Erich Kästner

Zwischen allen Stühlen

Undatiertes Archivbild eines nachdenklichen Erich Kästners. Er war ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist, der vor allem für seine Kinderbücher (z. B. "Emil und die Detektive", "Das doppelte Lottchen")bekannt wurde.
Der Arme-Leute-Sohn aus Dresden schaffte den Aufstieg zum weltberühmten Schriftsteller in den wilden 20er Jahren. © picture alliance / dpa
Mit Udo Samel |
Er sei "ein Gebinde aus Gänseblümchen, Orchideen, sauren Gurken, Schwertlilien, Makkaroni und Schnürsenkeln", sagte Erich Kästner von sich selbst.
Vom bissigen Satiriker über den ausschweifenden Bohémien und Frauenhelden, vom glänzenden Unterhaltungsautor der 30er-Jahre zum prophetischen Mahner, vom Moralisten und braven Sohn einer dominanten Mutter zum engagierten Kinderbuchautor reichen die schillernden Facetten seiner Persönlichkeit. Der Arme-Leute-Sohn aus Dresden schaffte den Aufstieg zum weltberühmten Schriftsteller in den wilden 20er-Jahren, erhielt Berufsverbot unter den Nazis und gründete nach dem Krieg zwei sehr erfolgreiche Kabaretts in München.
Seit Kästner liest man wieder Gedichte, hieß es nach dem Erscheinen seiner ersten Bände "Herz auf Taille" (1928), "Lärm im Spiegel" (1929) oder "Gesang zwischen den Stühlen" (1932). Kein Wunder: Kästners Verse sind leicht lesbar, ohne damit zur trivialen Herz-Schmerz-Reimerei zu verkommen. Und - man kann sie singen, seine Verse.

Zum 40. Todestag von Erich Kästner wiederholen wir diese Sendung mit Udo Samel und dem Berliner Kabarettensemble Tingeltangel.
Eine heiter-melancholische Radiorevue über einen Mann, der das Militär hasste, die Frauen begehrte und seine Mutter liebte; über einen Schriftsteller, der von den Lesern verehrt und den meisten Kritikern geschmäht wurde. Ein Schriftsteller, der es wagte, der Verbrennung seiner Bücher durch die Nazis am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz beizuwohnen. Die Lange Nacht über Erich Kästner mit Udo Samel und dem Berliner Kabarett-Ensemble Tingeltangel.
"Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen.
Mich lässt die Heimat nicht fort.
Ich bin wie ein Baum, der - in Deutschland gewachsen - Wenn’s sein muss, in Deutschland verdorrt." (Erich Kästner: Notwendige Antwort auf überflüssige Fragen)
"Erich Kästner ist ein wehmütiger Satiriker und augenzwinkernder Skeptiker… Er, der Autor düsterer und bitterer Gedichte, war in Wirklichkeit Deutschlands hoffnungsvollster Pessimist und der deutschen Literatur positivster Negationsrat. Er wurde schnell berühmt und nie ganz anerkannt. Ob in Versen oder in Prosa - er drückte sich immer einfach und leicht aus. Also befürchtete man, er sei einfältig und ungewichtig. Was er zu sagen hatte, war immer ganz klar. Also vermisste man die Tiefe. Er war witzig, also nahm man ihn nicht ganz ernst. Er hatte Anmut und Charme. Also hielt man ihn für etwas unseriös. Er war sehr erfolgreich, ja er wurde - wie seine Zeitgenossen Tucholsky und Ringelnatz, Fallada und Zuckmayer - ein typischer Volksschriftsteller. Also misstraute man ihm …" (Marcel Reich-Ranicki)
"Dass wir wieder werden wie Kinder, ist eine unerfüllbare Forderung. Aber wir können zu verhüten versuchen, dass die Kinder so werden wie wir… Wahr ist eine Geschichte dann, wenn sie genauso, wie sie berichtet wird, wirklich hätte passieren können." (Erich Kästner)
