Erler: Hamas-Wahlsieg bedroht Friedensprozess
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, hat die Hamas aufgefordert, den bewaffneten Kampf einzustellen. Geschehe dies nicht, werde die palästinensische Regierung keine EU-Finanzhilfen mehr erhalten, sagte der SPD-Politiker. Es werde ein langer Weg sein, bis die Hamas von ihren alten Zielen und Grundsätzen abweiche.
Sagenschneider: Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass die Hamas sich auf solche Bedingungen einlässt?
Erler: Ich glaube schon, dass es so sein wird, wie Außenminister Steinmeier gesagt hat: Das wird noch ein langer Weg sein. Denn man kann sich eigentlich nicht vorstellen, dass sich jemand über Nacht völlig wandelt. Und das müsste die Hamas schon machen. Denn bisher hat sie das Existenzrecht Israels geleugnet, hatte zahlreiche Selbstmordattentäter auf den Weg geschickt und hat eben diese Kassam-Brigaden, also welche, die versuchen, mit Gewalt das Problem zu lösen. Und das sind alles nicht die Attribute, die wir verbinden mit einer demokratisch gewählten Regierung.
Sagenschneider: Sie sagten, dass der Wandel vom Saulus zum Paulus dauert in der Regel einige Zeit. Das war bei Fatah ja auch nicht anders. Was macht man denn in der Zwischenzeit?
Erler: Ja, wahrscheinlich wird man sehr deutlich machen, dass die Vorteile, dass die Chancen, dass die Ausstattung und eben auch die Zusammenarbeit und letztlich die Frage des Friedensprozesses in dem Land nun tatsächlich fast alleine davon abhängen, wie sich Hamas weiter entwickelt und ob wir damit rechnen können, dass aus der neuen Verantwortung heraus, als mit absoluter Mehrheit gewählte Vertretung des palästinensischen Volkes in dem palästinensischem Legislativrat, wie das Parlament heißt, nun einfach etwas Neues entsteht. Also eine Partei, die der Gewalt abschwört, die das Existenzrecht Israels anerkennt, die bereit ist, den Friedensprozess fortzusetzen - das sind die drei entscheidenden Fragen.
Sagenschneider: Die Europäische Union ist ja der größte Geldgeber, was die palästinensischen Gebiete anbelangt. Ist man sich einig in der EU, dass diese Quelle versiegen soll, wenn die Hamas nicht auf Friedenskurs einbiegt?
Erler: Zumindest ist es das, was vorher schon Sprecher der EU gesagt haben: Dass es hier eine Konditionalität gibt. Und ich bin eigentlich ziemlich sicher, dass es anders auch gar nicht sein kann. Stellen Sie sich mal vor: Es geht Gewalt von der Hamas aus, bei der auch zum Beispiel israelische Menschen ums Leben kommen - das ist ja in der Vergangenheit so gewesen - und dann wird das deutlich, dass das auch noch durch die internationale Gemeinschaft mit einem großen Anteil der EU finanziert ist. Das kann man sich nicht vorstellen. Insofern wird es, glaube ich, keine Änderungen an dieser schon angekündigten Konditionalität geben.
Sagenschneider: Und Sie rechnen damit, dass das auch ein Druckmittel ist, das wirken wird?
Erler: Das weiß ich nicht. Das erhofft man sich natürlich, dass die verschiedenen Momente des Drucks, die da ausgeübt werden, doch eine Wirkung haben. Es ist ja schon deutlich geworden, dass der amerikanische Präsident in diese Richtung Bedingungen gestellt hat, der gesagt hat: Hamas ist kein Verhandlungspartner, wenn sie nicht der Gewalt abschwören. Und das ist so, im Grunde genommen, der Tenor der Weltgemeinschaft.
Sagenschneider: Und das beträfe auch die zahlreichen einzelnen Projekte, die Deutschland ja in den palästinensischen Gebieten mitfördert, von Schulen bis hin zu sozialen Einrichtungen?
