Ermittlungen der EU-Wettbewerbsbehörde

Mächtig und gefürchtet

Eine Frau mit kurzen, grauen Haaren spricht in ein Mikrofon, sie hat ein schwarzes Oberteil an und gestikuliert mit den Händen.
Margarethe Vestager, EU-Wettbewerbskommissarin, bei einer Pressekonferenz im Juli 2016. © dpa/EPA/Olivier Hoslet
Von Jörg Münchenberg · 02.08.2016
Die Wettbewerbsbehörde ist mit Sicherheit die mächtigste und gefürchtetste Behörde innerhalb der EU-Kommission. Seit ihrem Amtsantritt 2014 hat die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager das Profil der Behörde noch einmal geschärft.
Es war eine spektakuläre Entscheidung. Mitte Juli verhängte die EU-Kommission gegen ein Kartell von LKW-Herstellern die bislang höchste Strafe durch die europäischen Aufsichtsbehörden. Knapp drei Milliarden Euro müssen fünf Konzerne wegen unerlaubter Preisabsprachen zahlen. Dabei ist schon ein Nachlass von 10 Prozent eingerechnet, weil die Unternehmen die unerlaubten Absprachen eingestanden und kooperiert haben. Doch an der Schuld ändere dies nichts, stellte EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager klar:
"Der Kampf gegen Kartelle steht bei uns an oberster Stelle. Wir werden nicht zulassen, dass Firmen und Verbraucher in Europa Preise bezahlen müssen, die auf unerlaubten Preisabsprachen zwischen vermeintlichen Wettbewerbern beruhen. Ganz zu schweigen davon, dass den Konsumenten innovative Produkte vorenthalten worden sind."

Unerlaubte Preisabsprachen in allen Branchen

Keine Frage, die Generaldirektion Wettbewerb ist die mächtigste Behörde innerhalb der EU-Kommission. Das hat sie in der Vergangenheit durch ihre Entscheidungen immer wieder unter Beweis gestellt. 2012 etwa mussten Hersteller von Fernseh- und Computerbildschirmen wegen unerlaubter Preisabsprachen 1,4 Milliarden Euro bezahlen.
Rund 820 Millionen Euro an Strafen wurden 2013 für mehrere europäische Banken fällig, weil sie wichtige Zinssätze wie den Libor manipuliert hatten. Und knapp 1,2 Milliarden mussten 2008 von einem Autoglas-Kartell aufgebracht werden – auch sie hatten heimlich Preise abgesprochen und damit die Kunden betrogen:
"Es ist eine sehr mächtige Generaldirektion. Das hat sehr viel mit ihren Möglichkeiten zu tun. Die Kommission kann hier eigene Entscheidungen exekutieren und benötigt dafür nicht wie sonst die Zustimmung der Mitgliedsstaaten. Sie kann Strafen verhängen und diese Strafen müssen dann auch gezahlt werden. Und die Kommission kann Firmen dazu zwingen, ihr Geschäftsmodell zu ändern und das gilt dann auch global", beschreibt der Rechtswissenschaftler Nicolas Petit von der Universität Liege den Einfluss der Wettbewerbsbehörde.

EU-Wettbewerbsbehörde wegen ihrer Macht gefürchtet

Unternehmen können sich zwar vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Entscheidungen der Kommission zur Wehr setzen, ansonsten gilt: Strafen müssen gezahlt werden und fließen dann in den EU-Haushalt. Wovon wiederum die EU-Mitgliedsstaaten über eine Minderung ihrer jährlichen Beiträge an das EU-Budget profitieren.
Die EU-Wettbewerbsbehörde war wegen ihrer Machtfülle schon immer gefürchtet, doch die streitbare wie selbstbewusste Margarethe Vestager hat das Profil der Behörde seit ihrem Amtsantritt 2014 noch einmal deutlich geschärft. Sei es durch die zahlreichen Ermittlungen gegen Unternehmen wegen möglicher Steuervergehen oder auch durch die Verschärfung des Verfahrens gegen den US-Internetkonzert Google wegen des Verdachts auf Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung. Nikolas Petit von der Universität Liege:
"Wir sehen hier einen Richtungswechsel. Unter Vorgänger Almunia wurden viele Vorgänge abgeschlossen. Oft mit einer Art Gentlemen Agreement zwischen Kommission und einem Unternehmen. Das Unternehmen versprach, seine schädliche Geschäftspraxis zu ändern, die Kommission hat dann oft ein Auge zugedrückt. Oft gab es kein Verfahren, keine Strafen. Mit Magarethe Vestager haben wir jetzt sicherlich eine aggressivere Wettbewerbspolitik bekommen. Das haben wir zuletzt bei den Rekordstrafen gegen das LKW-Kartell gesehen. Drei Milliarden – das gab es noch nie."

Auch Großkonzern Google drohen hohe Geldbußen

Was bedeutet, dass auch in naher Zukunft die EU-Wettbewerbsbehörde für Schlagzeilen sorgen dürfte. Inzwischen laufen drei Verfahren gegen Google – zumindest eines davon, so meint Jurist Petit, dürfte Vestager sicherlich bald abschließen. Theoretisch sind dabei Strafen von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes möglich. Sollte die Kommission also zu dem Schluss kommen, dass Google den Wettbewerb in Europa behindert hat, könnten wohl auch dem US-Konzern milliardenschwere Geldbußen drohen.
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