Ernährung

Schmausen bis zum Glückspunkt

Robin Moran and Bob Moore sind übergewichtig
In den USA ist Übergewicht fast "normal" © picture alliance / dpa / Landov
Von Johannes Kaiser |
Die Manipulation der Verbraucher in den USA durch die Lebensmittelindustrie sei gesundheitsgefährdend, meint Michael Moss. Der US-amerikanische Journalist geht sogar noch weiter: Es sei ein Komplott gegen die Konsumenten, die Werkzeuge der Täter: Salz, Zucker und Fett.
Es ist verblüffend, mit welcher Selbstverständlichkeit die amerikanische Lebensmittelindustrie ihren Kunden ausgewogene Ernährung suggeriert und gleichzeitig ihre Gesundheit ruiniert: Denn wer US-Fertigprodukte konsumiert, nimmt täglich ein Übermaß an Zucker, Fett und Salz zu sich. Und das hat gesundheitliche Folgen: Fettleibigkeit, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes. Das jedenfalls ergab die ausführliche Recherche des New Yorker Journalisten Michael Moss, die er jetzt auf 600 Seiten Reportage öffentlich macht.
In drei Kapiteln zu Zucker, Fett und Salz zeichnet er ein erschreckendes Bild einer Branche, die nur ein Ziel kennt: den Konsum steigern. Und Zucker, Fett und Salz sind dafür unverzichtbar. Geschickt kombiniert erzeugen sie eine Art Suchtverhalten im Gehirn des Verbrauchers. Dahinter steckt ein verhängnisvolles evolutionäres Erbe unserer Vorfahren, die stets auf der Suche nach energiereicher Nahrung waren.
Zucker, Fett und Salz sind billiger als Gewürze
Gezielt forscht die Industrie nach einer Mischung von Zutaten, die die Geschmacksnerven so reizt, dass man nicht aufhören will zu essen. Der angestrebte "Glückspunkt" bedeutet ein optimales Niveau an Geschmack und sinnlicher Befriedigung. Wunderbarer Nebeneffekt: Salz, Zucker und Fett sind erheblich billiger als Zutaten wie zum Beispiel Gewürze.
Da das Gehirn normalerweise bei einer gewissen Menge an Fett ein Sättigungsgefühl meldet, suchten die Lebensmittelforscher nach Möglichkeiten, den Fettgehalt zu kaschieren, was wiederum durch den Einsatz von Zucker gelingt. Salz wiederum verbirgt große Mengen Zucker. Vor allem Snacks haben es deshalb in sich.
So fanden sich in einem Schinken-Käse Sandwich 57 Gramm Zucker (das entspricht 13 Teelöffel) und 1600 Milligramm Natrium - zwei Drittel der empfohlen Tageshöchstmenge. Nicht zuletzt dank künstlich erzeugtem Käse, der zahlreichen Produkten zugefügt wird, überschreitet ein Durchschnittskonsument die empfohlene Höchstmenge an Fett jeden Tag um mehr als 50 Prozent, so Michael Moss.
Lieber frische, regional erzeugte Lebensmittel essen
Auffällig in Moss Reportage ist die Faszination, mit er einige der erfolgreichsten Lebensmittelwissenschaftler und Marketingchefs porträtiert und wie ausführlich er die Werbekampagnen und Marketingstrategien der Lebensmittelkonzerne beschreibt. Geradezu mit Bewunderung berichtet er von den raffinierten Methoden der Täuschung, thematisiert aber dafür eingängig, wie die Lebensmittelkonzerne ihre Verantwortung leugnen, Beschränkungen sabotieren und Aufklärung verhindern.
So untergräbt die Macht der Lobby alle US-staatlichen Gesundheitsbemühungen. Zu kurz kommen im Buch allerdings die Ergebnisse der Ernährungswissenschaft. Zwar zitiert Michael Moss immer wieder aus Studien, die die verhängnisvollen gesundheitlichen Schäden der übermäßigen Genusses von Zucker, Salz und Fett belegen, aber leider erklärt er wenig konkret, was diese Stoffe im Körper bewirken. Als Quintessenz nach der Lektüre bleibt: Bei Fertigprodukten ist Vorsicht geboten! Wer sicher gehen will, sollte vor allem frische, regional erzeugte Nahrungsmittel verzehren.

Michael Moss: Das Salz-Zucker-Fett-Komplott.
Wie die Lebensmittelkonzerne uns süchtig machen
Übersetzt von Elisabeth Schmalen und Katharina Uhlig
Ludwig Verlag, München 2014
624 Seiten, 19,99 Euro