Erst das Öl, dann die Moral

Rezensiert von Johannes Kaiser |
Thomas Seifert und Klaus Werner haben Ölkonzerne, Lobbyisten und Politiker unter die Lupe genommen. Im „Schwarzbuch Öl“ ziehen die österreichischen Journalisten ihr Fazit: Erdölförderung war und ist ein zwielichtiges Geschäft. Angesichts der hohen Profite gehen Firmen buchstäblich über Leichen – während westliche Regierungen oft wegschauen.
Natürlich beginnen die beiden Autoren mit der Geschichte des arabischen Öls, denn dort ruhen die größten Erdölreserven der Welt. Ob Iran, Irak, Saudi-Arabien, Kuwait, der Jemen oder Libyen – keines dieser Länder würde die Industrienationen auch nur eine Sekunde interessieren, gäbe es dort nicht Erdöl.

Unmissverständlich machte Jimmy Carter bereits 1980 klar, dass die USA jeden Versuch, die arabischen Ölreserven dem Einfluss der USA zu entziehen, als Angriff auf die nationalen Interessen Amerikas ansehen würden und notfalls mit militärischer Gewalt verhindern wollten. Die Geschichte der Kriege im Nahen Osten zeigt, dass die US-Doktrin getreulich befolgt wurde.

Die Geschichte des arabischen Erdöls ist bereits von anderen Autoren detailliert vorgestellt worden. Da haben die beiden Autoren aus Österreich nicht wirklich Neues zu bieten.

Ungewöhnlicher sind dagegen die Hintergrundberichte über die anderen Erdöl fördernden Staaten in Afrika, Südamerika und Asien. Um sich zum Beispiel vor dem Zorn der Zukurzgekommenen zu schützen, heuern die Ölfirmen inzwischen allerorten private Wachgesellschaften an, die rabiat gegen jeglichen Protest vorgehen, so einer der beiden Autoren Thomas Seifert:

„Diese Wach- und Schließgesellschaften sind richtige Armeen. Zum Beispiel im Irak gibt es eine Firma, die mit circa 20.000 Leuten das Pipelinenetz bewacht. Wir kommen zurück in eine Zeit des Westfälischen Friedens. Das Gewaltmonopol des Staates wird sozusagen mit Füßen getreten und plötzlich gibt es wieder Privatarmeen wie in den damaligen Zeiten, wo irgendwelche Fürsten zur Durchsetzung ihrer Interessen einfach Armeen hielten. Wenn man so will, der Irak-Krieg ist so ein Schritt in die Richtung, weil hier eine große Regierung im großen Stil private Sicherheitsfirmen engagiert. Wir haben es hier wirklich mit Soldaten im Nadelstreifen zu tun, die teilweise auch aus der Armee kamen und sich hier einen lukrativen neuen Job suchen. Völkerrechtlich ist das alles höchst bedenklich und die Erdölindustrie ist hier führend daran beteiligt, dass diese Dinge in den Mainstream kommen und das gesellschaftsfähig geworden ist.“

Die Schamlosigkeit, mit der die großen Ölkonzerne Söldner gegen die örtliche Bevölkerung losschicken, ist nicht minder erschreckend wie die vorsätzliche Blindheit westlicher Regierungen gegenüber solchen Menschenrechtsverletzungen.

Die Beispiele dafür sind im Schwarzbuch Öl ebenso glaubwürdig wie die der Umweltzerstörung. Die Erdölkonzerne denken nicht im mindesten daran, den Umweltstandards, die sie in den USA oder Europa selbstverständlich einhalten, auch in diesen Ländern zu folgen.

In Ecuador z.B. hat Texaco die hochgiftigen Bohrlochabwässer in Hunderte offener undichter Gruben verfüllt, das Erdgas wird einfach abgefackelt, natürlich um Kosten zu sparen. Beides ist in den USA seit Ewigkeiten verboten. Trinkwasser und Atemluft sind vergiftet. Krankheiten breiten sich unter den Ureinwohner aus. Der Regenwald stirbt.

Eigentlich könnte man erwarten, dass die Bevölkerung der Öl fördernden Staaten von den Ölmilliarden profitiert. Das Gegenteil ist der Fall: in fast allen Ländern herrschen autoritäre Regime, halten sich dank des Ölgeldes Diktatoren an der Macht. Erstaunlicherweise stört das die westlichen Regierungen wenig, solange ihnen Zugang zum Öl gewährt wird. Thomas Seifert:

„Die Frage, ob ein Regierender ein Schurke, ob ein Staat ein Schurkenstaat ist, hängt viel mehr von der Willfährigkeit, Ressourcen zu liefern, ab als tatsächlich von den demokratischen Standards. Die demokratischen Standards in Saudi-Arabien sind in nichts besser als im Irak, aber die Saudis, solange sie die westlichen Industrieinteressen sichern, gelten als die Guten. Und als es Saddam Hussein plötzlich nicht mehr war, wechselte er vom Freund der Industrieinteressen zu ihrem Gegner, und das zieht sich quer durch viele, viele Länder vor allem kolonialen Länder, wo diese neue Definition Schurke oder nicht erstellt wurde.“

‚Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld’ haben Thomas Seifert und Klaus Werner ihr Schwarzbuch Öl untertitelt. An Beweisen fehlt es ihnen nicht. Sie haben eifrig recherchiert, berichten oft sehr anschaulich aus eigener Beobachtung. Auch wenn man viele der aufgeführten Fakten schon detaillierter anderswo gelesen hat, die Zusammenfassung gibt einen guten Überblick über die amoralischen Geschäfte rund ums Öl.

Gewünscht hätte man sich erheblich mehr Informationen zum Zustandekommen des Ölpreises, zur Machtstruktur der Konzerne. Auch der Ausblick auf das Ende des Ölzeitalters ist etwas dürftig und schmalbrüstig. Das gilt ebenfalls für die dürre und allzu stark verkürzte Darstellung der Erneuerbaren Energien. Die hätten die Autoren besser weggelassen. Aber sie wollten nicht ohne Hoffnungsschimmer enden. Dazu gibt es inzwischen allerdings erheblich bessere Bücher. Bleibt als Resümee: Öl kennt keine Moral.

Thomas Seifert/Klaus Werner: Schwarzbuch Öl – Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld

Deuticke Verlag Wien 2005, 319 Seiten, 21,50 Euro