Erler: Israels Vorgehen verstößt gegen die Absprachen
Moderation: Jörg Degenhardt · 31.10.2006
Der SPD-Außenexperte Gernot Erler hat das Vorgehen der israelischen Armee kritisiert. Entgegen den Waffenstillstandsvereinbarungen versuche diese immer noch, den Luftraum über dem Libanon zu kontrollieren, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt. Die Weltgemeinschaft müsse Israel deutlich machen, dass dies nicht akzeptiert werden könne.
Jörg Degenhardt: Sie ist im Kongo genauso anzutreffen wie in Afghanistan, auf dem Balkan oder vor der libanesischen Küste – die Bundeswehr. Sie bleibt Gesprächsthema. Jetzt geht es auch darum, ob ihr mit den verschiedenen Auslandsmissionen vielleicht zu viel zugemutet wird. Etwa 10.000 Bundeswehrsoldaten sind derzeit bei insgesamt zwölf Missionen im Einsatz. Verteidigungsminister Jung hat angekündigt, einen Abzug des Kontingents in Bosnien zu prüfen. Dort sind 900 Soldaten mit dabei. Bereits im Dezember könnte demnach mit der ersten Stufe ihrer Rückführung begonnen werden. Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich oder etwa Großbritannien darf man allerdings den internationalen Beitrag der Deutschen eher bescheiden nennen. Soll es dabei bleiben oder ist mehr gar nicht möglich? Dazu Fragen an Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Guten Morgen Herr Erler.
Gernot Erler: Guten Morgen Herr Degenhardt.
Degenhardt: Gerade jetzt, wo sich die Lage in Afghanistan zum Beispiel zuspitzt und die Bundeswehr eine heikle Aufgabe im Nahen Osten zu erfüllen hat, kommt die Diskussion über die Belastbarkeit der Streitkräfte aus Ihrer Sicht da nicht zur Unzeit?
Erler: In der Tat stehen wir an einigen Schauplätzen vor Entscheidungsphasen, bei denen jede Diskussion um eine Reduzierung der Schutzpräsenz eher schädlich wäre. Ich denke da zum Beispiel an Kosovo, wo wir eine Entscheidung über diesen künftigen Status des Kosovo demnächst erwarten müssen. Da wäre jede Diskussion über eine Reduzierung der Schutzmächte dort, die vor allen Dingen für die Minderheiten da sind, sehr schädlich. Aber was Bosnien-Herzegowina angeht, da ist in der Tat es durchaus möglich darüber nachzudenken an eine Reduktion, weil wir hier seit längerem eine insgesamt sichere und stabile Situation haben, auch nach den Wahlen, die am 1. Oktober da gelaufen sind, und insofern könnte man auch darüber denken, allmählich diese militärischen Kräfte, die diesen weiteren Entwicklungsprozess von Bosnien-Herzegowina und das Zusammenleben dort der verschiedenen Ethnien absichern, durch Polizeikräfte zu ersetzen. Das wäre der normale Weg, wie der auch in anderen Balkanstaaten, etwa in Mazedonien, auch früher schon genommen worden ist.
Degenhardt: Nun berichtet heute die "Süddeutsche Zeitung", Kanzlerin Merkel habe auf Jungs Vorstoß, eben die Soldaten aus Bosnien abzuziehen, verärgert reagiert, ein Regierungssprecher dementierte das allerdings. Gibt es da ein Problem, sprich unterschiedliche Ansichten im Kabinett über den Zeitpunkt, wann Bundeswehrsoldaten aus ihren Auslandseinsätzen abgezogen werden sollen?
Erler: Ich denke, dass eins vermieden werden sollte, dass jetzt in kürzester Frist da eine größere Reduktion möglich ist. Wir müssen uns nochmal die Zahlen vergegenwärtigen. Wir haben exakt im Augenblick 8746 Soldaten im Auslandseinsatz. Davon sind etwa zehn Prozent bei dieser EUFOR-Althea, wie die Mission in Bosnien-Herzegowina nennt, nämlich genau 852. Deutschland hat insgesamt dort knapp 15 Prozent Anteil, insgesamt sind 5950 Soldaten in Bosnien-Herzegowina eingesetzt. Wenn das, was Herr Jung angesprochen hat, realisiert wird, nämlich dass etwa zwei Bataillone abgezogen werden, bleiben immer noch etwa 5000 Soldaten in Bosnien, und dann wäre unser etwa 15-prozentiger Anteil auch immer noch so, dass wir dann von einem Abzug von etwa 150 Soldaten reden. Das ist natürlich keine große dramatische Reduzierung, eine, die durchaus sinnvoll sein kann, aber das muss auch mit den Verbündeten in der EU dann erst auf dem Dezember-Gipfel beraten werden.
