Ernsthaft, reflektierend und volksnah

Von Agnes Bührig |
Den Ehrentag ihres berühmten Sohnes begeht die norwegische Stadt Bergen mit einem zweiwöchigen Septemberfestival. "Wir wollen Griegs 100. Todestag ernsthaft und reflektierend begehen, gleichzeitig aber volksnah", sagt eine Mitinitiatorin der Feierlichkeiten. Auf dem Programm stehen unter anderem ein Galakonzert, ein Symposium und eine Klanginstallation.
Probe in der Grieghalle von Bergen für das große Galakonzert morgen Abend. Im Inneren des klotzigen Konzerthauses haben Bergens Philharmoniker Platz genommen und die Noten von Edvard Griegs berühmtem a-Moll-Konzert aufgeschlagen. Ihre Vorgänger wurden einst vom Komponisten selbst dirigiert, seit 2003 führt Andrew Litton den Taktstock. Der Amerikaner musste sich seinen Grieg allerdings erst einmal erarbeiten, sagt der 48-Jährige ganz offen:

" Es macht mir großen Spaß mit dem Orchester zu arbeiten. Ich bin ein Musikdirektor, der des Weges kommt, aber Grieg ist ihr Komponist und ich sage den Musikern: Was immer ihr macht, es ist gut. Aber natürlich muss auch ein norwegisches Orchester, das Grieg spielt, üben. Da gibt es immer wieder Stellen, von denen wir meinen: Oh, hier müssen wir noch mal ran. Aber in der Regel spielen sie die Musik instinktiv ganz wunderbar. "

Das berühmte a-Moll-Konzert wird auch bei der Festgala in der Grieghalle morgen Abend erklingen. Solist ist der norwegische Starpianist Leif Ove Andsnes. Bis zum 16. September findet in Bergen zudem ein zweiwöchiges Kulturfestival statt. Der große Sohn der Stadt wird mit einem Symposium für Musikwissenschaftler aus aller Welt geehrt und mit einer Klanginstallation. Künstler aus Norwegen und dem Ausland haben Geräusche aus ganz Norwegen verarbeitet - eigens zum Tag des großen Jubiläums. Daneben gibt es Stadtwanderungen auf Griegs Spuren.

Startpunkt ist die Strandgate, wo einst sein Geburtshaus stand. Heute erinnert nur noch ein kleines Schild an den Komponisten. Wo einst Holzhäuser standen, schließen inzwischen hohe Mietshäuser aus Stein die Fronten auf beiden Seiten der Straße ab. Sie führt von der Innenstadt hinaus auf die Landzunge Nordnes.

Als Grieg am 15. Juni 1843 hier geboren wird, prägen das Hufgeklapper der Pferdefuhrwerke und die Geräusche aus den Werkstätten der Handwerker die Szene. Doch auch angesehene Kaufleute haben sich hier niedergelassen, der Hafen ist nicht weit, erzählt Touristenführerin Urte Gerlach über die damalige Nachbarschaft:

" Edvard Griegs Vater Alexander war ein sehr tüchtiger Kaufmann. In dieser Straße wohnte nicht nur er, sondern viele bedeutungsvolle Kaufleute, die aber ihren Ursprung nicht in Norwegen hatten. Zum Beispiel ist Griegs Familie ursprünglich aus Schottland eingereist, das war Edvard Griegs Urgroßvater, der seine Heimatstadt Aberdeen verlassen hat – mehr oder weniger aus politischen Gründen – und sich hier als Kaufmann niederließ."

Auch im Grieg-Museum Troldhaugen, vor den Toren der Stadt, lockt eine neue Dauerausstellung. Im Wohnhaus nebenan wird erfahrbar, wie Edvard Grieg und seine Frau Nina gelebt haben. Mit seinem charakteristischen Eckturm erinnert das Holzhaus aus den 1880er Jahren ein wenig an ein Fort, mit einer breiten Eingangstreppe auf der einen, einer reich ornamentierten Veranda auf der anderen Seite. Im Esszimmer sieht es so aus, als hätten Nina und Edvard Grieg gerade ihr Mittagessen beendet: Auf dem Büffetschrank steht ein kunstvoll verzierter Kronleuchter aus Silber, auf dem Tisch liegt eine handgewebte Tischdecke. Es ist die Zeit der Nationalromantik, sagt Erling Dahl jr., der frühere Leiter des Grieg-Museums Troldhaugen. Er hat gerade eine neue Biographie über seinen Landsmann geschrieben:

" Die Zeit, in der Grieg lebte, war expansiv für Norwegen als Nation. Seit 1814, fast das ganze 19. Jahrhundert lang, hatte man in politischer Union mit Schweden gelebt. Der Wunsch nach Befreiung und Lösung vom Brudervolk im Osten wurde immer stärker. Das war eine Bewegung, die um 1850 begann und von den Künstlern vorangetrieben wurde. Sie wollten am Haus der nationalen Identität mitbauen und hatten den Wunsch nach Loslösung und Selbständigkeit Norwegens. "

In der guten Stube im Erdgeschoss steht auch der Flügel, den das Paar zur silbernen Hochzeit von Freunden geschenkt bekam. Die Wände sind mit Ölgemälden gepflastert, unter der Decke hängt ein ausladender Kronleuchter. Aus einer Vitrine an der Wand gucken drei Tierfiguren – Griegs Maskottchen, sagt Lissi Sandahl:

" Der Troll hier stand auf seinem Nachttisch. Grieg hat ihm jeden Abend mit einer Verbeugung ordentlich gute Nacht gesagt. Dann gibt es ein kleines Glücksschweinchen mit einem Kleeblatt im Maul und einen kleinen Frosch. Den hatte er immer in der Tasche, wenn er auftrat. Kurz vor Beginn war er nämlich immer ziemlich nervös und wenn er den Frosch streichelte, beruhigte ihn das."

Ruhe zum Komponieren fand Grieg in seiner Komponistenhütte unten am Wasser. Auf dem Stuhl vor dem Klavier lag eine dicke Ausgabe von Beethovens Sonaten, mit ihr als Unterlage reichte der nur 1,52 m große Mann an die Tastatur. Am Schreibtisch schrieb er seine Musik nieder, der Blick konnte dabei über die Konturen der norwegischen Fjordlandschaft vor dem Fenster schweifen. Und wer die Augen zumacht und der "Peer Gynt"-Suite lauscht, der kann sie ebenfalls sehen.

Service:
Das Edvard Grieg Septemberfestival findet vom 31. August bis 16. September 2007 in Bergen statt.
Mehr zum Thema