Erica Jong: Angst vorm Sterben
Aus dem Amerikanischen von Tanja Handels
S. Fischer Verlag 2016
352 Seiten, 19.99 EUR
Comeback der Skandal-Autorin

Ihre Bekanntheit hat Erica Jong dem 1973 erschienenen Werk "Angst vom Fliegen" zu verdanken. Der Roman galt als wegweisend für die weibliche sexuelle Selbstverwirklichung. Ihr neues Werk "Angst vorm Sterben" kommt küchenphilosophisch daher und ist künstlerisch schwach.
Ihr Name hat den Klang literarischen Weltruhmes, der Roman, dem sie diesen Ruhm verdankt, den Klang der sexuellen Revolution: "Angst vorm Fliegen" heißt dieses 1973 veröffentlichte, in einer Auflage von fünfzehn Millionen Exemplaren verkaufte und von der Amerikanerin Erica Jong verfasste Buch. Auch wer keine Zeile des Skandalwerks gelesen hat, kennt seinen Titel. Er ist längst zum geflügelten Wort, zur Metapher für weibliche sexuelle Selbstverwirklichung geworden. Es war das Buch zum richtigen Thema und zum richtigen Zeitpunkt, es erschien in der Hochkonjunkturphase des subjektivistischen Feminismus. Die selbstbewusste Amerikanerin Erica Jong stieg mit diesem Buch zur Kulturfigur der Erotik auf, zur weiblichen Version Henry Millers. Mit keinem ihrer folgenden acht Romane konnte sie an ihren Debüterfolg anknüpfen, gleichwohl gilt sie nach wie vor als illustre Protagonistin der New Yorker Kulturszene.
Krankheit, Siechtum und Tod
Nun kehrt sie auf die große Literaturbühne zurück, mit einem Roman, der deutlich beansprucht, an den Paukenschlag aus dem Jahr 1973 anzuknüpfen. Sein Titel: "Angst vorm Sterben". Seine Ich-Erzählerin ist eine New Yorker Schauspielerin namens Vanessa Wonderman und sie ist sechzig Jahre alt. Man darf in ihr folglich die personale Fortsetzung der Heldin von "Angst vorm Fliegen" sehen und man darf annehmen, dass sie einige Lebenserfahrungen mit denen ihrer Erfinderin teilt. Vanessa Wonderman steht nun an der Schwelle zum Alter und kommt täglich in Berührung mit Themen wie Krankheit, Siechtum und Tod. Ihre Eltern sind Pflegefälle und sterben im Lauf des Romans. Ihr innig geliebter Ehemann, der zwanzig Jahre älterer Millionär Asher, trägt sie nach wie vor auf Händen. Aber was die Erfüllung ehelicher Pflichten und Genüsse betrifft, fühlt sich Vanessa Wonderman unausgelastet, weshalb sie auf einer digitalen Sexbörse auf Abenteuersuche geht. Krankenhausbesuche und mehr oder weniger erfolgreiche Blind Dates, das sind die episodischen Pole der locker verwebten Romanhandlung.
Kein Zuwachs an künstlerischem Vermögen
Dazwischen aber erstrecken sich weite Felder, auf denen sich Vanessa Wonderman ihren Erinnerungen an Liebhaber und geschiedene Ehemänner, an den Drogenentzug ihrer Tochter, an eine Schönheitsoperation, an ihre Filmrollen hingibt; vor allem aber an Reflexionen, die im Stil lebensweisheitlicher Maximen und auf dem Niveau gehobener Frauenzeitschriften daherkommen. Leicht ließe sich aus dem Roman ein Brevier küchenphilosophischer Einsichten zusammenstellen, à la: "Im Grunde ist es doch so, dass wir alle erkannt werden wollen. Und gleichzeitig haben wir Angst davor." Ein halbes Dutzend solch simpler Sentenzen kann ein Roman verschmerzen. Hundert davon verwandeln ihn in ein diffuses Etwas der Geschwätzigkeit. Auch "Angst vorm Fliegen" mag kein literarisches Meisterwerk gewesen sein, gleichwohl war es ein Buch mit kulturgeschichtlicher Signalwirkung. "Angst vorm Sterben" signalisiert nun vier Jahrzehnte später, dass der Zuwachs an Lebensjahren keinesfalls einen Zuwachs an künstlerischem Vermögen mit sich bringen muss.