Erwünscht, dennoch abgelehnt

Pflegehelfer bekommen kein Asyl

Ein Pfleger schiebt einen Rollstuhl durch einen Krankenhausflur.
Jahrelang gab es mehr Pflegekräfte als Stellen. Doch nun wird das Personal knapp. © picture alliance / dpa/ Peter Steffen
Von Marie Wildermann · 21.08.2017
Die Patienten freuen sich über seinen Charme, die Vorgesetzte ist zufrieden mit seiner Arbeit - trotzdem darf Khadim bald nicht mehr als Pflegekraft weiterarbeiten. Denn sein Asylantrag wurde abgelehnt.
Eine Senioren-WG in Berlin-Mitte, acht demenzkranke Patienten werden hier rund um die Uhr betreut, unter anderem von Khadim, einem jungen Mann aus Afghanistan.
"Das ist bei mir ganz normal, ich denke, die Menschen sind alle gleich, irgendwann werde ich auch alt, dann brauche ich auch jemand, der mir helfen kann."
Nach einem viermonatigen Pflegebasiskurs hat Khadim jetzt einen festen Job beim Diakonie-Pflege Verbund Berlin. Seine Aufgabe: Die Unterstützung der Patienten bei den ganz alltäglichen Dingen, Hilfe beim Aufstehen, beim Essen, bei der Körperpflege.
"Wir haben gar keine Vorbehalte erlebt. Die Patientinnen haben sich sofort mit Khadim gut verstanden, er hat eine ganz angenehme Art, ist ganz zauberhaft und dann geht das auch gar nicht anders, die haben durchweg positiv reagiert."
Sagt Teamleiterin Susann Schmiedel. In dem Kurs, den Khadim absolviert hat, lernte er die Grundlagen der Pflege von alten Menschen kennen und im integrierten Deutschunterricht vorrangig den Wortschatz, den er im Pflegealltag braucht.
"In der Demenz ist es ja so, dass die verbale Kommunikation manchmal auch eine untergeordnete Rolle spielt. Da ist Empathie gefragt und Respekt, das ist auf jeden Fall die Grundlage für unsere Arbeit und das macht Khadim wunderbar."

Seine Fluchtgeschichte möchte er nicht erzählen

In Afghanistan gibt es keine Senioreneinrichtungen, erzählt Khadim, alte Menschen werden dort Zuhause versorgt.
"In dem Basiskurs haben wir gelernt, wie die alten Menschen, die dement sind, wie sie sind. Das haben die Lehrer uns gut erklärt. Bei Demenzkranken ist wichtig, dass man sie versteht. Wenn sie uns schlimme Worte sagen, das nehmen wir nicht persönlich, das ist normal bei Demenz-Menschen."
Khadim ist Anfang dreißig, ernst und zurückhaltend. Seine Fluchtgeschichte möchte er nicht erzählen, er deutet nur an, dass mit seinen Eltern etwas Schlimmes passiert ist und dass er sehr lange unterwegs war.
"Hier in Deutschland habe ich Hilfe von Leute bekommen, dann suchte ich, was kann ich für eine Ausbildung machen und habe auch viel nachgedacht, damit ich die Hilfe, die ich von Deutschland bekommen habe, kann ich zurückgeben."
Und so ist er Pflegehelfer geworden und möchte sich nun zum Krankenpfleger ausbilden lassen. In Afghanistan ist Khadim nur in eine Koranschule gegangen. Für die Ausbildung braucht er aber einen richtigen Schulabschluss. Deshalb geht er vormittags in die Schule und am Nachmittag zur Arbeit in die Senioren-WG.

Zeugnisse liegen aufgrund der Flucht nicht vor

Vor kurzem hat er Post bekommen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Er ist nicht der einzige, vier weitere Flüchtlinge, die vom Diakonie- Pflege Verbund Berlin qualifiziert und eingestellt wurden, erhielten negative Asylbescheide. Der Verbund ist von dieser Politik genervt. Das Unternehmen hat Geflüchtete qualifiziert, sie in Einrichtungen der ambulanten und stationären Pflege eingearbeitet und soll sie jetzt wieder hergeben.
Personalleiter Heiko Kahns: "Im Grunde kann es dazu führen, dass wir Pflegen, die von Krankenhäusern an uns vermittelt werden sollen, auch teilweise ablehnen müssen. Wir haben im Moment 12 offene Stellen, auch in Teilzeit und wenn wir die Heime und die Krankenhäuser ansehen, da ist ein Bedarf!"
Die Pflegehelfer profitieren nicht von der Drei-plus-zwei-Regelung nach der, wer eine dreijährige Ausbildung macht und anschließend noch mindestens zwei Jahre arbeitet, gute Chancen für ein Bleiberecht hat. Pflegehelfer haben nur eine Qualifizierung. Eine Berufsausbildung können sie oft nicht gleich beginnen, weil sie im Herkunftsland entweder gar keinen Schulabschluss erworben haben oder die Zeugnisse aufgrund der Flucht nicht vorliegen.

Politisch nicht gewollt

Und ein Spurwechsel vom Asyl- zum Arbeitsmigrationsbewerber ist nicht möglich, selbst in Branchen, die dringend Fachkräfte brauchen. Politisch ist das nicht gewollt, zu groß ist die Angst vor der Sogwirkung. Absurd ist es dennoch. Auch bei Vivantes, dem kommunalen Krankenhausunternehmen in Berlin werden Geflüchtete zu Pflegehelfern ausgebildet.
Ruth Meyer-Gohde: "Wir rekrutieren ja generell in Deutschland mittlerweile Pflegekräfte aus dem Ausland, weil wir den Bedarf in Deutschland nicht mehr decken können und wir müssen deshalb auch meiner Meinung nach ganz verstärkt Anstrengungen unternehmen, damit die, die hier sind, auch hier eine Perspektive haben, in der Pflege zu arbeiten.
Der Bedarf ist so groß, dass es uns schon trifft, wenn dann Menschen am Kurs motiviert teilnehmen und hier eine Perspektive sehen, von der Abschiebung bedroht sind."
Während Flüchtlinge, die hier ausgebildet wurden und in der Pflege arbeiten, mit der Abschiebung rechnen müssen, wird gleichzeitig im Ausland um Pflegekräfte geworben. Im Rahmen des Triple-Win-Programms zum Beispiel holen die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit seit vier Jahren aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Tunesien und den Philippinen Pflegekräfte nach Deutschland.
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