Ermittlungen gegen Wettbetrug

Gekaufte Schiedsrichter, bestochene Fußballspieler

Ein Mann schaut sich eine Internetseite für Online-Wetten an.
Wetten und Zocken - ein Milliardenmarkt, immer mehr auch im Internet. © picture alliance/dpa/Marcus Brandt
Von Vivien Leue |
Ihnen ist es bloß wichtig, wie ein Wettkampf ausgeht: Wettbetrüger sind keine Fans, sie wollen die Sportveranstaltung in ihrem Sinne manipulieren und bestechen Schiedsrichter oder Sportler. Ein Ermittler aus Bochum hat den Wettbetrügern den Kampf angesagt.
Samstagnachmittag, irgendwo in Deutschland – tausende Fußballfans fiebern mit, wenn ihre Vereine Woche für Woche um wichtige Punkte kämpfen.
Zur gleichen Zeit irgendwo in Asien, aber vielleicht auch hier bei uns in Deutschland, in Ungarn, Österreich: Auch hier sitzen Menschen zusammen, denen es wichtig ist, wie das Spiel ausgeht. Aber sie sind keine Fans. Und sie glauben schon im Vorfeld zu wissen, welche Mannschaft gewinnt. Denn sie haben alles dafür getan, dass es zu einem ganz bestimmten Spielausgang kommt. Sie sind Wettbetrüger, Matchfixer – Kriminelle.
"Das kriminelle Netzwerk macht nichts anderes, als sich tagtäglich damit zu beschäftigen, irgendwelche Spieler auszuschauen, die manipulierbar sind, Spieler zu rekrutieren."
Michael Bahrs ist Kriminalhauptkommissar im Kommissariat 21 des Bochumer Polizeipräsidiums – Abteilung für Organisierte Kriminalität. Die ganz harten Fälle, zu denen mittlerweile auch Wettmanipulationen zählen. Denn auch sie sind organisiert, und zwar weltweit, von großen kriminellen Netzwerken.
"Und die agieren wie alle anderen in hochkriminellen Feldern, die sind bereit, andere in die Luft zu sprengen, zu erpressen, unter Druck zu setzen."
Bahrs ist 44, trägt Jeans, T-Shirt, braune Lederjacke und Chucks und nicht zuletzt mit seinen blond gesträhnten kurzen Haaren wirkt er locker und entspannt. Er ist aber auch hartnäckig und lässt eben nicht locker, wenn es darum geht, die Drahtzieher hinter den Wettmanipulationen zu finden.

Stark wachsendes Kriminalitätsfeld

Laut der europäischen Ermittlungsbehörde Europol ist Wettbetrug eines der wachstumsstärksten Kriminalitätsfelder. Viele Banden, die bisher in Drogen- oder Menschenhandel involviert waren, sind jetzt auch im Bereich des Match-Fixings zu finden: Italienische Mafia-Organisationen oder die chinesischen Triaden zum Beispiel.
Auch Michael Bahrs und seine Bochumer Kollegen ermittelten im Frühjahr 2009 ursprünglich im Rotlichtmilieu, als sie auf ungewöhnliche Aktivitäten stießen:
"Wir hatten in diesem Fall auch Telefonüberwachung geschaltet und stellten halt fest, dass dieses kriminelle Netzwerk oftmals Spieler kontaktiert, Wetten platziert, hohe Wetten platziert. Sich zum Teil auch in Vereine einkaufen will und das war für uns total untypisch."
Drei- bis vierhunderttausend Euro setzten die Kriminellen auf einzelne Spiele – ungewöhnlich für Menschen, die normalerweise mit Drogen oder Prostituierten handeln. Die Ermittler holten sich Unterstützung von einem Sachverständigen. Denn allein das Vokabular der Kriminellen war für die Polizisten kaum verständlich:
"Ja, wenn die z.B. von Asien vier Überwetten, Overwetten und drei Handicap und Unter gesprochen haben. Ich habe bis dahin mit Wetten nie was am Hut gehabt und das war für mich eine völlig andere Sprache."

Auch in Kontakt mit den Ganoven

Mittlerweile, sieben Jahre nach diesem ersten großen Fall, ist Hauptkommissar Bahrs ein geschätzter Experte auf dem Gebiet des Matchfixings. Aus aller Welt melden sich Kollegen bei dem 44-Jährigen in Bochum, um seine Meinung zu hören. Auch mit den Ganoven hält Bahrs Kontakt.
"Jetzt haben die natürlich auch alle meine Handynummer und das Handy, das bimmelt ständig, ja."
Wie läuft das eigentlich ab, die Manipulation eines Spiels? Laut Bahrs müssen erst einmal diejenigen rekrutiert werden, die ein Spiel manipulieren können: Schiedsrichter oder Spieler zum Beispiel. Häufig erkennen die Kriminellen am Lebenswandel eines Sportlers, ob er anfällig für so etwas ist: Ist er selbst ein Zocker oder macht sich durch eine Liebschaft erpressbar? Dann wird er angesprochen, rekrutiert, eingesetzt.
"Die brauchen jetzt kein ganzes Spiel manipulieren, in der Form, dass sie von der ersten bis zu 90. Minute schlecht spielen, das geht auch gar nicht, weil sonst würden sie ausgewechselt werden. Mir hat mal ein Matchfixer in einer Vernehmung gesagt: Ich habe meinen Jungs immer gesagt: Ihr könnt 89 Minuten das Spiel Eures Lebens machen, aber in einer Minute müsst Ihr für mich da sein."
In dieser einen Minute verschießt der Spieler dann den Ball oder holt für die gegnerische Mannschaft einen Elfmeter – und wird letztlich vielleicht sogar noch als tragischer Held gefeiert, der alles gab und dann Pech hatte.
"Man muss sich völlig davon lösen, ein Fußballspiel zu nehmen, sich von mir aus auch das ganze Spiel anzuschauen und dann sagen zu können, das ist manipuliert oder nicht. Also ich halte das für unmöglich, dass man das kann."

Alle Ligen sind betroffen - auch die Bundesliga

Stattdessen geht Bahrs Insider-Informationen nach, schaut, ob verdächtige – ihm bekannte – Personen in das Spiel involviert sind. Blickt auf die Wettsummen.
Letztlich sind alle Ligen betroffen, auch Länderspiele, sagt Bahrs. Allerdings sind den Matchfixern solche Spiele und Ligen am liebsten, die in der Öffentlichkeit weniger Beachtung finden: In Deutschland also eher die Regional- als die Bundesliga oder auch Ligen in Ländern wie Österreich, der Schweiz oder Finnland.
Michael Bahrs ist selbst eingefleischter Fußballfan. Der HSV ist seine Leidenschaft. Aber: Nach all den Ermittlungen, kann er da dem Sport überhaupt noch vertrauen?
"Hmm, ja, also ich muss zugeben, dass ich am Anfang tatsächlich ein bisschen unter Verfolgungswahn gelitten habe, weil ich selber großer Fußballfan bin, aber inzwischen hat sich das wieder gelegt. Es ist ja nicht jedes Spiel manipuliert, es ist ja nicht jeder böse."
Und so bleibt zu hoffen, dass Ermittler wie Michael Bahrs weiter nicht locker lassen, damit letztlich nur noch die wirklichen Fans mit ihren Spielen mitfiebern.
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