Ermittlung gegen Netzpolitik.org

Beckedahl kritisiert "Einschüchterungsversuch"

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Markus Beckedahl, Gründer des Blogs Netzpolitik.org (M), sowie die beiden Autoren des Blogs, Andre Meister (l) und Anna Biselli, stehen am 10.10.2014 in ihrem Büro in Berlin. Ihr Blog zählt zu den bekanntesten in Deutschland.
Markus Beckedahl, Gründer des Blogs Netzpolitik.org (m), sowie die beiden Autoren des Blogs, Andre Meister (l) und Anna Biselli (r) in ihrem Büro in Berlin. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Gudula Geuther · 31.07.2015
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Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen die Blogger André Meister und Markus Beckedahl von netzpolitik.org - der Verdacht: Landesverrat. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wirft den Journalisten vor, staatstragende Geheimnisse veröffentlicht zu haben. Die Blogger vermuten hinter den Ermittlungen einen Einschüchterungsversuch.
Landesverrat, darauf steht mindestens ein Jahr Haft. Der Vorwurf ist schwerwiegend, seit Jahrzehnten wurde er nicht gegen Journalisten erhoben. Nun ermittelt der Generalbundesanwalt gegen die Blogger André Meister und Markus Beckedahl von netzpolitik.org. Sie hatten im Februar und im April in zwei Artikeln aus einem Bericht des Verfassungsschutzes zitiert. In dem als "Verschlusssache – Vertraulich" eingestuften Papier für das Vertrauensgremium des Bundestages ging es um den Aufbau einer neuen Einheit zur Überwachung des Internets.
Wie die Bundesanwälte den Journalisten mitteilten, beruhen die Ermittlungen auf Strafanzeigen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dass es solche Anzeigen gegeben hat, wegen eines weiteren Artikels auch gegen den Rechercheverbund von SZ, NDR und WDR, war nach einem Bericht des Deutschlandfunks bekannt. Neu ist allerdings, dass es in diesem Fall nicht nur um die geheimen Quellen der Journalisten geht, sondern auch um sie selbst. Der mehrfach preisgekrönte Blog netzpolitik.org beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Internet-Themen, vor allem mit dessen Überwachung. Sein Gründer und Chefredakteur Markus Beckedahl vermutet hinter den Ermittlungen einen Einschüchterungsversuch, nicht nur gegen die Journalisten selbst. Gegenüber unserem Hauptstadtstudio sagte er:
"Hier sehen wir durch diese Strafanzeigen und die Ermittlungen quasi einen Schuss gegen alle potenziellen und tatsächlichen Quellen, dass der Staat, unsere Geheimdienste jetzt mitteilen, dass sie das nicht mehr einfach so hinnehmen, sondern scharf zurückschießen."
Tatsächlich läuft die Auseinandersetzung zwischen Regierung, Opposition und Medien über den Umgang mit Geheimdienstinformationen seit Monaten. Das Kanzleramt hatte immer wieder mit Strafanzeigen gedroht. Allerdings nicht wegen Landesverrats, sondern "nur" wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen, Journalisten können sich dabei in der Regel nicht strafbar machen. Dahinter steht auch das Grundrecht der Pressefreiheit, das seit der Spiegel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Abwägung mit strikter Geheimhaltung besonderes Gewicht hat.
Bundesanwaltschaft nimmt keine Stellung ein
§ 94 Strafgesetzbuch verlangt nicht nur, dass der Täter ein Staatsgeheimnis öffentlich macht. Es muss ihm auch gerade darauf ankommen, dadurch die Bundesrepublik zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. Damit nicht genug: Der Täter muss dadurch außerdem die Gefahr eines schweren Nachteils für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführen. Absurd nennt Markus Beckedahl den Vorwurf.
"Wir haben durch unsere Berichterstattung über den Ausbau der Netzüberwachung durch den Verfassungsschutz eine gesellschaftliche Debatte anstoßen wollen, ob wir das jetzt zwei Jahre nach Snowden gut finden, oder nicht, wenn die einzige Antwort der Bundesregierung und der Geheimdienste mehr Überwachung ist."
Die Bundesanwaltschaft selbst nimmt keine Stellung. Süddeutsche Zeitung und Spiegel online wollen allerdings erfahren haben, dass die Behörde ein Gutachten zu der Frage in Auftrag gegeben hat, ob es sich bei den veröffentlichten Papieren tatsächlich um Staatsgeheimnisse gehandelt habe, auch das ein ungewöhnlicher Vorgang. Der Deutsche Journalistenverband reagierte scharf. Sein Bundesvorsitzender Michael Konken sprach von dem Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen.
Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter twitterte, die Pressefreiheit dürfe nicht ausgehebelt werden. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar mutmaßte, dass auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière in den Vorgang einbezogen sei. Verfassungsschutzpräsident Hans Georg Maaßen hätte die Strafanzeige kaum ohne Rückendeckung des Ministeriums gestellt.
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