Erste Beerdigungen in Charleston

Zorn, Trauer und ein desillusionierter Präsident

US-Präsident Barack Obama hält Zorn und Trauer über das Attentat in Charleston nur mit Mühe zurück
US-Präsident Barack Obama hält Zorn und Trauer über das Attentat in Charleston nur mit Mühe zurück © afp/Saul Loeb
Von Marcus Pindur · 26.06.2015
Neun Menschen starben beim Attentat auf eine Kirche im US-amerikanischen Charleston. Das Motiv des weißen, mutmaßlichen Täters: Rassismus. Heute hält Präsident Obama die Trauerrede bei der Beerdigung des getöteten Kirchenvorstehers - für ihn eine Gratwanderung zwischen präsidialer Feinfühligkeit und persönlichem Zorn.
Sie war 70 Jahre alt, als der Täter ihrem Leben ein Ende setzte. In einer vollbesetzten Nachbarkirche der Emanuell AME Church trauerten Familie, Gemeindemitglieder und Freunde um Ethel Lance. Sie sei ein Sonnenschein gewesen, voll positiver Energie, berichten ihre Freunde. Sie hinterlässt vier Kinder. Ihre Tochter Nadine Collier bewegte die gesamte Nation, als sie bei einer ersten gerichtlichen Anhörung dem mutmaßlichen Mörder ihrer Mutter verzieh.
"Ich werde nie wieder mit meiner Mutter reden können, ich werde sie nie wieder in meinen Armen halten können, aber ich vergebe Dir. Möge Gott Deiner Seele gnädig sein."
Es gebe auch Zorn unter den Menschen, sagt der Sheriff des Charleston County, Al Cannon, aber er erlebe weitaus mehr Liebe und Mitgefühl. Cannon will alle neun Beerdigungen besuchen. Der zweite Trauergottesdienst am gestrigen Tag galt der 45-jährigen Pastorin Sharonda Coleman-Singleton. Sie hinterlässt drei Kinder. Auf ihrer Beerdigung sprach unter anderem der Bürgerrechtler Jesse Jackson.
Heute Nachmittag deutscher Zeit wird der Gemeindepfarrer der Emanuel AME Church, Clementa Pinkney, beerdigt. Präsident Obama wird die Trauerrede halten. Er und seine Frau Michelle hatten Pinkney, der auch für die Demokraten im Senat von South Carolina saß, persönlich gekannt.
Obama warnt vor Rassen- und Religionshass
Obama hatte sich direkt nach dem Terroranschlag, bei dem neun Schwarze in der historischen Kirche ermordet wurden, zu Wort gemeldet.
"Die Tatsache, dass sich dies in einer schwarzen Kirche abgespielt hat, wirft Fragen auf, die ein dunkles Kapitel in unserer Geschichte berühren. Das ist nicht das erste Mal, dass eine schwarze Kirche angegriffen worden ist. Und wir wissen, dass Rassen- und Religionshass eine besondere Gefahr für unsere Demokratie darstellen."
Die Ereignisse in Charleston haben die Debatte in den USA über Rassismus, seine Symbole und seine Bekämpfung angefacht. Die Gouverneurin von South Carolina hatte das Landesparlament aufgefordert, die alte Flagge der Südstaaten über dem Veteranenmonument in Charleston einzuholen. Auch in Mississippi wird diese Debatte geführt. Dort ist die Kriegsflagge der Konföderierten in die Flagge des Bundesstaates integriert.
Die Familie des mutmaßlichen Täters meldete sich mit einem kurzen schriftlichen Statement zu Wort: Man fühle mit den Opfern und ihren Familien, halte es aber für unangemessen, sich ausführlicher zu Wort zu melden, da die Angehörigen der Ermordeten noch trauerten.
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