Erinnerung an einen berühmten Künstler

Von Thomas Migge |
Der wohl berühmteste metaphysische Maler Italiens im 20. Jahrhundert lebte in den letzten drei Stockwerken eines Hauses aus dem 18. Jahrhundert. Eine Wohnung, die nach einer Restaurierung nun auch wieder von Kunstfreunden besucht werden kann.
"Man sagt, dass Rom das Zentrum der Welt und dass die spanische Treppe das Zentrum Roms sei. Wenn das stimmt, dann lebe ich im Zentrum der Welt, was ich sehr exzentrisch und erschreckend finde."
Mit diesen Worten kommentierte Giorgio de Chirico kurz vor seinem Tod 1978 die geographische Lage seiner römischen Wohnung. Eine der schönsten Penthouse-Suiten der ewigen Stadt, direkt bei der besagten Barocktreppe und bei dem Haus, in dem die englischen Dichter Keats und Shelley residiert hatten. Der wohl berühmteste metaphysische Maler Italiens im 20. Jahrhundert lebte in den letzten drei Stockwerken eines Hauses aus dem 18. Jahrhundert.

Eine Wohnung, die jetzt endlich wieder, nach einer aufwendigen Restaurierung, von Kunstfreunden besucht werden kann. Dazu die an der römischen Hochschule lehrende Kunsthistorikerin Ada Margenta:

"Er wollte sich in dieser Wohnung einen Ort der Meditation schaffen. Einen absoluten Rückzugsort. Je berühmter de Chirico wurde, weltweit, umso mehr zog er sich in sein Privatleben und in sein Kunstschaffen zurück. Die Wohnung bringt das deutlich zum Ausdruck."

Die ehemalige Wohnung von Giorgio de Chirico wurde originalgetreu rekonstruiert. Das Resultat ist nicht einfach nur eine Gedenkstätte für einen der wichtigsten italienischen Maler des letzten Jahrhunderts - der den in Italien entstandenen Malstil des Futurismus während des Faschismus in eine dezidiert metaphysische und nur schwer zu interpretierende Richtung führte, dabei dem Spanier Salvatore Dalì nicht unähnlich.

De Chiricos Gemälde wirken ungemein bühnenhaft und auch wenn er Menschen darstellt, hat der Betrachter immer wieder den Eindruck, als habe der Künstler die absolute Leere darstellen wollen. Die "Casa de Chirico", so der offizielle Name der Wohnung an der spanischen Treppe, ist ein Museum. Mit rund 100 Gemälden und Zeichnungen des Malers.

Beim Rundgang durch die Wohnung hat man den Eindruck, dass der Maler und seine Frau jeden Moment durch eine der Türen eintreten könnten. Auf einem kleinen Tisch bei einem Sofa steht sogar eine gefüllte Sherry-Karaffe mit Gläsern bereit - wie um mögliche Gäste zu einem Drink einzuladen.

Ada Margenta: "Dem Besucher soll verdeutlicht werden, wie eng der klassische Wohnstil, mit den antiquarischen Möbeln, den Skulpturen aus verschiedenen Jahrhunderten, den schweren Damastvorhängen und so weiter, mit dem Malstil des Künstlers in Einklang steht. Er war ein Revolutionär in der Malerei, aber er blieb traditionell bildlich, realistisch, überhöhte die von ihm empfundene Realität lediglich in einen metaphysischen Raum. Interessant ist, dass er aus seinem Studio keinen Blick auf Rom haben wollte, jene Stadt, die er als magisch bezeichnete."

Im letzten Stockwerk der Wohnung kann auch das Malstudio de Chiricos besichtigt werden. Ein an seinen Wänden fensterloser Raum. Nur durch ein großes Dachfenster kommt das Licht. Die Staffelei, die vielen Pinsel, die Farben, das Durcheinander: alles wurde so belassen wie es zu seinen Lebzeiten war. Er wurde einmal gefragt, warum sein Studio keine Fenster mit Blick auf die Kuppeln und Dächer Roms habe. "Man muss das malen", so de Chiricos Antwort, "was man nicht sieht".

Unter den in der "Casa de Chirico" ausgestellten Gemälden, nur ein Teil des Besitzes der gleichnamigen Stiftung, die nach dem Tod des Malers geschaffen wurde, befinden sich einige seiner Meisterwerke. Darunter zahlreiche Stillleben mit Früchten und antiken Skulpturen – so an den Wänden angeordnet, wie der Künstler es zu seinen Lebzeiten expliziet vorgeschrieben hatte.

So hängen die Obstbilder im Speisezimmer und die Frauenporträts in den Salons. Eines der Gemälde zeigt den Meister selbst - in barocken Gewändern, in die er sich gern kleidete. Einige Porträts stellen Isabella Farr dar, die Ehefrau de Chiricos und seine wohl beste Managerin.

In der "Casa de Chirico" wird der Besucher auch über den schwierigen Umgang des Malers mit den linken Intellektuellen und Politikern seines Heimatlandes informiert.

Ada Margenta: "Zeitweise gab es auch böse Reaktionen gegen diesen großen Künstler. Nachdem er zum Beispiel, eine außergewöhnliche Auszeichnung für einen Ausländer, in die Academie francaise aufgenommen wurde, das war 1974, beglückwünschte ihn in Italien niemand dazu. Als er 1978 starb weigerte sich Giulio Carlo Argan, einer der wichtigsten italienischen Kunsthistoriker und Roms Bürgermeister, an der Beerdigung teilzunehmen. De Chirico war als Mensch und Künstler für viele nur schwer auf einen Nenner zu bringen."

Bis heute wird Giorgio de Chirico von vielen italienischen Linksintellektuellen vorgeworfen kein entschiedener Gegner des Faschismus gewesen zu sein. Er kümmerte sich nie um diese Kritik. Er malte und residierte in seiner Wohnung an der spanischen Treppe, las so gut wie nie Zeitungen und ging nur selten aus. Doch jeden Morgen verließ er kurz seine Wohnung - um im berühmten Cafè Greco, gleich um die Ecke, in dem auch Goethe verkehrt hatte, einen Cappuccino zu trinken und ein Cornetto, ein Hörnchen zu essen.