Erler: Das ist jetzt sicherlich nicht schon der geeignete Zeitpunkt, hier jede einzelne Frage von Unterstützung zu klären. Und gerade, wenn man das Soziale nimmt und wenn man auch die Existenzmöglichkeiten der ja sehr stark verarmten palästinensischen Bevölkerung nimmt, dann, denke ich, wird man sicher versuchen, da Unterschiede zu machen. Aber alles das, was über sozusagen die Zentrale der palästinensischen Autonomie fließt - und das ist der größte Teil -, steht jetzt sicherlich in der Debatte.
Sagenschneider: Aber das ist ja die schwierige Frage: Wir haben eine Hamas, der möglicherweise ein bisschen Zeit gegeben werden muss; wir haben palästinensische Gebiete, die dringend das Geld brauchen. Also, wie viel Zeit gibt man einer Hamas, sich zu wandeln und zu sagen: Okay. Kriegen die bis dahin das Geld oder nicht?
Erler: Ja, ich glaube, dass es nicht nur alleine eine Geldfrage ist. Ich glaube, es ist jetzt vor allen Dingen eine Frage, wie geschlossen und deutlich die internationale Gemeinschaft auftritt. Und da gibt es erste Zeichen und es gibt auch dann erste Anlässe - am nächsten Montag gibt es ein EU-Außenministertreffen und gleichzeitig auch ein Treffen des "Quartetts", das würde heißen: USA, Vereinte Nationen, EU und Russland - und ich denke, dass das für Hamas sehr eindrucksvoll werden wird, wenn hier alle diese Teilnehmer des Quartetts oder vielleicht auch die europäischen Außenminister alle in die gleiche Richtung sich äußern und sich verständigen. Ich glaube, dass das mindestens so wirksam ist - politisch wirksam ist - wie die Frage der Mittel.
Sagenschneider: Also, alle reden jetzt erst mal sozusagen über die Hamas. Ist es denn noch zu früh, mit Hamas selbst jetzt schon Gespräche zu beginnen? Ich frage das deshalb, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel ja am Sonntag nach Israel reisen und auch in die palästinensischen Gebiete fahren will.
Erler: Ich kann natürlich dem Programm der Bundeskanzlerin hier in keiner Weise vorweggreifen. Aber ich denke, das ist natürlich ein Moment, wo auch noch gar nicht klar ist, wer denn an Persönlichkeiten hier welche Funktion und welche Verantwortung übernimmt. Insofern ist es ja schon eine große Schwierigkeit, zu entscheiden, mit wem man überhaupt reden kann.
Sagenschneider: Was, Herr Erler, erwarten Sie in dieser Situation eigentlich von Israel? Die israelische Regierung hat ja schon angekündigt, dass sie sich nun, nachdem die Hamas die Wahlen gewonnen hat, nicht mehr an die Vereinbarung mit den Palästinensern gebunden fühlt.
Erler: Ja, entscheidend ist vor allen Dingen die Frage, ob Israel bereit ist, die Verhandlungen über den Friedensplan, über die "Roadmap", also um die Umsetzung dieses Friedensplans, fortzusetzen. Da gibt es Äußerungen von Herrn Olmert, dass mit Hamas keine Verhandlungen möglich sind. Aber das versteht natürlich jeder, dass sich das auf die bisherige Hamas bezieht - wobei man ja nie vergessen darf, dass in Israel zahlreiche Opfer leben, also aus Familien, die Verluste zu erleiden hatten durch Selbstmordattentate, die von Hamas organisiert worden sind. Insofern muss man da, glaube ich, sehr viel Verständnis für einen solchen Ansatz haben.
Aber das wird überhaupt erst dann wieder relevant, denke ich, wenn es doch Bewegung bei der Hamas gibt. Denn so eine Doppelrolle - mit dem einen Bein im Terrorismus, mit dem anderen demokratisch gewählt -, das kann ja überhaupt nicht gut gehen. Das kann auch wegen der Autorität, die ja die palästinensische Autonomie-Behörde beanspruchen muss, die jetzt von Hamas geleitet wird, ist ja das gar nicht vereinbar, dass bewaffnete Gruppen dann auf der anderen Seite tätig sind.
