Erst fördern, dann verbieten

Lübeck macht illegale Ferienhäuser dicht

Lübecker Gänge und Höfe
Lübecker Gänge und Höfe © imago/Ilva Vadone
Von Balthasar Hümbs  · 01.02.2019
Wochenendtrip in bester Lage: Nicht nur in den Metropolen sind illegale Ferienwohnungen ein Problem. Auch Lübeck will Kurzzeit-Mieter aus den Altstadtwohnungen verbannen. Dabei profitierte das Stadtmarketing lange von den Touristen.
Bettenwechsel bei Karl-Heinz Brenner im Hellgrünen Gang; einem der schönsten Gänge der Lübecker Altstadt.
Für drei Tage haben sich Karsten und Susanne Wieg hier einquartiert. 228 Euro, Parkplatz und Reinigung inklusive. Vermieter Karl-Heinz Brenner führt durchs Wohn-Ambiente.
"Hier unter dem alten, historischen Kamin haben wir dann die Einbauküche eingebaut."

Die Decken sind niedrig, die Wände schief

Seit 500 Jahren steht das Haus. 45 Quadratmeter, verteilt auf drei Etagen. Die Decken sind niedrig, die Wände schief. Und der nächste Nachbar ist auch nicht weit. Trotzdem: Ein 08/15- Hotel mit schalldichten Zimmern und Stehhöhe nach DIN-Norm kam für die Wiegs nie in Frage.
"Viel besser als ein anonymes Hotel irgendwo. Ganz verwinkelt, schön. So alte Häuser: Wir mögen sowas."
Das Haus, in dem Eheleute Wieg ihr Wochenende genießen, ist typisch für die so genannten Gänge der Lübecker Altstadt. Kleine verwinkelte Gassen hinter den prächtigen Häuserzeilen. Genau wie die gesamte Altstadt gehören auch die Gänge zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und sie werden immer beliebter - auch als Unterkunft für Urlauber.
"Wir betreten jetzt den Stüwes-Gang."
Vom Hellgrünen-Gang im Norden, in den Süden der Altstadt.
"Hier muss man den Kopf einziehen und zwar richtig. Passen Sie bloß auf! Weil über uns das hier bebaut ist, was zum Vorderhaus gehört."
Daran hat sich Matthias Müller längst gewöhnt. Seit 15 Jahren wohnt er mit seiner Familie hier im Stüwes-Gang. Eine Ruhe-Oase mitten in der Großstadt. Doch das Idyll wird für ihn immer mehr zum Albtraum. Denn in zweien der sechs Häuser geben sich inzwischen Urlauber die Klinke in die Hand.
"Insbesondere ist es so, dass die soziale Struktur im Gang, also die Nachbarschaftsstruktur, hier dadurch empfindlichst gestört wird. Also das Zusammenleben was wir vorher hatten ist damit schon hinfällig."

Verbot schon vor 40 Jahren

Doch genau das wollte Lübeck immer verhindern. Schon vor 40 Jahren wurden Ferienhäuser in den Gängen verboten. Interessiert hat das niemanden. Immer mehr Eigentümer entdeckten die lukrative Feriennutzung für sich.
Joanna Hagen: "Mittlerweile ist es aber schon so, dass die Zahl der Ferienwohnungen eine signifikante Größe erreicht hat."
Sagt Lübecks Bausenatorin Joanna Hagen. 80 Ferienhäuser gibt es - und alle sind illegal. Mitte 2018 hatte die Lübecker Bürgerschaft genug. Per Beschluss zwang sie die Verwaltung zum Handeln. Alle Ferienhäuser in den Gängen sollen weg. Seitdem planen die Senatorin und ihre Leute den Garaus der illegalen Goldgruben.
"Die Stadt hat die feste Absicht, das Dauerwohnen in der Altstadt zu erhalten und zu schützen. Und diese historischen Strukturen auch in der Zukunft zu sichern."
Vermieter Karl-Heinz Brenner ist vom radikalen Verbot überrascht. Probleme mit den Urlaubern hält er für Einzelfälle. Bei ihm im Gang laufe alles tip-top.
Karl-Heinz Brenner: "Ich habe einen guten Kontakt, den ich auch pflege, zu den Nachbarn. Ich werde auch immer wieder eingeladen, wenn hier mal so Gänge- und Hoffeste sind.

Stadtmarketing vermittelte gegen Provision

Seine Forderung: Bestandsschutz für alle Ferienhäuser. Schließlich habe man viel investiert. Und die Stadt hat jahrelang kräftig mitverdient. Die Ferienhausbetreiber zahlten Bettensteuer, und das Stadtmarketing vermittelte die illegalen Häuser an Urlaubswillige – und nahmen 15 Prozent Provision. Auch dort ist man verwundert über das radikale Durchgreifen der Politik. Das Ferienhausverbot in den Gängen passt so gar nicht ins Tourismus-Konzept. Doris Schütz vom "Lübeck und Travemünde Marketing".
"Ein Wohnen in den Gängen und Höfen ist etwas ganz Besonderes. Es ist ein Teil der Marke, ein Alleinstellungsmerkmal. Lübsch wohnen sagen wir, lübsch erleben."
Doch Bausenatorin Joanna Hagen macht Vermietern und Tourismus-Strategen keine Hoffnung. In den letzten Tagen bekamen die Ferienhausvermieter unangenehme Post. Ende August müssen dann die letzten Urlauber ihre Sachen packen. Karsten und Susanne Wieg würden gerne wiederkommen – am liebsten in ein Ganghaus.
"Also es hat schon sehr großen Charme. Und es wäre sehr schade, wenn das eben nicht mehr existieren würde für die Feriengäste."
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