Erste Hilfe für die Umwelt
Klimawandel und Armut seien die größten Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert, meint der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Nicholas Stern. In seinem Buch "Der Global Deal" beschreibt er Strategien gegen die Katastrophe - und nimmt reiche Länder in die Pflicht.
Das neue Buch von Nicholas Stern ist gewissermaßen eine Fortsetzung oder erweiterte Version des berühmten Stern-Reports von 2006, der sich mit den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels befasste. Mit dem Blick des ehemaligen Chefökonomen der Weltbank hat Stern damals vorgerechnet, was "Business as ususal" für Kosten produzieren würde, im Vergleich zu relativ überschaubaren Kosten, wenn jetzt beherzt, nachhaltig, weltweit wirksame Klimapolitik betrieben würde. Seitdem ist das Buch Referenzgröße in der Klima-Debatte und hat manchen in der Sphäre der Wirtschaft überzeugt.
Auf diesen "Stern-Report" aufbauend hat sich Sir Nicholas jetzt mehr mit ethischen und praktischen Fragen bei der Umsetzung einer tunlichst weltweit abgestimmten Klimapolitik befasst, wie sie gerecht sein kann – immer entlang der Frage nach Kosten, Nutzen und Effektivität von Maßnahmen argumentierend.
Klimawandel ist ein ungerechtes Phänomen, denn die reichen Länder sind für den Löwenanteil früherer Emissionen verantwortlich, aber am schnellsten und am heftigsten von den Folgen werden die Entwicklungsländer getroffen. Andererseits werden die jetzigen Entwicklungsländer künftig für den größten Teil der Emissionen verantwortlich sein, wenn nicht gegengesteuert wird. Sterns Credo: Es geht nicht um Wachstum oder Klimaschutz, sondern CO2-armes Wachstum.
"Die beiden entscheidenden Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert, an denen wir uns als Menschen bewähren müssen – die Überwindung der Armut und den Klimawandel zu managen sind unauflösbar miteinander verknüpft. Entweder sind wir erfolgreich bei beidem oder wir versagen bei beidem."
Wir müssen jetzt handeln - und zwar alle. Die Vertagung ist zu teuer und zu risikoreich. Im Wesentlichen sind vier Dinge zu tun: Wir brauchen weltweit einen radikal effizienteren Verbrauch. Die Entwaldung, die zu rund 20 Prozent zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre beiträgt, muss gestoppt werden. Bestehenden oder kurz vor dem Durchbruch stehenden klimaschonenden Technologien muss zur Marktreife verholfen und hohe Investitionen in die Forschung bei neuen Technologien gesteckt werden.
Das würde zusammengenommen zwischen rund ein Prozent und zwei Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts, jährlich cirka eine Billion Dollar bis 2050, kosten. Je später wir handeln, desto teurer wird es und könnte sich leicht auf das fünf- bis 20-fache addieren.
Das allem übergeordneten Ziel: Vermeidung von Temperaturanstieg über gerade noch verkraftbare zwei Grad hinaus. Weniger wäre unrealistisch. Vermeidung ist das Eine. Anpassung an ein verändertes Klima und die Folgen das Andere. In der Landwirtschaft, beim Gebäudebau, beim Deichbau, in der Wasserwirtschaft und so weiter rechnet Stern vor, dass für Vermeidung und Anpassung bis 2050 jährlich rund eine Billion Dollar ausgegeben werden müssen. Gut investiertes, vergleichsweise "kleines" Geld, das nicht zur Wachstumsbremse würde. Nichthandeln, "Business as usual", könnte sich später leicht auf fünf- bis 20-fache Kosten addieren.
"Da reiche Länder nicht nur mehr Ressourcen und bessere Technologien besitzen, sondern auch für den Großteil der bisherigen Emissionen verantwortlich sind, sollten sie einen Großteil der Anpassungsphasen (…) tragen, egal, in welcher Region diese Kosten anfallen."
Dafür seien aber keine Unsummern nötig.
