Erinnerung an alte Hippiezeiten

Von Ralf bei der Kellen · 14.05.2011
Die musikalische Legende Cat Stevens kehrt auf die Bühne zurück. Seit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Musikbetrieb hat er für viele Kontroversen gesorgt - vor allem wegen seiner Konversion zum Islam 1978.
Sein Vater war griechisch-orthodoxer Zypriot, seine Mutter war schwedische Baptistin, und einer seiner größten Erfolge als Sänger war eine christliche Hymne. Cat Stevens, geboren 1948 als Steven Demetre Georgiou, hatte viele spirituelle Einflüsse zu verarbeiten.

Der junge Steven wächst im Londoner Bohème-Stadteil Soho auf, wo er eine römisch-katholische Schule besucht. Im Jahr 1963 begeistert er sich wie viele seiner Altersgenossen für die Beatles, kauft sich eine Gitarre, schreibt seine ersten Songs. Mit 18 unterzeichnet er einen Plattenvertrag und gerät in die Mühlen des Showbusiness. Über diese Zeit sagte er 2004 in einem Interview:

"Ich trank viel und tat eine Menge Dinge, die ich nicht hätte tun sollen."

1969 erkrankt Cat Stevens lebensgefährlich an Tuberkulose. In den neun Monaten der Rekonvaleszenz liest er ein Buch des britischen Philosophen und Mystikers Paul Brunton, das ihn mit dem Buddhismus in Kontakt bringt. Er zieht zurück zu seinen Eltern, beginnt zu meditieren und entwickelt einen spirituellen Lebensstil – was ihn aber nicht von seinem ursprünglichen Ziel abbringt, das große Geld zu verdienen und einen Top-Hit zu landen.

"Ich glaubte an Gott, aber ich glaubte auch daran, meinem eigenen Herzen zu folgen."

1972 wird sein Album "Catch Bull At Four" in den USA Nummer eins in den Charts. Cat Stevens ist ein Superstar. Doch ein Tag im Jahr 1975 verändert alles:

"Ich besuchte einen Freund in seinem Strandhaus in Malibu, Kalifornien. Ich sprang ins Meer. Nachdem ich eine Weile geschwommen war, wollte ich zurück zum Strand. Und plötzlich verließen mich meine Kräfte und ich dachte: Jetzt stirbst Du! Da rief ich: Gott! Wenn Du mich jetzt rettest, werde ich für Dich arbeiten! Ich wusste, dass niemand sonst mir in diesem Moment helfen konnte. All die Menschen, die mich jemals respektiert und bewundert hatten, waren nirgends. Nur Gott konnte mich hören. Und plötzlich kam diese kleine Welle von hinten und schob mich vorwärts."

Sein Bruder, bereits zum Islam konvertiert, gibt Stevens einen Koran. Dessen Lektüre hilft ihm nach eigenen Worten, sich von seinem Ego zu distanzieren und vermittelt ihm ein tiefes Gefühl des Friedens. 1977 konvertiert er, 1979 spielt er zum letzen Mal vor Publikum.

Yusuf Islam, wie er sich seit 1978 nennt, distanziert sich von der Musik, nicht, weil der Koran es verbietet, sondern weil er das Gefühl hat, dass das Gebaren des Showbusiness mit seiner neuen Identität unvereinbar ist. Er trifft eine Familie in der Moschee, fühlt sich zu einer ihrer Töchter hingezogen und bittet um Erlaubnis, sie heiraten zu dürfen. Abgesehen von der Gründung einer muslimischen Schule im Norden Londons, der bald weitere folgen, führt er fortan das Leben eines muslimischen Familienvaters, von der Öffentlichkeit kaum beachtet.

Bis zum Jahr 1989, als Yusuf Islam im britischen Fernsehen an einer Talkrunde teilnimmt, in der es um die Fatwa geht, die der spirituelle Führer des Iran, der Ayatollah Khomeini, über den Autor des Romans "Die Satanischen Verse" Salman Rushdie verhängt hatte – worin er faktisch Rushdies Ermordung verlangte.

Geoffrey Robertson: "You don't think that this man deserves to die?"
Yusuf Islam: "Who, Salman Rushdie?"
Geoffrey Robertson: "Yes."
Yusuf Islam: "Yes, yes."

Yusuf Islams positive Antwort auf die negativ gestellte Frage nach der Rechtmäßigkeit der Todesstrafe könnte man hier noch als Missverständnis deuten. Später in derselben Sendung äußerte sich der ehemalige Popstar allerdings recht eindeutig.

Geoffrey Robertson: "Yusuf Islam, würden Sie an einer Demonstration teilnehmen, von der Sie wüssten, dass dort ein Abbild des Autors verbrannt wird?"
Yusuf Islam: "Ich hätte gehofft, dass es sich dabei um 'das echte Ding' handelt, aber wenn es nur ein Abbild ist, dann glaube ich nicht, dass mich das bewegen könnte, dort hinzugehen."

Auf seiner Webseite kommentiert der Sänger die Anschuldigung, er habe den Mordaufruf unterstützt, folgendermaßen:

"Ich habe nie den Tod von Salman Rushdie gefordert, noch habe ich die Fatwa von Ayatollah Khomeini unterstützt – und tue dies bis heute nicht. Das Buch hat die Harmonie zwischen den Völkern zerstört und eine unnötige internationale Krise verursacht. Als ich nach meiner Meinung zur Blasphemie gefragt wurde, konnte ich nicht lügen. Ich bestätigte, dass der Koran – genau wie die Torah und das Evangelium – sie als nicht wiedergutzumachendes Kapitalverbrechen begreift. In der Bibel findet man eine Menge solcher strengen Gesetze, wenn man nach ihnen sucht. Allerdings dürfen solche Vorschriften aus der Bibel oder dem Koran nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie nicht außerhalb des geltenden Rechts stehen, also nur in Ländern, in denen solche Gesetze von der gesamten Gesellschaft anerkannt und angewandt werden."

In den 1990er Jahren findet Islam zur Musik zurück; zunächst nur als Sänger von vier Stücken auf dem Hörbuch "The Life Of The Last Prophet", einer Biografie des Propheten Mohammed. 2006 erscheint unter dem Namen "Yusuf" wieder ein reines Musikalbum "An Other Cup". Er erspielt Geld für bosnische Wohltätigkeitsorganisationen wie auch für Kinder im Gazastreifen. Nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn 2005 beruft ihn die britische Regierung in ein Beraterteam zur Bekämpfung von islamischem Extremismus. 2009 wird er mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis für sein humanitäres Engagement ausgezeichnet. Im März 2011 erscheint die Gratis-Download-Single "My People", die sich mit den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in der arabischen Welt Anfang 2011 auseinandersetzt.

Salman Rushdie allerdings stellt nach einem großen Medienauftritt Yusufs im Oktober 2010 klar, dass dieser in seinen Augen kein guter Mensch sei: "He’s not a good guy". Vielen anderen gilt der humanitär engagierte Sänger mit seinen Liedern, die an alte Hippiezeiten erinnern, dagegen als prominenter Mittler zwischen dem Islam und anderen Religionen.