Degenhardt: Bei dem Konfliktpotenzial in der Welt, Herr Erler, brauchen wir dann in Zukunft nicht sogar mehr Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen?
Erler: Ich glaube, diese Diskussion hat eine quantitative und eine qualitative Seite. Wir haben sehr, sehr wichtige Missionen, wenn man auch etwa an die ISAF und die OIF, das sind die beiden Missionen in Afghanistan, denkt, Kosovo habe ich schon genannt, wenn man an UNIFIL jetzt im Libanon denkt. Das Wichtigste ist, glaube ich, dass wir diese Missionen tatsächlich verlässlich und bis die Verantwortung eben in einen Erfolg gemündet ist, umsetzen, und das Problem ist, glaube ich, eher, dass man auch Signale geben muss, dass dieses nicht ad infinitum erweiterbar ist. Wir haben schon en Phänomen im Moment, dass, wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, ein Konflikt entsteht, eine Spannung entsteht, dann als erstes auf die EU geguckt wird, und da nun mal Deutschland eines der größeren Länder der EU ist, sind wir auch sofort gefragt, so war das in letzter Zeit mehrfach, so war das im Kongo, so war das jetzt auch im Libanon mit der ausdrücklichen Bitte des israelischen Ministerpräsidenten an Deutschland zu helfen, und da ist es schon mal notwendig, dass wir sagen, das hat eine Grenze, denn wir wollen ja die Aufträge, die wir machen, wirklich verlässlich und erfolgreich durchführen, und da kann man bei den Quantitäten nicht dauernd erweitern.
Degenhardt: Sie haben den Libanon angesprochen. Die Zwischenfälle vor der libanesischen Küste zwischen israelischen und deutschen Streitkräften haben in Ihrer Partei, in der SPD, massive Kritik an Israel hervorgerufen. Der SPD-Außenpolitiker Nils Annen sagte, Israel dringe regelmäßig in den libanesischen Luftraum ein, dies seien Provokationen, die den Waffenstillstand gefährden. Teilen Sie denn diese Ansicht?
Erler: Na ja, das ist nicht eine Ansicht eines einzelnen Abgeordneten, sondern hier gibt es auch sehr energische Fragen inzwischen von Seiten der Vereinten Nationen, weil ja insgesamt diese Mission UNIFIL mit der starken Präsenz von internationalen Truppen, inzwischen etwa 6000 zusätzlichen und starken Verbänden der libanesischen Streitkräfte im Süden des Landes ja diese Sicherheitsgarantie bringen sollen gegen eine eventuelle Wiederaufnahme der Tätigkeit der Hisbollah, und insofern ist es dann schwierig zu akzeptieren, dass Israel sich weiterhin trotz dieser internationalen Präsenz von französischen, italienischen und anderen Soldaten doch wohl so unsicher fühlt, dass es nach wie vor versucht den Luftraum zu kontrollieren, was gegen die Verabredung ist. Also insofern ist da die Weltgemeinschaft gefordert, hier mit Israel zu sprechen, dass dies so nicht akzeptiert werden kann.
Degenhardt: Das heißt, man muss durchaus weitere Zwischenfälle einkalkulieren, obwohl ja der Regierungschef Olmert gesagt hat, er wolle alles tun, um dies zu verhindern?
