Erste Hilfe gegen den Verfall

Von Margarete Limberg · 20.02.2008
Nach einer Erhebung des Deutschen Museumsbundes sind 70 Prozent der Ausstellungsstücke in den 600 befragten Kulturstätten vom Verfall bedroht. Dem wollen die Kulturstiftungen von Bund und Ländern mit einem Sofortprogramm von sieben Millionen Euro entgegenwirken. 27 förderungswürdige Projekte wurden ausgewählt.
KUR, das steht für das Programm zur Konservierung und Restaurierung von gefährdetem öffentlichem Kulturgut. Es geht um Erste Hilfe für gefährdete Objekte aus Museen, Archiven und Bibliotheken - von frühitalienischen Tafelbildern über naturkundliche Präparate in Konservierungsflüssigkeit, von archäologischen Eisenfunden und mittelalterlichen Grabtextilien bis zu zerbröselnden Zeitungen, Tonbändern und Wachsmoulagen, also den naturgetreuen Abbildungen von Krankheiten.

Die Stichworte reichen von Säurefraß bis Wetterstein. Von 121 Bewerbungen hat eine Jury 27 förderungswürdige Projekte ausgewählt. Die spektakulärste Rettungsaktion gilt frühitalienischen Tafelbildern aus dem Lindenau-Museum des kleinen Städtchens Altenburg, das über eine der bedeutendsten Sammlungen auf diesem Gebiet nördlich der Alpen verfügt. 15 von 27 umbrischen Holztafeln sind akut gefährdet, darunter zwei von Pietro Pergugino. Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder:

"Holz ist ein Material, das ständig in Bewegung ist, und wenn es nicht klimatisch ausgewogen bewahrt wird, dann so stark arbeitet, dass die Maloberfläche absplittert - und das ist in diesen Fällen so - und es muss unbedingt Sicherung erfolgen. Sonst können diese wertvollen Gemälde gar nicht in Zukunft ausgestellt werden. Die 15 Gemälde, die jetzt restauriert werden mit Hilfe des KUR-Programms, können seit Jahrzehnten der Öffentlichkeit nicht gezeigt werden."

Das Lindenau-Museum geht ursprünglich auf eine private Stiftung zurück, ist jetzt aber in der Obhut der Kommune Altenburg, die wegen ihrer hohen Arbeitslosigkeit und finanzieller Nöte mit der Bewahrung des ihr anvertrauten Schatzes völlig überfordert ist. Das Museum hat noch nicht einmal einen fest angestellten Restaurator.

Altenburg ist indessen kein Einzelfall. Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, zitiert eine Umfrage des Deutschen Museumsbundes, die den katastrophalen restauratorischen Zustand vieler Sammlungen in Deutschland belegt:

"Und es kam im Schnitt eine Restaurierungsbedürftigkeit von 70 Prozent der Bestände heraus. Das muss man sich überlegen, was das bedeutet. Das heißt, das ganz große Sammlungen, ob das Gemälde oder technische und historisch-technische Gegenstände sind, sehr viel vom Verfall bedroht sind und gar nicht aktiv mehr für Ausstellungen genutzt werden können."

Sieben Millionen Euro stellt nun die Kulturstiftung des Bundes für das gemeinsam mit der finanziell nur sehr bescheiden ausgestatteten Kulturstiftung der Länder betriebene Projekt zur Verfügung. Voraussetzung für das Fließen der Fördergelder ist übrigens eine erhebliche Eigenanstrengung der jeweiligen Institution. Der Anteil des Bundes soll sich auf nicht mehr als 30 bis 40 Prozent der erforderlichen Summe belaufen. Die künstlerische Direktorin der Bundesstiftung, Hortensia Voelckers, ist sich darüber im Klaren, dass die dies nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist, hofft aber auf eine Signalwirkung dieser Rettungsaktion:

"Ich bin mir bewusst, dass sieben Millionen nicht irrsinnig viel Geld ist, weil es einfach 100 Mal so viel braucht. Aber es ist trotzdem ein wichtiger Start, vor allem dass die Kulturverwaltungen in den Städten verstehen, dass sie nicht nur erwarten können von ihren Häusern, dass sie große Publikumsausstellungen machen, sondern dass es darum geht, etwas zu erhalten, was unsere Kultur ist, unsere Erinnerung, dass wir ergänzen müssen, dass wir restaurieren und vermitteln müssen."

Das Bemerkenswerte ist die breite Streuung der geförderten Projekte - es sind große Institutionen darunter, aber auch kleine Museen in allen Teilen der Bundesrepublik. Es geht bei dieser Rettungsaktion nicht zuletzt um die Erforschung innovativer Methoden der Bewahrung und Restauration von Kulturgütern aller Art, um neue Technologien, mit denen man den Zerfall von Kunstwerken wie auch von technischen Exponaten aufzuhalten hofft. Davon, so hofft man, werden Impulse ausgehen weit über die 27 Projekte hinaus, die nun in den Genuss der Förderung kommen. Denn diese Erste-Hilfe-Aktion kann eigentlich nur ein Anfang sein.

Die Kulturstiftungen des Bundes und der Länder haben mit diesem Projekt bewiesen, dass sie auch ohne Fusion zusammenarbeiten und etwas Sinnvolles auf die Beine stellen können. Jahrelang war ja über eine Zusammenlegung der beiden Einrichtungen diskutiert worden, ohne dass sich Bund und Länder auf ein gemeinsames Konzept einigen konnten.