"Kästner schuf Ende der zwanziger Jahre einen neuen Kindertyp als Held seiner Bücher, der selbstbewusst, klug und zupackend sein eigenes Leben vernünftig und furchtlos eingerichtet hat und damit das Ideal des gehorsamen, braven Kindes aus der Kinderliteratur des 19. Jahrhunderts ablöste. Durch den Verlauf der erzählten Geschichten mit positivem Ausgang machte er den Kindern Mut und Freude." (Klaus Doderer)
"Kästner wollte wirken, und darum wollte er gelesen werden; er hat gesagt, was mancher gedacht und keiner zu sagen gewagt hat. Kästner, der Mann zwischen den Stühlen, der zu keiner Partei gehört hat und immer Partei ergriff, ein Zuschauer im Parkett des Alltags, ein eigenwilliger Abonnent im Theater der Welt, ein entschlossener Individualist, wurde nicht zufällig 1951, nach dem verlorenen Krieg der Deutschen Autor und Präsident des deutschen P.E.N.-Clubs, dieser Vereinigung deutscher Autoren, die ihre Mitglieder nach gewissen Prinzipien ausgewählt hatten, nach universalen Prinzipien." (Hermann Kesten)
"Er war wirklich ein Gebrauchsschriftsteller, wenn man das als Lob verstehen will: Was er schrieb, wurde gebraucht. Er holte die Poesie auf die Erde zurück, holte sie auf die Straßen der Städte. Kästner wär ein Großstadtpoet, etwas, was es in dieser Art und Klasse so nie gegeben hatte. Er konnte für Kinder schreiben, ohne sich klein zu machen. Er war nach Theodor Storm der erste und einzige Schriftsteller von Ruhm, der sich der Kinder annahm und sie herrlich unterhielt, heimlich erzog, ins Leben einführte und besser machte"
(Friedrich Luft)
Sachliche Romanze
Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut)
Kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.
Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.
Sie gingen ins kleinste Café am Ort
Und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.
(Erich Kästner)
!!Das Erich Kästner Museum in Dresden.!! Das weltweit erste mobile interaktive micromuseum(R) ist ein modernes Stück Architektur, ein Kunstwerk an sich und ein Gebrauchsgegenstand, der die moderne, vielfältige Person und Arbeit des weltbekannten Autors, Kabarettisten, Journalisten und Medienmannes Erich Kästner widerspiegelt. Mehr
Kästner ist ein geistreicher, wenn auch enttäuschter Aufklärer, der klar und verständlich spricht, ohne dabei einfache Lösungen anzubieten. Es konnte nicht ausbleiben, dass der Journalist auch vom Kabarett -Ensemble Tingeltangel entdeckt wurde. In dieser Langen Nacht ist Musik von Tingeltangel zu hören.
Gleich mit seinen ersten beiden Büchern begründete Erich Kästner seinen Weltruhm: "Herz auf Taille" (1928) und "Emil und die Detektive" (1929). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden seine Bücher verbrannt, er erhielt Publikationsverbot, sein Werk ebenso wie zahlreiche Hörbücher erschienen in der Schweiz beim Atrium Verlag.
Die Kästner Gesellschaft hat sich die Aufgabe gestellt, die Pflege des Werks von Erich Kästner zu fördern und Aktionen, die im Sinne der aufgeklärten, sozialkritischen und der Jugend zugewandten Gedanken des Menschen- und Kinderfreundes Erich Kästner liegen, nach Kräften zu unterstützen. Das geschieht sowohl durch eigene Veranstaltungen wie durch Anregung von Lesungen, Ausstellungen, Vorträgen, Aufführungen und Publikationen anderer. Mehr
Erich Kästner
Herz auf Taille
Gedichte.
Mit Zeichn. v. Erich Ohser .