Erler: Wir haben überhaupt keinen Grund, uns nicht auf diese Zusage zu verlassen, dass ist auf jeden Fall der Wunsch der israelischen Regierung, dass es nicht zu solchen Zwischenfällen kommt und auch nicht mehr zu solchen Zwischenfällen kommt. Aber ob das natürlich von den israelischen Streitkräften dann auch entsprechend umgesetzt wird, das wird sich zeigen. Ich glaube, hier werden wir Zeuge von einem Prozess, bei dem die israelischen Streitkräfte, die ja diese schwierige Aufgabe des Schutzes des Landes seit vielen Jahrzehnten, kann man schon sagen, allein in ihrer Verantwortung haben, sich erst noch gewöhnen müssen an diesen Prozess, der jetzt als eine Internationalisierung dieser Schutzkomponente bezeichnet werden kann. Das braucht offenbar Zeit, das ist das Gleiche wie mit den Überflügen, bis die israelischen Streitkräfte das akzeptieren und umsetzen, dass es jetzt hier eine internationale Verantwortung gibt und nicht nur ihre eigene Verantwortung.
Degenhardt: Vielen Dank für das Gespräch.
Gernot Erler: Guten Morgen Herr Degenhardt.
Degenhardt: Gerade jetzt, wo sich die Lage in Afghanistan zum Beispiel zuspitzt und die Bundeswehr eine heikle Aufgabe im Nahen Osten zu erfüllen hat, kommt die Diskussion über die Belastbarkeit der Streitkräfte aus Ihrer Sicht da nicht zur Unzeit?
Erler: In der Tat stehen wir an einigen Schauplätzen vor Entscheidungsphasen, bei denen jede Diskussion um eine Reduzierung der Schutzpräsenz eher schädlich wäre. Ich denke da zum Beispiel an Kosovo, wo wir eine Entscheidung über diesen künftigen Status des Kosovo demnächst erwarten müssen. Da wäre jede Diskussion über eine Reduzierung der Schutzmächte dort, die vor allen Dingen für die Minderheiten da sind, sehr schädlich. Aber was Bosnien-Herzegowina angeht, da ist in der Tat es durchaus möglich darüber nachzudenken an eine Reduktion, weil wir hier seit längerem eine insgesamt sichere und stabile Situation haben, auch nach den Wahlen, die am 1. Oktober da gelaufen sind, und insofern könnte man auch darüber denken, allmählich diese militärischen Kräfte, die diesen weiteren Entwicklungsprozess von Bosnien-Herzegowina und das Zusammenleben dort der verschiedenen Ethnien absichern, durch Polizeikräfte zu ersetzen. Das wäre der normale Weg, wie der auch in anderen Balkanstaaten, etwa in Mazedonien, auch früher schon genommen worden ist.
Degenhardt: Nun berichtet heute die "Süddeutsche Zeitung", Kanzlerin Merkel habe auf Jungs Vorstoß, eben die Soldaten aus Bosnien abzuziehen, verärgert reagiert, ein Regierungssprecher dementierte das allerdings. Gibt es da ein Problem, sprich unterschiedliche Ansichten im Kabinett über den Zeitpunkt, wann Bundeswehrsoldaten aus ihren Auslandseinsätzen abgezogen werden sollen?
Erler: Ich denke, dass eins vermieden werden sollte, dass jetzt in kürzester Frist da eine größere Reduktion möglich ist. Wir müssen uns nochmal die Zahlen vergegenwärtigen. Wir haben exakt im Augenblick 8746 Soldaten im Auslandseinsatz. Davon sind etwa zehn Prozent bei dieser EUFOR-Althea, wie die Mission in Bosnien-Herzegowina nennt, nämlich genau 852. Deutschland hat insgesamt dort knapp 15 Prozent Anteil, insgesamt sind 5950 Soldaten in Bosnien-Herzegowina eingesetzt. Wenn das, was Herr Jung angesprochen hat, realisiert wird, nämlich dass etwa zwei Bataillone abgezogen werden, bleiben immer noch etwa 5000 Soldaten in Bosnien, und dann wäre unser etwa 15-prozentiger Anteil auch immer noch so, dass wir dann von einem Abzug von etwa 150 Soldaten reden. Das ist natürlich keine große dramatische Reduzierung, eine, die durchaus sinnvoll sein kann, aber das muss auch mit den Verbündeten in der EU dann erst auf dem Dezember-Gipfel beraten werden.
Degenhardt: Bei dem Konfliktpotenzial in der Welt, Herr Erler, brauchen wir dann in Zukunft nicht sogar mehr Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen?
