Erstes VR-Festival "Places"

"Gutes tun" mit Virtual Reality

Ein Mann mit einer Virtual-Reality-Brille
Ein Mann mit einer Virtual-Reality-Brille auf dem Festival "Places". © Angie Schumann
Von Simon Schomäcker |
Eine Gruppe kreativer Gelsenkirchener hat den Stadtteil Ückendorf in ein Virtual Reality-Eldorado verwandelt. Dort veranstalten sie "Places", Deutschlands erstes frei zugängliches Virtual Reality-Festival.
Aus der Küche des ehemaligen China-Restaurants in Gelsenkirchen-Ückendorf dringt schon lange kein Tellergeklapper mehr. Stattdessen hallt hier gerade der Soundtrack eines Virtual-Reality-Spiels. Denn der weiß gekachelte Raum ist einer der 25 Schauplätze vom VR-Festival "Places".
"Also normalerweise denkt man ja: OK, Virtual Reality – man hat so eine Brille auf, das ist nur im Bereich Gaming was Aktuelles. Das stimmt so nicht…", sagt Festivalleiter Roman Pilgrim.
Virtual Reality ist noch eine relativ neue und vor allem teure Technik. Deshalb war sie bisher eher bei Fachmessen vertreten als bei öffentlichen Veranstaltungen. Das wollten Roman Pilgrim und sein Team ändern. Auf ihrem Festival sollten möglichst viele Anwendungsmöglichkeiten zu sehen sein – und das komplett kostenfrei, in gemütlicher Kiez-Atmosphäre.
Dank zahlreicher Sponsoren wurde es schließlich möglich. "Unser Hauptziel ist, Macher und Nutzer zusammenzubringen. Das heißt, wir haben wirklich von den Unternehmen, die Virtual-Reality-Anwendungen selber programmieren bis hin zu Unternehmen, die es nutzen wollen, bis hin zu den Consumern, die wirklich auch nur irgendwas ausprobieren wollen."
Das Festival "Places"
Besucher beim Festival "Places" in Gelsenkirchen. © Angie Schumann
Autorennen oder Strategiespiele im 360°-Modus sorgen gleich für noch mehr Nervenkitzel. Der virtuelle Besuch in einer Arztpraxis hingegen verstärkt Lerneffekte. Das zeigen Studierende der Kölner Hochschule Fresenius. Ihre VR-Software soll Geflüchteten helfen, in sicherer Umgebung Deutsch zu lernen.
Der Anwender kann das Spiel steuern, indem er die Blickrichtung ändert. Damit bewegt sich ein Mauszeiger über die Menüoberfläche, die bei jedem Szenenwechsel erscheint – etwa beim Wechsel vom Wartezimmer ins Behandlungszimmer.

Geflüchtete lernen virtuell Situationen in Deutschland

"Der besuchende Flüchtling lernt die Praxis mal kennen, in einer realen Umgebung, kann auf verschiedene Situationen reagieren. So wird also diese Hürde des eigenen Besuchs vermindert", erklärt Professor Chris Wickenden. Die Arbeitsgruppe konnte ihr Lernspiel bereits Geflüchteten an einer Realschule vorführen – mit Erfolg, erinnert sich die Studentin Julia Schumann: "Also es hat auf jeden Fall aufgeklärt, vor allem für manche, die noch nie beim Arztbesuch waren. Für uns ist es eben normal, dass wir die Krankenkarte direkt rausnehmen – und für sie waren es eben ganz neue Aspekte im Leben."
"Places" 
"Places" - das erste öffentliche Virtual-Reality-Festival in Gelsenkirchen.© Angie Schumann
Nicht ums Lernen, dafür ums Erinnern geht es beim Krefelder Jungunternehmen Weltenweber. Ein Schwerpunkt der VR-Firma ist die Demenztherapie, erläutert Spieledesigner Lukas Kuhlendahl. Er zeigt eine Probenanwendung: "In dieser Anwendung haben wir eine Straßenkreuzung aus Krefeld nachgebaut, in den 50er- und 60er-Jahren. Und die Patienten können sich mit der VR-Brille in dieser Szenerie umschauen und können sich mit den Ärzten und Therapeuten darüber unterhalten."
Das funktioniert allerdings nur bei Patienten, deren Demenz nicht so weit fortgeschritten ist. Mehrere Testpersonen haben neugierig die VR-Brille übergestreift – und wurden danach sehr gesprächig.
"Es ist ganz schön, wenn die Leute dann tatsächlich anfangen, Sachen zu erkennen und die Biermarken von damals, die es heute nicht mehr gibt, aufzuzählen und zu erzählen, dass sie sich früher auf dieser Kreuzung immer getroffen haben zum Tanzen gehen. Da weiß man, dass man was Gutes getan hat", sagt Kuhlendahl.
Viel Gutes tun wollen auch die Gelsenkirchener für ihren Stadtteil Ückendorf, sagt Roman Pilgrim. Nach und nach sollen hier mehrere Gründerzeit-Wohnhäuser saniert werden. "Es ist halt so, dass es wirklich teilweise runtergekommene Orte sind. Also je nachdem in welcher Location man ist, kriegt man hier schon den einen oder anderen Hinweis, wie es vielleicht auch mal werden kann."

"Places" soll als Marke bekannt werden

Der VR-Experte Markus Rall zeigt die 3D-Innenansicht eines Gründerzeit-Hauses im Viertel. Putz rieselt von den Wänden, Müll liegt auf dem Boden verstreut. "Wir haben gerade ein Gebäude gesehen, das sich noch vor der Sanierung befindet. Wir haben das jetzt über sehr viele Fotos mit einem Computer-Algorithmus zusammengerechnet zu einem 3D-Modell, das man dann virtuell begehen kann. Und in diesem Ist-Zustand kann man dann halt Planungen für die Zukunft vornehmen."
Das bedeutet, alle Beteiligten – von der Architektin bis zum Handwerker – können sich anhand des VR-Modells abstimmen. Außerdem lässt sich der Baufortschritt fotografisch festhalten. Viele Kulturschaffende haben sich bereits im "Kreativ-Quartier" Ückendorf angesiedelt. Durch die sanierten Altbauten werden es bestimmt bald noch mehr. Und Virtual Reality soll dabei stets präsent bleiben, betont Roman Pilgrim: "Unser Bestreben ist es natürlich, die Technologie hier im Viertel zu verankern – und 'Places' über die nächsten Jahre als Marke weiterzuführen."
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