nur wenige Kinder bei SupaKids gemeldet haben?
Metzing-Blau: Ein wesentlicher Grund ist sicherlich darin zu finden und zu sehen, dass die Situation betroffener Familien so gestaltet ist, dass man sagen kann, diese Familien leben im Verborgenen. Im Außen weiß kaum jemand, was hinter den verschlossenen Türen passiert, einfach aus dem ganz einfachen Grund, dass die Familien Angst haben, dass wenn irgendetwas aus ihrer persönlichen Situation nach außen getragen wird, dass das den Zusammenhalt der Familie gefährdet.
Bürger: Beschreiben Sie uns genauer die Situation der Kinder! Welche Aufgaben übernehmen minderjährige Kinder in Familien, in denen ein Elternteil erkrankt ist?
Metzing-Blau: Das ist ganz unterschiedlich. Man kann schon sagen, dass diese Kinder genau dasselbe tun, was erwachsene pflegende Angehörige auch tun, das heißt, sie kümmern sich um die Haushaltsführung, und sie übernehmen all das, was notwendig wird, was durch die Erkrankung einfach wegfällt, was die Eltern nicht mehr selber übernehmen können. Ganz konkret – natürlich krankheitsabhängig und abhängig vom Hilfe- und Pflegebedarf der Eltern – kann das bedeuten, dass Kinder einfach nur umsichtig sind, bei gehbehinderten Eltern dafür sorgen, dass die Wohnung von Stolperfallen freigehalten wird. Aber wenn die Eltern zum Beispiel Hilfe bei der Körperpflege brauchen oder beim An- und Ausziehen, beim Transfer vom Rollstuhl in die Badewanne oder auf den Sessel, dann sind das auch Tätigkeiten, die die Kinder übernehmen, wenn außer ihnen niemand da ist.
Bürger: Ein gewisses Maß an Unterstützung kann man von Kindern sicher auch verlangen, wenn jemand ernsthaft krank ist in der Familie. Wo aber liegt die Grenze, an der das gefährlich wird?
Metzing-Blau: Ja, also ich finde das schön, dass Sie das sagen, denn ich bin eine große Befürworterin, dass Kinder sozialverantwortliches Handeln lernen. Und Sie haben das Stichwort schon gegeben - also es geht um Grenzen und es geht darum, wann Grenzen überschritten werden. Und ich glaube, wir können das daran festmachen, wenn die Aufgaben der Kinder zu täglichen Aufgaben werden und sich im Grunde genommen ihr Leben ausschließlich um die Krankheit dreht und um die Bewältigung der Krankheit innerhalb der Familie, wenn sie zu viel Verantwortung übernehmen müssen.
Bürger: Wie erleben die Kinder selbst die Situation? Sie haben ja eine ganze Reihe von Kindern für Ihre Studie interviewen können.
Metzing-Blau: Was uns während der Interviews sehr beeindruckt hat, war, dass die Kinder ihre Situation und ihr Helfen, ihr Pflegen mit großer Selbstverständlichkeit beschreiben. Das ist für sie normal, und es lässt sich erklären aus ihrem Familienkonzept: Es geht darum, die Familie zusammenzuhalten und den familialen Alltag aufrechtzuerhalten.
Und in dem Zusammenhang ist es für Kinder einfach normal, sie stellen das nicht infrage. Aber wenn diese Kinder wirklich stark eingebunden sind, und wenn sie das Gefühl haben, wirklich hauptverantwortlich zu sein, dann erleben sie die Situation schon als belastend. Und dieses Gefühl von Belastetsein steigt auch mit wachsendem Alter an. Also bei den kleinen Kindern, so die Sechs- bis Acht-, Neunjährigen, haben wir das überhaupt nicht erfahren, da konnten wir eher so Stolz als Selbstwertquelle ausmachen.
Und je älter die Kinder werden und je mehr sie auch die Möglichkeit haben, sich mit Gleichaltrigen zu vergleichen, merken sie, dass sie einfach mehr tun, als vielleicht üblich ist und gewünscht ist. Und sie nehmen aber auch wahr, dass ihre Hilfen notwendig sind für die Aufrechterhaltung des Alltags, und sie tun das trotzdem, aber dann wird es für sie auch zu einer Belastung.
Bürger: Die Kinder stehen vermutlich auch unter einem enormen moralischen Druck - da spielt Schuld eine Rolle, Scham, Angst, das haben Sie schon angedeutet. Entsteht dieser Druck, dieser moralische Druck, eigentlich aus der Familiendynamik selbst heraus oder kommt der von außen, von der Gesellschaft?
Metzing-Blau: Sowohl als auch würde ich sagen. Es gibt natürlich Familien, die das von ihren Kindern erwarten und die Kinder sich in einer Situation sehen, dass sie keine Wahl haben. Aber die meisten Kinder, die wir gesprochen haben, machen das von sich aus freiwillig.
