Erste ZDF-Hitparade vor 50 Jahren

Gegen die Musik-Invasion aus England und Amerika

Der Moderator der "Hitparade", Dieter Thomas Heck, im Jahr 1971
Hat die Hitparade von 1969 bis 1984 präsentiert - Dieter Thomas Heck © Barfknecht/dpa
Von Laf Überland · 18.01.2019
Sie war das Gegenteil von Musik, die Eltern Angst machte. Während anderswo Revolte und Experimentierfreude blühten, schuf das ZDF 1969 eine grundbiedere Show für deutsche Schlager. Später durfte auch die Neue Deutsche Welle in Dieter Thomas Hecks "Hitparade".
Die ZDF-Hitparade war eine Show ganz ohne Show: Während in den späten Sechzigern im Fernsehen eigentlich gerade die Experimentierfreudigen an den Start gingen - mit völlig durchgeknallten Popshows oder dem "Beat Club" mit psychedelischer Musik und einer Moderatorin, die nackt in der Badewanne saß – , da kam das ZDF mit dieser nüchternen Abspielsendung für neue Schlager – auf einem der prominentesten Sendeplätzen des ZDF – sonnabends als Anreißer vor dem Abendprogramm. Angeblich war die Hitparade bei Frisören und Schuhverkäufern äußerst beliebt, denn der Regisseur soll persönlich über das trendige Outfit der Interpreten gewacht haben. Am 18. Januar 1969 um 18.50 Uhr wurde die Hitparade zum ersten Mal im ZDF ausgestrahlt.
Dieter Thomas Heck: "Hier ist Berlin! Das Zweite Deutsche Fernsehen präsentiert Ihnen Ausgabe Nummer 1 der Hitparade! Am Mikrofon Ihr Dieter Thomas Heck – guten Abend!"
Ja, da hatten sie es zuerst noch nicht so richtig raus, den modernen Lärm mit dem altmodischen Schlager zu verbinden, weshalb der Moderator schreien mußte, um gegen James Last vom Band anzukommen – was aber durchaus seinem Naturell entsprach: Dieter Thomas Heck war 31, gelernter Sänger, Radiomoderator und ehemaliger Autoverkäufer, und in dieser Kombination war er prädestiniert für diese neue Sendung, mit der das ZDF am Samstagabend um 18.50 Uhr, nach der Sportschau im Ersten, die deutsche Popmusik vor der Invasion aus England und Amerika retten wollte ...

Nie subversiv und frei von Politik

Neun neue Titel, später dann acht und danach sieben, wurden in jeder Sendung vorgestellt, um gegen die fünf Siegertitel aus der letzten anzukämpfen. Die Plattenverkäufe und Musikbox-Einsätze gaben vor, woraus eine Jury im Sender die Neuvorstellungen auswählte, über die die Zuschauer dann per Postkarte abstimmen sollten. (Später ab Folge 101 gab es dann nur noch die reine Verkaufszahlenhitparade.) In der ersten Sendung reichte das vom poppigen Graham Bonney bis zum tranigen Roy Black, und auch Manuela, Heino und Vicky Leandros traten auf und Leute mit Namen wie Kirsti, Bonnie St. Claire oder Gaby Berger – schon mal gehört?
Die Hitparade war das Gegenteil von allem, was den Eltern der Studenten und Schüler der späten Sechziger und frühen Siebziger Angst machte. Sie war deutsch, sie war nicht subversiv und sie war frei von Politik und frei von Drogen. Und eine Institution der Demokratie: Die Interpreten, wie Heck sie immer nannte, kamen aus dem Publikum heraus auf die Bühne: Wir sind wie ihr, sagte das. Und alles war sachlich-funktionell, natürlich auch sehr preisgünstig, und hatte einen grundehrlichen Werkstattcharakter. In den ersten Jahren sah das Publikum sogar den Tontechniker, der für jeden Auftritt das entsprechende Instrumentalband abfuhr: Denn zum ehrlichen Charakter gehörte auch, daß – ganz was Neues! – die Interpreten live zu einem Halb-Playback wirklich sangen.
Ganz toll waren übrigens die eingeblendeten Autogrammadressen, dort fand sich in Zeiten vor sozialen Netzwerken die größte Nähe, die ein Fan zu seinem Idol herstellen konnte.

Traumquoten für den Deutschpop

Bis Anfang der 80-er fuhr die Hitparade Traumquoten ein: Bis zu 21 Millionen saßen einen Samstag im Monat vor dem Fernseher, denn alles, was deutschpopmäßig verkaufen wollte, musste dort antanzen, ob Jürgen Marcus, Cindy & Bert oder Mary Roos, Peter Maffay, Roland Kaiser oder Marianne Rosenberg. Und selbst die Neue Deutsche Welle diente Heck dem Schlagerpublikum an, Nena, Hubert Kah oder die Spider Murphy Gang. Auch wenn es ihn ein ganz klein wenig irritierte, als Trio sich in seiner Sendung über seine Sendung lustig machte.
1984 stieg Dieter Thomas Heck dann auf große Abendshows fürs ältere Publikum um, "Melodien für Millionen" oder die Quizzshow "Ihr Einsatz bitte". Sein erster Hitparaden-Nachfolger Viktor Worms hatte leider das Pech, über keinerlei persönliche Ausstrahlung zu verfügen noch irgendwie international rüberzukommen, und das war ganz schlecht in einer Zeit, in der die Jugendlichen gerade ihr neues und ureigenes Spezialkontinuum entdeckten namens MTV. Nach Worms kam Uwe Hübner, der war nett und wirkte so verbindlich wie ein Volontär, der stolz darauf war, hochwertigen Schlager zu vermarkten.
Und nach 31 Jahren und 368 Folgen wurde die ZDF-Hitparade dann, weil sie wirklich niemand mehr brauchte, im Dezember 2000 eingestellt.
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