Erkenntnisse aus Studien in Hotels

Sozialer Druck erhöht umweltbewusstes Verhalten

Saubere, gerollte Handtücher auf einem Bett bei Gegenlicht
"Sie können der Umwelt helfen, indem Sie Ihre Handtücher aufhängen und wieder verwenden", solche Hinweise finden sich mittlerweile in vielen Hotels. © imago/CHROMORANGE/Andreas Poertner
Von Karoline Knappe · 13.12.2018
Es ist nicht so einfach, sich umweltbewusst durch den Alltag zu lotsen. Was kann uns dabei helfen? Das fragen sich Psychologen und Wirtschaftsinformatiker schon seit längerem – und nutzen für ihre Feldstudien einen ganz besonderen Ort: Hotels.
"Wir sind hier im Leipzig Mariott-Hotel, im Zimmer 603, das ist ein Business-Zimmer und das ist ein Executive-Zimmer, das heißt für unsere VIP-Gäste ausgesprochen schon vorbereitet."
… erklärt Ursula Winter, die Hausdame des Mariott. Auf dem breiten Bett liegen Bademantel und Hausschuhe schon bereit, extra für die VIPs.
"Ansonsten sind unsere Zimmer eigentlich alle gleich ausgestattet..."
Und damit das ideale Forschungslabor für Wirtschaftsinformatiker Thorsten Staake und seine Kollegen. Gemeinsam mit Forschern der ETH Zürich wollte er herausfinden, welche Hilfsmittel die Gäste eines Hotels dazu bringen, beim Duschen Energie und Wasser zu sparen – auch wenn sie selbst nicht direkt finanziell davon profitieren.
"Wir haben dazu die Duschen von sechs Hotels mit einer kleinen Anzeige ausgestattet, die direkt in der Dusche den Wasser- und Energieverbrauch anzeigt. Und das recht einfach in Litern und Kilowattstunden für jede einzelne Wasserentnahme und bereits während die Person duschte und nicht erst danach."
Dass ein solches Live-Feedback dabei hilft, Energie zu sparen, wussten die Forscher schon aus vorangegangenen Studien. Aber da zogen die Teilnehmer immer einen persönlichen finanziellen Nutzen aus ihrem Verhalten und sie wussten, dass sie an einer Studie teilnahmen. Ein Vorteil der Hotel-Studie, in der sie die Anzeige einfach in ihrem Zimmer vorfanden.
"Sowas haben wir nicht."
Sagt Hausdame Ursula Winter.

Duschen eignet sich besonders gut als Experimentierfeld

Beim Duschen denken nur wenige an Umweltschutz. Dabei braucht eine Minute unter der Dusche mehr Energie, als ein Drei-Personen-Haushalt pro Tag für die Beleuchtung verwendet!
Deshalb hat sich das Duschen auch so sehr als Experimentierfeld für Thorsten Staake und Kollegen angeboten. Und die Effekte sind riesig: Zwölf Prozent weniger Wasser und Energie verbrauchten die Gäste im Schnitt.
Aber wie lässt sich ein so hoher Effekt erklären?
"Sie sehen beim Duschen, dass der Zähler hoch geht. Es wird also Ihnen bewusst gemacht, dass während der schönen Aktivität auch Wasser, auch Energie verbraucht wird. Und das führt dann zu einem bewussteren Verhalten."
Die Möglichkeit, direkt Einfluss zu nehmen, scheint besonders wichtig zu sein. Denn bekommen die Duschenden den Verbrauch erst nach dem Duschen angezeigt, wird der Effekt deutlich geringer.
Aber auch soziale Normen könnten einen Einfluss auf das Verhalten der Hotelgäste gehabt haben, meint Immo Fritsche, Sozialpsychologe an der Universität Leipzig.
"Wir fahren in unserem Alltag in 99 Prozent der Zeit auf Autopilot mental. Das heißt, wir haben überhaupt nicht die Möglichkeit, alle Details von Lebenssituationen zu gewichten und in bewusste Entscheidungen über unsere Verhaltensweisen einfließen zu lassen."
Deshalb orientieren wir uns an dem, was andere machen. Das hat sich der amerikanische Sozialpsychologe Jeffrey Goldstein und Kollegen in einer anderen Hotel-Studie zunutze gemacht. Er wollte wissen, unter welchen Bedingungen die Gäste bereit wären, ihr Handtuch häufiger mehrmals benutzen.
"Wir haben hier zum Beispiel im Bad ein Schild stehen: 'Sie können der Umwelt helfen, indem Sie Ihre Handtücher aufhängen und wieder verwenden. Auf Wunsch tauschen wir Ihre Handtücher gern aus'..."
So oder so ähnlich sieht die Realität in den meisten Hotels aus.

Hotel-Studien lassen sich auf normale Haushalte übertragen

"Amerikanische Kollegen haben nun variiert, was auf diesen Schildern steht, welche weiteren Hinweise, also ob dort eben nur zu lesen ist: 'Ja, benutze Dein Handtuch ein weiteres Mal, tu was für die Umwelt', oder ob es ergänzende Hinweise darüber gab, was denn andere Personen tun."
Wenn dort aber vermerkt war, dass 75 Prozent der anderen Hotelgäste ihr Handtuch mehrmals benutzt hatten, förderte es das umweltfreundliche Verhalten der Probanden erheblich.
"Und dieser Effekt konnte sogar noch gesteigert werden in einer Versuchsbedingung, in der auf diesem Kärtchen vermerkt war, dass nicht nur die Mehrheit der Hotelgäste ihr Handtuch doppelt verwendet hat, sondern die Mehrheit der Gäste, die in diesem Zimmer gewohnt haben, habe also ihr Handtuch mehrmals benutzt, und das führte zu einer nochmaligen Steigerung der umweltfreundlichen Handtuchnutzung."
Die Erkenntnisse aus den Hotel-Studien lassen sich auf normale Haushalte übertragen. Wirtschaftsinformatiker Thorsten Staake konnte in früheren Studien zeigen, dass mithilfe der Verbrauchsanzeige in Echtzeit in Haushalten 25 Prozent weniger Warmwasser verbraucht wurden als zuvor. 450 Kilowattstunden pro Jahr und Haushalt können so eingespart werden.
"Ja, wenn es einen so großen Effekt hat, dann bin ich gern dabei, da hab ich keine Probleme damit."
Sagt auch Ursula Winter vom Mariott.
"Aber es muss natürlich auch erst einmal finanziert werden, so eine Sache. Für 231 Zimmer ist das nicht so einfach."
Laut der Studie von Thorsten Staake und Kollegen lohnt sich die Investition. Und zwar nicht nur für die Umwelt.
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