Erschütternde Bilder

Von Jörg Taszman |
Der Schweizer Dokumentarfilm <papaya:link href="http://www.gmfilms.de/gmfilmscoca-die.html" text="&quot;Coca - Die Taube aus Tschetschenien&quot;" title="&quot;Coca - Die Taube aus Tschetschenien&quot; - Filminfo" target="_blank" /> porträtiert die Menschenrechtlerin Sainap Gaschaiewa. Mit ihrer Videokamera setzt sie den geschönten Bildern aus Tschetschenien realistische und in ihrer Grausamkeit erschütternde entgegen.
" Ich bin Sainap Gaschaiewa von Echo des Krieges. Wir arbeiten in Tschetschenien in Russland und im Ausland. Erzähl mir bitte von euch. "

Sainap Gaschaiewa dokumentiert zusammen mit anderen Frauen den Völkermord in Tschetschenien auf Video dokumentiert. Sie verstecken die VHS-Kassetten in Erdlöchern oder leeren Wohnungen, und versuchen sie ins Ausland zu schmuggeln. Der Schweizer Regisseur Eric Bergkraut hat Sainap Gaschaiewa und andere mutige Frauen jahrelang mit der Kamera begleitet.

Er hat einen politischen Film gedreht, bei dem man schon nach wenigen Minuten nicht mehr hinsehen mag, wenn man sieht, wie ein sterbender 19-jähriger Junge ins Bild gerückt wird. Seit dem Beginn des Krieges in Tschetschenien 1994 haben es die Russen geschickt verstanden, Bilder zu verhindern, die ihre grausamen und unmenschlichen Taten belegen.

Der wohl bekanntesten, russischen Aktivistin gegen diesen Krieg der Journalistin Anna Politovkaja wurden "Home-Videos" russischer Soldaten zugespielt, die beweisen, mit welcher Brutalität russische Soldaten vorgehen, wenn sie beispielsweise einen nackten Mann schlagen, der aus einem LKW ein halbes Dutzend Leichen zu bergen hat. Kein einziger russischer TV-Sender war bereit, diese Bilder zu senden. Die Russen wollen die eigene Willkür und Brutalität nicht wahrhaben. Anna Politovkaja fasst diese Haltung zusammen:

" Zwischen Putin und dem 2. Krieg muss man ein Gleichheitszeichen setzen. Er wurde auf der Welle einer starken, militärischen Propaganda gewählt und auf dieser Welle regiert er seither weiter. Millionen Seelen wurden gebrochen und militarisiert. Eine brutale Welle der Xenophobie hat das Land erfasst, den Menschen wurde Fremdenfeindlichkeit eingeimpft."

Der Filmemacher hat bewusst Frauen in den Vordergrund gestellt, die gegen die Verwüstung von Körpern und Seelen kämpfen, wie Eric Bergkraut das nennt. Er hat am Rande einer UN-Anhörung über Tschetschenien auch den russischen Justizminister gefragt, wie der einem Kind in drei Sätzen den Tschetschenienkonflikt erklären würde. Der Technokrat hat eine ganz einfache Antwort und nur zwei Wörter parat: Internationaler Terrorismus.

Eric Bergkraut hat mit seinem aufwühlenden und deprimierenden Film Partei ergriffen für die Opfer, vor allem die Frauen und Kinder, die Mütter, die ihre Söhne verloren. Am Ende lässt er ganz einfache Bilder aus dem Fernsehen für sich sprechen: ein aufgeräumter Chirac, Schröder und Putin lächeln in die Kameras und die westeuropäischen Staatsmänner bescheinigen ihrem Freund Putin, die letzten Wahlen in Tschetschenien seien frei und demokratisch gewesen.

Der Schweizer Europapolitiker Andreas Gross, der im Auftrag des Europarates eine Lösung für Tschetschenien finden soll und den die Russen 12 Monate lang nicht nach Tschetschenien reisen ließen, ist erbost über die Haltung der westlichen Staatsmänner:

" Was mich sehr entsetzt, ist die Art, wie es Putin gelingt, in Westeuropa die Staatsmenschen, Staatsherren - vielleicht sind sie eben mehr Staatsherren als Staatsmenschen - für sich zu gewinnen, so dass der Chirac und der Schröder und Berlusconi vor allem, aber auch der Blair sich mehr um die Geschäfte kümmern, als um das Schicksal der Tschetschenen und das ist unwürdig für Westeuropa. "

Das Leid, das russische Soldaten in Tschetschenien anrichten, lässt sich durch nichts rechtfertigen, auch nicht durch die brutalen terroristischen Überfälle von Tschetschenen im Moskauer Theater Nord-Ost oder in der Schule von Beslan, Terrorakte die übrigens auch von Sainap Gaschaiewa und ihren Mitstreiterinnen verurteilt werden. Regisseur Eric Bergkraut ist klug genug, sich nicht auf so einfache Vergleiche einzulassen, die Demagogie der gegenseitigen Aufrechnungen nicht mitzumachen. Sein Film klagt an: Wir im Westen lassen diesen Völkermord zu, wie so viele andere auch.