Aber der Druck kommt natürlich von außen, und das sehen wir besonders daran, dass diese Kinder so gut wie nicht über ihre Situation sprechen, und da – was Sie sagten – da spielt Scham und Vorsicht eine ganz große Rolle. Diese Kinder haben Angst vor Ausgrenzung, sie wollen nicht anders sein als andere Kinder. Kinder wünschen sich in der Regel ja Normalität, sie wollen zur Peergroup dazugehören. Und viele von den Kindern, die wir gesprochen haben, haben massive Ausgrenzungserfahrungen gemacht.
Bürger: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit der Pflegewissenschaftlerin Sabine Metzing-Blau. Seit mehreren Jahren untersucht sie die Situation von Kindern und Jugendlichen, die ihre kranken Eltern pflegen. Sie haben die Angst angesprochen, die Situation, offen zu legen, weil Kinder fürchten, den Eltern könnte dann das Sorgerecht entzogen werden, die ganze Familie würde auseinanderbrechen. Wäre das aber nicht für manche Kinder in bestimmten Fällen sogar besser?
Metzing-Blau: Nein. Also das glaube ich nicht, und ich glaube, dass man das wirklich nur für extreme Ausnahmefamilien und -kinder so sagen kann. Was die Kinder brauchen und was wir sehr unterstützen, ist, dass die Familie die Ressourcen bekommt und die Unterstützung bekommt, dass sie als Familie zusammenbleiben können und ihren Alltag mit weitaus weniger Beschwernis und Belastung leben können, und zwar so, wie sie es sich wünschen.
Und ich glaube, die Kinder aus der Familie herauszuholen, ist wirklich die allerletzte Entscheidung, die wir treffen sollten. Und ich glaube, es ist auch nicht notwendig. Wenn sie entsprechend unterstützt werden, ist es nicht notwendig, und dann ist es auch nicht notwendig, dass die Kinder weiter so stark eingebunden sind.
Bürger: Aber anscheinend werden sie ja von den Jugendämtern nicht ausreichend unterstützt, die Jugendämter werden eher als bedrohliche denn als hilfreiche Instanz empfunden.
Metzing-Blau: Ja klar, also das Jugendamt als Institution ist natürlich angstbesetzt, weil es auch die Macht hat, diesen Schritt zu vollziehen, die Familien zu trennen, aber ich würde da gar nicht also so mit dem mahnenden Finger stehen wollen.
Wir stehen vor einer Situation, dass wir über ein Phänomen reden, was in den letzten Jahren in Deutschland einfach nicht im Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft war. Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche pflegen, konnte sich niemand vorstellen, und der Hilfebedarf ist dann auch nicht erkannt worden. Und diese Familien wenden sich eben nicht hilfesuchend an die Jugendämter. Viele Jugendämter wissen überhaupt nicht um die Situation.
Bürger: Wie viel weiß man schon über die tatsächlichen körperlichen und psychischen Folgen, die das für die Kinder hat?
Metzing-Blau: Wir sehen natürlich – also körperliche Auswirkungen sind vor allem zu sehen in Konzentrationsschwächen aufgrund von Schlafmangel, von Sich-Sorgen-Machen. Die Kinder sind aufgrund dieses Schlafmangels unausgeschlafen in der Schule, das heißt, sie können sich nicht konzentrieren, die kommen in der Schule dann nicht mehr mit. Und das kann sich natürlich massiv auf ihren gesamten Bildungsweg auswirken. Wir können jetzt schon bei einigen Kindern soziale Auswirkungen feststellen, dass sie aufgrund ihres Eingebundenseins wenig Zeit haben für Freunde, und wenn sie keine Zeit für Freunde haben und das ein anhaltender Zustand ist, dann leben sie wirklich sozial isoliert.
Bürger: In Großbritannien, da hat man das Problem schon sehr viel länger untersucht. Hat man denn dort auch Modelle entwickelt, an denen wir uns orientieren könnten, um diesen Kindern zu helfen?
Metzing-Blau: Also es gibt auf der Insel mittlerweile über 350 Projekte, sogenannte "Young Carers"-Projekte, die aufgrund der Forschung da auch entstanden sind. Und was wir von den Briten gelernt haben, ist, die "Young Carers"-Gruppe anzubieten, also eine sozialpädagogisch begleitete Freizeiteinrichtung, dass die Kinder wöchentlich zusammenkommen können mit Gleichbetroffenen und einfach Kind sein können, also vergessen, was zu Hause los ist, spielen, sich austauschen, sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen, aber wenn es sein muss, auch einfach nur zu toben.
Bürger: Die Pflegewissenschaftlerin Sabine Metzing-Blau untersucht die Situation von Kindern und Jugendlichen, die ihre Eltern pflegen. In Hamburg begleitet sie das erste Hilfsprojekt für solche Familien, SupaKids. Frau Metzing-Blau, ich danke Ihnen fürs Gespräch!
Metzing-Blau: Gerne!