Ernster chorischer Abend
Mit einer Bühnenversion des Romanfragments "Wilhelm Meisters theatralische Sendung" startet in Frankfurt die Goethe Festwoche. Die Ironie des Klassikers ist auch nach über 200 Jahren aktuell, in Ulrich Rasches Inszenierung aber wenig vergnüglich.
Die Frankfurter Goethe Festwochen sind eine junge Einrichtung, zum dritten Mal erst finden sie in der Woche um Goethes Geburtstag in seiner Geburtsstadt statt. 2010 steht der Roman "Wilhelm Meister" im Mittelpunkt, und das Schauspiel Frankfurt, Mitveranstalter der Festwoche, hat die erst 1910 in Zürich entdeckte Vorform dieses Bildungsromans, "Wilhelm Meisters theatralische Sendung", zur Eröffnung als chorischen Theaterabend präsentiert.
"Wilhelm Meisters theatralische Sendung", wenngleich nur Fragment, ist ein vergnüglicher Theaterroman über einen jungen Mann, der mithilfe des Theaters seine familiären Probleme, später seine Beziehungsprobleme lösen will. Doch vergnüglich ist der chorische Abend von Ulrich Rasche keineswegs. Zitate aus "Wilhelm Meisters theatralischer Sendung", aber auch andere Goethezitate, Stellen aus dem Neuen Testament und von Karl Marx, geraten – skandiert vorgetragen - zu tiefernst gemeinten, bisweilen – auch akustisch – nicht ganz verständlichen Kalendersprüchen.
Um ein Beispiel zu nennen: Zu Beginn des Abends im Frankfurter Bockenheimer Depot preisen in abgehackten Sätzen ein Sprecher und der Chor den Beruf des Schauspielers, da der Schauspieler noch mehr als der Priester die Herzen seiner Zuhörer zu Edlerem zu bilden verstehe. In Goethes Roman sind solche Sätze relativiert. Derartige Weisheiten gibt Wilhelm Meister nämlich aufgeregt, mit hochrotem Gesicht in der Theaterkantine zum Besten, nachdem er zum ersten Mal mit professionellen Schauspielern in Kontakt gekommen ist und sich auf diese Weise bei ihnen beliebt machen und insbesondere der attraktiven Schauspielerin Marianne imponieren will. Die wird ihn später durch Untreue enttäuschen, eine Verletzung, die bei Wilhelm neue schauspielerische Energie auslöst. Und so weiter.
Über die Aufführung von Ulrich Rasche kann man dagegen wenig erzählen, trotz des immensen Personals. Einem 18-köpfigen Sprechchor sind zwei Sprecher und ein 32-köpfiger Gesangschor beigesellt. Sie singen und summen fragmentierte klassische Musik (Hugo Wolf, Johann Sebastian Bach). Den das Theater und den Dichter preisenden Sentenzen sind in der Mitte des Abends Aussagen des Vaters von Wilhelm, gemischt mit Karl-Marx-Zitaten, gegenübergestellt. Er vertritt das Prinzip der Ökonomie.
Immer gleich sind die Bewegungen. Der Chor schreitet – in unterschiedlichen Formationen - in gleichförmigem Rhythmus über eine große schräge Fläche, um kurz vor dem Publikum in einer Neunziggrad-Wendung abzubiegen, … um wieder neu aufzutreten. Die Fläche ist durch das Licht in schwarze und weiße Streifen unterteilt, die im Sekundentakt wechseln von Weiß auf Schwarz, von Schwarz auf Weiß: 60x90 also: 5400 Mal! Nur die Elektrik machte dem Spektakel einen Strich durch die Rechnung. Ein Stromausfall unterbrach kurzfristig die Premiere.
Service:
Noch bis zum 5.9. findet in Frankfurt die Goethe Festwoche 2010 statt
"Wilhelm Meisters theatralische Sendung", wenngleich nur Fragment, ist ein vergnüglicher Theaterroman über einen jungen Mann, der mithilfe des Theaters seine familiären Probleme, später seine Beziehungsprobleme lösen will. Doch vergnüglich ist der chorische Abend von Ulrich Rasche keineswegs. Zitate aus "Wilhelm Meisters theatralischer Sendung", aber auch andere Goethezitate, Stellen aus dem Neuen Testament und von Karl Marx, geraten – skandiert vorgetragen - zu tiefernst gemeinten, bisweilen – auch akustisch – nicht ganz verständlichen Kalendersprüchen.
Um ein Beispiel zu nennen: Zu Beginn des Abends im Frankfurter Bockenheimer Depot preisen in abgehackten Sätzen ein Sprecher und der Chor den Beruf des Schauspielers, da der Schauspieler noch mehr als der Priester die Herzen seiner Zuhörer zu Edlerem zu bilden verstehe. In Goethes Roman sind solche Sätze relativiert. Derartige Weisheiten gibt Wilhelm Meister nämlich aufgeregt, mit hochrotem Gesicht in der Theaterkantine zum Besten, nachdem er zum ersten Mal mit professionellen Schauspielern in Kontakt gekommen ist und sich auf diese Weise bei ihnen beliebt machen und insbesondere der attraktiven Schauspielerin Marianne imponieren will. Die wird ihn später durch Untreue enttäuschen, eine Verletzung, die bei Wilhelm neue schauspielerische Energie auslöst. Und so weiter.
Über die Aufführung von Ulrich Rasche kann man dagegen wenig erzählen, trotz des immensen Personals. Einem 18-köpfigen Sprechchor sind zwei Sprecher und ein 32-köpfiger Gesangschor beigesellt. Sie singen und summen fragmentierte klassische Musik (Hugo Wolf, Johann Sebastian Bach). Den das Theater und den Dichter preisenden Sentenzen sind in der Mitte des Abends Aussagen des Vaters von Wilhelm, gemischt mit Karl-Marx-Zitaten, gegenübergestellt. Er vertritt das Prinzip der Ökonomie.
Immer gleich sind die Bewegungen. Der Chor schreitet – in unterschiedlichen Formationen - in gleichförmigem Rhythmus über eine große schräge Fläche, um kurz vor dem Publikum in einer Neunziggrad-Wendung abzubiegen, … um wieder neu aufzutreten. Die Fläche ist durch das Licht in schwarze und weiße Streifen unterteilt, die im Sekundentakt wechseln von Weiß auf Schwarz, von Schwarz auf Weiß: 60x90 also: 5400 Mal! Nur die Elektrik machte dem Spektakel einen Strich durch die Rechnung. Ein Stromausfall unterbrach kurzfristig die Premiere.
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