"Wir müssen von ungefähr 200 Milliarden Dollar jährlich bis 2020 ausgehen – für Anpassung an und Reduzierung von weiterer Klimaerwärmung. Wir müssen die Entwicklungsländer überzeugen, dass das Geld genutzt wird, um die Aktionspläne gegen Klimawandel, die viele Schwellenländer entwickelt haben, zu unterstützen."
Ohne gerechte, faire Einbeziehung der Entwicklungsländer werden sich die Emissionen und damit der Temperaturanstieg nicht begrenzen lassen. Für einen entsprechenden "Global Deal" müssten die Weichen in Kopenhagen im Dezember gestellt werden, für Stern die "wichtigste Konferenz seit dem Zweiten Weltkrieg".
"Was das wichtigste ist, ist ein gemeinsames Ziel bis 2050: 50 Prozent Reduzierung von CO2-Emission gegenüber 1990 insgesamt. Und 80 Prozent Reduzierung für die reichen Länder."
Die reichen Länder müssten dabei in Vorleistung gehen, zeigen, dass und wie Wachstum und CO2-armes Wirtschaften möglich ist, sodass 2050 weltweit nicht mehr als zwei Tonnen CO2 pro Kopf in die Atmosphäre geblasen würden. Erst wenn die reichen Länder ihre Selbstverpflichtungen erfüllt hätten, würden schrittweise die in Kopenhagen zu vereinbarenden Reduktionsziele für die Schwellenländer verbindlich. Für reiche Länder kann sich Stern angesichts ihres historischen Anteils an den CO2-Emissionen auch den Pro-Kopf-Ausstoß null vorstellen, oder sogar unter null als Ziel-Marge für 2050 vorstellen, das heißt, dass sie für alle Emissionen bezahlen müssten. Dieses Geld könnte den Entwicklungsländern für ihre Anpassungs- und Vermeidungsstrategien zugute kommen. Die USA liegen zurzeit bei cirka 20 Tonnen pro Kopf, Europa rund 10, China bei fünf, Indien bei zwei, Afrika unter eins.
Nicholas Stern hat ein Sachbach geschrieben, das fast immer gut verständlich ist, das fast ohne Fachchinesisch auskommt. Pflichtlektüre für alle, die an der Thematik Klimawandel interessiert sind und etwas über konkrete, machbare Ansätze wissen wollen, wie sich der nicht mehr aufzuhaltende Wandel auf ein vertretbares Maß begrenzen lässt.
Service:
Nicholas Stern: Der Global Deal: Wie wir dem Klimawandel begegnen und ein neues Zeitalter von Wachstum und Wohlstand schaffen
Beck Verlag, München 2009
287 Seiten, 19,90 Euro
Auf diesen "Stern-Report" aufbauend hat sich Sir Nicholas jetzt mehr mit ethischen und praktischen Fragen bei der Umsetzung einer tunlichst weltweit abgestimmten Klimapolitik befasst, wie sie gerecht sein kann – immer entlang der Frage nach Kosten, Nutzen und Effektivität von Maßnahmen argumentierend.
Klimawandel ist ein ungerechtes Phänomen, denn die reichen Länder sind für den Löwenanteil früherer Emissionen verantwortlich, aber am schnellsten und am heftigsten von den Folgen werden die Entwicklungsländer getroffen. Andererseits werden die jetzigen Entwicklungsländer künftig für den größten Teil der Emissionen verantwortlich sein, wenn nicht gegengesteuert wird. Sterns Credo: Es geht nicht um Wachstum oder Klimaschutz, sondern CO2-armes Wachstum.
"Die beiden entscheidenden Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert, an denen wir uns als Menschen bewähren müssen – die Überwindung der Armut und den Klimawandel zu managen sind unauflösbar miteinander verknüpft. Entweder sind wir erfolgreich bei beidem oder wir versagen bei beidem."
Wir müssen jetzt handeln - und zwar alle. Die Vertagung ist zu teuer und zu risikoreich. Im Wesentlichen sind vier Dinge zu tun: Wir brauchen weltweit einen radikal effizienteren Verbrauch. Die Entwaldung, die zu rund 20 Prozent zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre beiträgt, muss gestoppt werden. Bestehenden oder kurz vor dem Durchbruch stehenden klimaschonenden Technologien muss zur Marktreife verholfen und hohe Investitionen in die Forschung bei neuen Technologien gesteckt werden.