2012 Atrium Verlag
"Herz auf Taille", Erich Kästners erstes Buch, erschienen 1928, brachte ihm Erfolg und Anerkennung. Kunstvoll fügte er aus einer großen Anzahl eigener Verse, die bereits in Zeitungen erschienen waren, neunundvierzig Gedichte zu einem Mosaik gesellschaftlicher Stimmungen zusammen. So entstand eine eigenwillige, thematisch reichhaltige Komposition. Zwischen die für ihn programmatischen Gedichte "Jahrgang 1899" und "Stimmen aus dem Massengrab", mit denen er seine Auswahl beginnen lässt, stellt er andere Zeitgedichte, die in Form und Inhalt bis heute an Gültigkeit nichts eingebüßt haben.
Lyrische und groteske, ernste und heitere, realistische und fiktive Texte stehen nebeneinander, so dass leicht der Eindruck des Zufälligen entsteht. Doch weit gefehlt: Kästners Zusammenstellung unterstreicht den Zug der Zeit, die Schnelllebigkeit, die die beginnende Technisierung brachte, so dass es dieser Verse bedurfte, um auf Versäumtes und Fehlgeleitetes zu verweisen.

Erich Kästner
Über das Verbrennen von Büchern
Atrium Verlag 2013 (Neuerscheinung)
Vor 80 Jahren, am 10. Mai 1933, wurden in Berlin unter der Aufsicht von Joseph Goebbels die Werke von zahlreichen deutschen Autoren ins Feuer geworfen. Nur ein einziger dieser Autoren war dabei persönlich anwesend. Es war Erich Kästner.
Erich Kästner ist doppelter Kronzeuge der Schandtat des Bücherverbrennens: In der Nacht des 10. Mai 1933 hat er auf dem von Flammen und Scheinwerfern taghell erleuchteten Berliner Opernplatz mitansehen müssen, wie seine Bücher ins Feuer geworfen wurden - um 1965 zu erleben, dass in Düsseldorf der "Bund Entschiedener Christen" abermals seine Werke verbrannte, unter Aufsicht der Polizei und begleitet von der Presse.
"Über das Verbrennen von Büchern" versammelt erstmals vier Texte von Erich Kästner, in denen er erzählt, was 1933 - und danach wieder - geschah, wie es geschah und warum es geschah. Dieses Buch ist nicht nur ein erschütterndes Zeugnis, sondern eine Warnung und Mahnung für alle Zeit.
Erich Kästner
Der Gang vor die Hunde
Atrium Verlag 2013
"Fabian" ist Erich Kästners Meisterwerk. Doch der Roman wurde vor seinem Erscheinen verändert und gekürzt. Jetzt liegt er zum ersten Mal so vor, wie ihn Kästner geschrieben und gemeint hat - unter dem Titel, den Kästner ursprünglich vorgesehen hatte: "Der Gang vor die Hunde".
1931 lieferte Erich Kästner seinem Verlag ein Manuskript mit dem Titel "Der Gang vor die Hunde": die Geschichte des arbeitslosen Germanisten Jakob Fabian, der durch das überhitzte Berlin der späten zwanziger Jahre streift, eine Stadt, die sich politisch und erotisch im Ausnahmezustand befindet. Der junge Kästner, der freche Shootingstar der Berliner Literatur-Szene, hatte in seinem ersten Roman alle Register gezogen. Das machte seinen Roman für den Verlag zu einem Sprengsatz, den das Lektorat mit spitzen Fingern entschärfte und der dann - entgegen Kästners ursprünglicher Intention - unter dem Titel Fabian erschien. Noch in der verharmlosten Fassung galt das Buch vielen als dekadent und obszön. Kästner selbst sagte dazu: "Dieses Buch ist nichts für Konfirmanden, ganz gleich, wie alt sie sind." Vom Kästner-Experten Sven Hanuschek Wort für Wort rekonstruiert und mit einem umfassenden Nachwort versehen, bietet "Der Gang vor die Hunde" nicht nur einen faszinierenden Einblick in die Werkstatt eines der größten deutschen Autoren, sondern auch ein Leseerlebnis, das seinesgleichen sucht.
