Erwartete Enttäuschung

Von Carsten Probst · 21.07.2006
Tabu-Bruch in Schwerin: Erstmals nach 1945 zeigt eine öffentliche Einrichtung in Deutschland eine Arno-Breker-Ausstellung. Die am Freitag eröffnete Schau ist seit Wochen heftig umstritten. 70 Skulpturen des wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenenheit kontrovers diskutierten Künstlers sind bis zum 22. Oktober im städtischen Schleswig-Holstein-Haus zu sehen.
Wie zu erwarten war, ist die Arno-Breker-Schau in Schwerin eine Enttäuschung, und das konnte auch gar nicht anders sein. Sie ist eine Enttäuschung für jene, die die Ausstellung schon lange im Vorfeld buchstäblich in Blut und Boden kritisiert, und wohl auch für jene, die sie daraufhin mit um so heftigeren Fanfaren gefordert haben. Denn, wie zu erwarten und wie es eigentlich auch schon längst bekannt war, erweist sich Brekers Werk als längst nicht so dämonisch, wie es die Debatten im Vorfeld hätten erscheinen lassen. So etwa hat es unmittelbar vor der Ausstellungseröffnung auch Ursula Berger, die Direktorin des renommierten Berliner Georg-Kolbe-Museums vorhergesagt, das in den letzten Jahren des öfteren Skulpturen Brekers im Zusammenhang von Zeitgenossen des Bildhauers ausgestellt hat.

"Ich glaube, dass diese moralische Ablehnung eigentlich Breker aufbläst noch, also zu einem Guru macht, und die Figuren sind gar nicht so erschreckend. Also, wenn man die irgendwo anders hinstellen würde, würden die gar nicht groß auffallen. Da wird etwas übertrieben, und es wird Breker auch eine Bedeutung und Wirkung unterstellt, die er gar nicht hat; also damals nicht, und ich glaube, das wird auch die Ausstellung in Schwerin zeigen, auch heute nicht mehr haben kann, heute schon gar nicht mehr. Wenn da auch viele Leute hinpilgern, das darf man nicht unbedingt überbewerten."

Signifikanterweise verweigern zugleich die Staatlichen Museen Berlin vor allem die Nationalgalerie jeglichen Kommentar zum Thema Arno Breker ebenso wie Auskünfte darüber, ob man die Schweriner Ausstellung vielleicht auch als Anstoß verstehen könnte, eigene Ideen für eine gründliche Aufarbeitung von Kunst im Nationalsozialismus zu entwickeln. Das deutet auf die noch immer massiven Abwehrreflexe, die der Name Breker gerade in herausgehobenen Institutionen des Kulturbetriebs auslöst. Mehr als ein Anstoß will die Schweriner Schau in dieser Hinsicht wohl auch nicht sein. Ihrem Initiator Rudolf Conrades geht es nach eigenem Bekunden gar nicht primär um das Werk Brekers.

"Also ich habe mich Zeit meines längeren Lebens überhaupt niemals für Breker interessiert","

bekennt er freimütig, um hinzuzufügen:

""Es geht mir auch eigentlich gar nicht darum, jetzt hier abschließend ein Urteil zu fällen, er ist so oder so. Es geht darum, um dieses eigenartige Tabu, 60 Jahre lang die Kunst des Dritten Reiche und insbesondere die unter dem Etikett Breker laufende, wirklich zu tabuisieren, wegzuschließen und große Angst davor zu haben. Und darum ist ja auch nur dieses Medienecho so groß, weil hier einmal etwas passiert, große Angst zu haben, dass offensichtlich immer noch so eine Infektionskraft von diesen Sachen ausgeht. Das ist mir eigentlich unbegreiflich, und das ist im Grunde genommen irrational."

Sein Ziel, Diskurse anzuregen, hätte Conrades somit bereits erreicht. Die Ausstellung selbst ist so profan wie nur möglich und alles andere als reißerisch. Die engen Kabinette des Schleswig-Holstein-Hauses von Schwerin, in denen Skulpturen ohnehin schwierig zu präsentieren sind, sind überladen mit einer betont auf Addition der Widersprüche setzenden Figurenansammlung: Brekers Frühwerk, der französischen Moderne von Rodin bis Maillol verhaftet, geht über in eine expressive Phase, in der sich Breker mit anderen Größen der deutschen Bildhauerei jener Zeit wie Kolbe oder Fuchs misst. Einige Großfiguren und Reliefentwürfe im heroisch-germanischen Stil aus der Nazizeit vermitteln das Gefühl, Breker habe dann plötzlich eine neue Richtung eingeschlagen, war also ein Verführter, der dann in der Nachkriegszeit unter auffälligen Stilwechseln versuchte, als Bildhauer in der Bundesrepublik wieder Fuß zu fassen, was nie gelang.

Das Desiderat einer weitreichenden Aufarbeitung kann die Schweriner Ausstellung schon deshalb nicht beseitigen, weil auch Conrades wie viele andere Wissenschaftler schon vor ihm keinen Zugang zu persönlichen Aufzeichnungen Brekers durch die Nachlassverwalter erhielt. Diesen geht es nach wie vor und in schwülstigster Weise um die Rehabilitation Brekers. Für eine so viel beschrieene Breker-Renaissance ist diese eigentlich völlig unspektakuläre Schweriner Schau, bei aller Begrenztheit ihrer Mittel, trotzdem gänzlich ungeeignet