Das würde zusammengenommen zwischen rund ein Prozent und zwei Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts, jährlich cirka eine Billion Dollar bis 2050, kosten. Je später wir handeln, desto teurer wird es und könnte sich leicht auf das fünf- bis 20-fache addieren.
Das allem übergeordneten Ziel: Vermeidung von Temperaturanstieg über gerade noch verkraftbare zwei Grad hinaus. Weniger wäre unrealistisch. Vermeidung ist das Eine. Anpassung an ein verändertes Klima und die Folgen das Andere. In der Landwirtschaft, beim Gebäudebau, beim Deichbau, in der Wasserwirtschaft und so weiter rechnet Stern vor, dass für Vermeidung und Anpassung bis 2050 jährlich rund eine Billion Dollar ausgegeben werden müssen. Gut investiertes, vergleichsweise "kleines" Geld, das nicht zur Wachstumsbremse würde. Nichthandeln, "Business as usual", könnte sich später leicht auf fünf- bis 20-fache Kosten addieren.
"Da reiche Länder nicht nur mehr Ressourcen und bessere Technologien besitzen, sondern auch für den Großteil der bisherigen Emissionen verantwortlich sind, sollten sie einen Großteil der Anpassungsphasen (…) tragen, egal, in welcher Region diese Kosten anfallen."
Dafür seien aber keine Unsummern nötig.
"Wir müssen von ungefähr 200 Milliarden Dollar jährlich bis 2020 ausgehen – für Anpassung an und Reduzierung von weiterer Klimaerwärmung. Wir müssen die Entwicklungsländer überzeugen, dass das Geld genutzt wird, um die Aktionspläne gegen Klimawandel, die viele Schwellenländer entwickelt haben, zu unterstützen."
Ohne gerechte, faire Einbeziehung der Entwicklungsländer werden sich die Emissionen und damit der Temperaturanstieg nicht begrenzen lassen. Für einen entsprechenden "Global Deal" müssten die Weichen in Kopenhagen im Dezember gestellt werden, für Stern die "wichtigste Konferenz seit dem Zweiten Weltkrieg".
"Was das wichtigste ist, ist ein gemeinsames Ziel bis 2050: 50 Prozent Reduzierung von CO2-Emission gegenüber 1990 insgesamt. Und 80 Prozent Reduzierung für die reichen Länder."
Die reichen Länder müssten dabei in Vorleistung gehen, zeigen, dass und wie Wachstum und CO2-armes Wirtschaften möglich ist, sodass 2050 weltweit nicht mehr als zwei Tonnen CO2 pro Kopf in die Atmosphäre geblasen würden. Erst wenn die reichen Länder ihre Selbstverpflichtungen erfüllt hätten, würden schrittweise die in Kopenhagen zu vereinbarenden Reduktionsziele für die Schwellenländer verbindlich. Für reiche Länder kann sich Stern angesichts ihres historischen Anteils an den CO2-Emissionen auch den Pro-Kopf-Ausstoß null vorstellen, oder sogar unter null als Ziel-Marge für 2050 vorstellen, das heißt, dass sie für alle Emissionen bezahlen müssten. Dieses Geld könnte den Entwicklungsländern für ihre Anpassungs- und Vermeidungsstrategien zugute kommen. Die USA liegen zurzeit bei cirka 20 Tonnen pro Kopf, Europa rund 10, China bei fünf, Indien bei zwei, Afrika unter eins.
Nicholas Stern hat ein Sachbach geschrieben, das fast immer gut verständlich ist, das fast ohne Fachchinesisch auskommt. Pflichtlektüre für alle, die an der Thematik Klimawandel interessiert sind und etwas über konkrete, machbare Ansätze wissen wollen, wie sich der nicht mehr aufzuhaltende Wandel auf ein vertretbares Maß begrenzen lässt.
Service:
Nicholas Stern: Der Global Deal: Wie wir dem Klimawandel begegnen und ein neues Zeitalter von Wachstum und Wohlstand schaffen
Beck Verlag, München 2009
287 Seiten, 19,90 Euro