Erler: Ich glaube, diese Diskussion hat eine quantitative und eine qualitative Seite. Wir haben sehr, sehr wichtige Missionen, wenn man auch etwa an die ISAF und die OIF, das sind die beiden Missionen in Afghanistan, denkt, Kosovo habe ich schon genannt, wenn man an UNIFIL jetzt im Libanon denkt. Das Wichtigste ist, glaube ich, dass wir diese Missionen tatsächlich verlässlich und bis die Verantwortung eben in einen Erfolg gemündet ist, umsetzen, und das Problem ist, glaube ich, eher, dass man auch Signale geben muss, dass dieses nicht ad infinitum erweiterbar ist. Wir haben schon en Phänomen im Moment, dass, wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, ein Konflikt entsteht, eine Spannung entsteht, dann als erstes auf die EU geguckt wird, und da nun mal Deutschland eines der größeren Länder der EU ist, sind wir auch sofort gefragt, so war das in letzter Zeit mehrfach, so war das im Kongo, so war das jetzt auch im Libanon mit der ausdrücklichen Bitte des israelischen Ministerpräsidenten an Deutschland zu helfen, und da ist es schon mal notwendig, dass wir sagen, das hat eine Grenze, denn wir wollen ja die Aufträge, die wir machen, wirklich verlässlich und erfolgreich durchführen, und da kann man bei den Quantitäten nicht dauernd erweitern.
Degenhardt: Sie haben den Libanon angesprochen. Die Zwischenfälle vor der libanesischen Küste zwischen israelischen und deutschen Streitkräften haben in Ihrer Partei, in der SPD, massive Kritik an Israel hervorgerufen. Der SPD-Außenpolitiker Nils Annen sagte, Israel dringe regelmäßig in den libanesischen Luftraum ein, dies seien Provokationen, die den Waffenstillstand gefährden. Teilen Sie denn diese Ansicht?
Erler: Na ja, das ist nicht eine Ansicht eines einzelnen Abgeordneten, sondern hier gibt es auch sehr energische Fragen inzwischen von Seiten der Vereinten Nationen, weil ja insgesamt diese Mission UNIFIL mit der starken Präsenz von internationalen Truppen, inzwischen etwa 6000 zusätzlichen und starken Verbänden der libanesischen Streitkräfte im Süden des Landes ja diese Sicherheitsgarantie bringen sollen gegen eine eventuelle Wiederaufnahme der Tätigkeit der Hisbollah, und insofern ist es dann schwierig zu akzeptieren, dass Israel sich weiterhin trotz dieser internationalen Präsenz von französischen, italienischen und anderen Soldaten doch wohl so unsicher fühlt, dass es nach wie vor versucht den Luftraum zu kontrollieren, was gegen die Verabredung ist. Also insofern ist da die Weltgemeinschaft gefordert, hier mit Israel zu sprechen, dass dies so nicht akzeptiert werden kann.
Degenhardt: Das heißt, man muss durchaus weitere Zwischenfälle einkalkulieren, obwohl ja der Regierungschef Olmert gesagt hat, er wolle alles tun, um dies zu verhindern?
Erler: Wir haben überhaupt keinen Grund, uns nicht auf diese Zusage zu verlassen, dass ist auf jeden Fall der Wunsch der israelischen Regierung, dass es nicht zu solchen Zwischenfällen kommt und auch nicht mehr zu solchen Zwischenfällen kommt. Aber ob das natürlich von den israelischen Streitkräften dann auch entsprechend umgesetzt wird, das wird sich zeigen. Ich glaube, hier werden wir Zeuge von einem Prozess, bei dem die israelischen Streitkräfte, die ja diese schwierige Aufgabe des Schutzes des Landes seit vielen Jahrzehnten, kann man schon sagen, allein in ihrer Verantwortung haben, sich erst noch gewöhnen müssen an diesen Prozess, der jetzt als eine Internationalisierung dieser Schutzkomponente bezeichnet werden kann. Das braucht offenbar Zeit, das ist das Gleiche wie mit den Überflügen, bis die israelischen Streitkräfte das akzeptieren und umsetzen, dass es jetzt hier eine internationale Verantwortung gibt und nicht nur ihre eigene Verantwortung.
Degenhardt: Vielen Dank für das Gespräch.