Also das wird, denke ich, letztlich auch davon abhängen: Wann und wie wird sich dieser Wandlungsprozess von Hamas, auf den die ganze Welt jetzt setzt, eigentlich tatsächlich umsetzen?
Erler: Ich glaube schon, dass es so sein wird, wie Außenminister Steinmeier gesagt hat: Das wird noch ein langer Weg sein. Denn man kann sich eigentlich nicht vorstellen, dass sich jemand über Nacht völlig wandelt. Und das müsste die Hamas schon machen. Denn bisher hat sie das Existenzrecht Israels geleugnet, hatte zahlreiche Selbstmordattentäter auf den Weg geschickt und hat eben diese Kassam-Brigaden, also welche, die versuchen, mit Gewalt das Problem zu lösen. Und das sind alles nicht die Attribute, die wir verbinden mit einer demokratisch gewählten Regierung.
Sagenschneider: Sie sagten, dass der Wandel vom Saulus zum Paulus dauert in der Regel einige Zeit. Das war bei Fatah ja auch nicht anders. Was macht man denn in der Zwischenzeit?
Erler: Ja, wahrscheinlich wird man sehr deutlich machen, dass die Vorteile, dass die Chancen, dass die Ausstattung und eben auch die Zusammenarbeit und letztlich die Frage des Friedensprozesses in dem Land nun tatsächlich fast alleine davon abhängen, wie sich Hamas weiter entwickelt und ob wir damit rechnen können, dass aus der neuen Verantwortung heraus, als mit absoluter Mehrheit gewählte Vertretung des palästinensischen Volkes in dem palästinensischem Legislativrat, wie das Parlament heißt, nun einfach etwas Neues entsteht. Also eine Partei, die der Gewalt abschwört, die das Existenzrecht Israels anerkennt, die bereit ist, den Friedensprozess fortzusetzen - das sind die drei entscheidenden Fragen.
Sagenschneider: Die Europäische Union ist ja der größte Geldgeber, was die palästinensischen Gebiete anbelangt. Ist man sich einig in der EU, dass diese Quelle versiegen soll, wenn die Hamas nicht auf Friedenskurs einbiegt?
Erler: Zumindest ist es das, was vorher schon Sprecher der EU gesagt haben: Dass es hier eine Konditionalität gibt. Und ich bin eigentlich ziemlich sicher, dass es anders auch gar nicht sein kann. Stellen Sie sich mal vor: Es geht Gewalt von der Hamas aus, bei der auch zum Beispiel israelische Menschen ums Leben kommen - das ist ja in der Vergangenheit so gewesen - und dann wird das deutlich, dass das auch noch durch die internationale Gemeinschaft mit einem großen Anteil der EU finanziert ist. Das kann man sich nicht vorstellen. Insofern wird es, glaube ich, keine Änderungen an dieser schon angekündigten Konditionalität geben.
Sagenschneider: Und Sie rechnen damit, dass das auch ein Druckmittel ist, das wirken wird?
Erler: Das weiß ich nicht. Das erhofft man sich natürlich, dass die verschiedenen Momente des Drucks, die da ausgeübt werden, doch eine Wirkung haben. Es ist ja schon deutlich geworden, dass der amerikanische Präsident in diese Richtung Bedingungen gestellt hat, der gesagt hat: Hamas ist kein Verhandlungspartner, wenn sie nicht der Gewalt abschwören. Und das ist so, im Grunde genommen, der Tenor der Weltgemeinschaft.
Sagenschneider: Und das beträfe auch die zahlreichen einzelnen Projekte, die Deutschland ja in den palästinensischen Gebieten mitfördert, von Schulen bis hin zu sozialen Einrichtungen?
Erler: Das ist jetzt sicherlich nicht schon der geeignete Zeitpunkt, hier jede einzelne Frage von Unterstützung zu klären. Und gerade, wenn man das Soziale nimmt und wenn man auch die Existenzmöglichkeiten der ja sehr stark verarmten palästinensischen Bevölkerung nimmt, dann, denke ich, wird man sicher versuchen, da Unterschiede zu machen. Aber alles das, was über sozusagen die Zentrale der palästinensischen Autonomie fließt - und das ist der größte Teil -, steht jetzt sicherlich in der Debatte.