Die Kästner-Illustratoren:
Walter Trier
Zum Erfolg der Bücher Erich Kästners hat in besonderem Maße die Arbeit des Zeichners und Buchillustrators Walter Trier beigetragen. Er hat die berühmtesten Kästner-Bücher illustriert. Seine leuchtenden, farbigen Umschlag-Illustrationen und seine Zeichnungen in den Texten sind unverwechselbar; sie ergänzen den Text auf ideale Weise und strahlen zugleich Witz und Sympathie für die abgebildeten Figuren aus. Walter Trier, wurde am 25. Juni 1890 in Prag geboren. Nachdem er sein Studium an der Prager Kunstgewerbeschule wegen angeblicher Unfähigkeit abbrechen musste, wechselte er nach München, wo er unter anderem bei Franz von Stuck studierte. Ab 1909 arbeitete er für die Zeitschrift "Simplicissimus". 1910 ging er nach Berlin und wurde schon bald einer der bekanntesten Presse-Illustratoren. Er zeichnete und entwarf Titelblätter für die "Lustigen Blätter", für die "Berliner Illustrierte", die Zeitschrift "Die Dame" und das Monatsmagazin "Der Uhu". Neben seinen Arbeiten für die Presse illustrierte Walter Trier Bücher. Den endgültigen Durchbruch brachte ihm die Bekanntschaft Erich Kästner, die ihm Edith Jacobsohn, die Verlegerin des Verlages Williams & Co., vermittelte. 1936 emigrierte Walter Trier aus dem nationalsozialistischen Deutschland und zunächst nach London, wo er weiter Titelbilder, vielfach politische Zeichnungen und antifaschistische Karikaturen für englische Zeitungen und Zeitschriften zeichnete. 1947 folgte er seiner Tochter nach Kanada und war dort vorwiegend als Werbezeichner und Designer tätig. Am 8. Juli 1951 starb er in Collingwood/Kanada. Am bekanntesten von allen Buchillustrationen Walter Triers sind die unverwechselbaren Titelbilder und Illustrationen geworden, mit denen er ins-gesamt 13 Bücher von Erich Kästner ausgestattet hat. Die von Walter Trier ausgestatteten Bücher von Erich Kästner sind:
  • Emil und die Detektive
  • Pünktchen und Anton
  • Das verhexte Telefon
  • Arthur mit dem langen Arm
  • Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee
  • Das fliegende Klassenzimmer
  • Emil und die drei Zwillinge
  • Till Eulenspiegel
  • Das doppelte Lottchen
  • Der kleine Grenzverkehr
  • Die Konferenz der Tiere
  • Der gestiefelte Kater
  • Münchhausen
Horst Lemke
Nach dem Tod von Walter Trier illustrierte Horst Lemke die meisten Bücher von Erich Kästner. Geboren am 30. Juni 1922 in Berlin, mußte Horst Lemke kurz vor dem Abitur die Schule wegen einer Goebbels-Karikatur verlassen. Dennoch konnte er von 1939 bis 1941 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin bei dem Grafiker Gerhard Ulrich studieren, anschließend wurde er Soldat. Von 1945 bis 1957 arbeitete er in Heidelberg als Werbegrafiker und Illustrator für Buch- und Zeitschriftenverlage. Seit 1957 lebte er bis zu seinem Tod am 10. Mai 1985 in Brione, in der Nähe von Locarno/Schweiz.
Mit Erich Kästner verband ihn eine persönliche Freundschaft. Schon als Junge liebte Horst Lemke dessen Bücher mit den Illustrationen Walter Triers. Von Horst Lemke stammt die Ausstattung folgender Bücher von Erich Kästner:
  • Die Schildbürger
  • Leben und Taten des scharfsinnigen Ritters Don Quichotte
  • Als ich ein kleiner Junge war
  • Das Schwein beim Friseur
  • Der kleine Mann
  • Gullivers Reisen
  • Der kleine Mann und die kleine Miss
  • Der 35. Mai (ab 20. Auflage 1968)
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