Sagenschneider: Aber das ist ja die schwierige Frage: Wir haben eine Hamas, der möglicherweise ein bisschen Zeit gegeben werden muss; wir haben palästinensische Gebiete, die dringend das Geld brauchen. Also, wie viel Zeit gibt man einer Hamas, sich zu wandeln und zu sagen: Okay. Kriegen die bis dahin das Geld oder nicht?
Erler: Ja, ich glaube, dass es nicht nur alleine eine Geldfrage ist. Ich glaube, es ist jetzt vor allen Dingen eine Frage, wie geschlossen und deutlich die internationale Gemeinschaft auftritt. Und da gibt es erste Zeichen und es gibt auch dann erste Anlässe - am nächsten Montag gibt es ein EU-Außenministertreffen und gleichzeitig auch ein Treffen des "Quartetts", das würde heißen: USA, Vereinte Nationen, EU und Russland - und ich denke, dass das für Hamas sehr eindrucksvoll werden wird, wenn hier alle diese Teilnehmer des Quartetts oder vielleicht auch die europäischen Außenminister alle in die gleiche Richtung sich äußern und sich verständigen. Ich glaube, dass das mindestens so wirksam ist - politisch wirksam ist - wie die Frage der Mittel.
Sagenschneider: Also, alle reden jetzt erst mal sozusagen über die Hamas. Ist es denn noch zu früh, mit Hamas selbst jetzt schon Gespräche zu beginnen? Ich frage das deshalb, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel ja am Sonntag nach Israel reisen und auch in die palästinensischen Gebiete fahren will.
Erler: Ich kann natürlich dem Programm der Bundeskanzlerin hier in keiner Weise vorweggreifen. Aber ich denke, das ist natürlich ein Moment, wo auch noch gar nicht klar ist, wer denn an Persönlichkeiten hier welche Funktion und welche Verantwortung übernimmt. Insofern ist es ja schon eine große Schwierigkeit, zu entscheiden, mit wem man überhaupt reden kann.
Sagenschneider: Was, Herr Erler, erwarten Sie in dieser Situation eigentlich von Israel? Die israelische Regierung hat ja schon angekündigt, dass sie sich nun, nachdem die Hamas die Wahlen gewonnen hat, nicht mehr an die Vereinbarung mit den Palästinensern gebunden fühlt.
Erler: Ja, entscheidend ist vor allen Dingen die Frage, ob Israel bereit ist, die Verhandlungen über den Friedensplan, über die "Roadmap", also um die Umsetzung dieses Friedensplans, fortzusetzen. Da gibt es Äußerungen von Herrn Olmert, dass mit Hamas keine Verhandlungen möglich sind. Aber das versteht natürlich jeder, dass sich das auf die bisherige Hamas bezieht - wobei man ja nie vergessen darf, dass in Israel zahlreiche Opfer leben, also aus Familien, die Verluste zu erleiden hatten durch Selbstmordattentate, die von Hamas organisiert worden sind. Insofern muss man da, glaube ich, sehr viel Verständnis für einen solchen Ansatz haben.
Aber das wird überhaupt erst dann wieder relevant, denke ich, wenn es doch Bewegung bei der Hamas gibt. Denn so eine Doppelrolle - mit dem einen Bein im Terrorismus, mit dem anderen demokratisch gewählt -, das kann ja überhaupt nicht gut gehen. Das kann auch wegen der Autorität, die ja die palästinensische Autonomie-Behörde beanspruchen muss, die jetzt von Hamas geleitet wird, ist ja das gar nicht vereinbar, dass bewaffnete Gruppen dann auf der anderen Seite tätig sind.
Also das wird, denke ich, letztlich auch davon abhängen: Wann und wie wird sich dieser Wandlungsprozess von Hamas, auf den die ganze Welt jetzt setzt, eigentlich tatsächlich umsetzen?