Erhalten und gestalten

Von Hilde Weeg |
Hoch oben auf der Wartburg, in einer der insgesamt 878 Welterbestätten der Menschheit, trafen sich die Mitglieder der deutschen UNESCO-Welterbe-Kommission. "UNESCO-Welterbe in Gefahr" war die Tagung überschrieben, obwohl von den 33 deutschen Welterbestätten nur Dresdens Titel gefährdet ist.
Man muss vom Parkplatz aus noch kräftig Treppen steigen, bis man die stolze Burganlage erreicht, auf der vor mehr als 800 Jahren die Heilige Elisabeth lebte oder später Luther an seiner Bibelübersetzung schrieb. Die ganze Anlage ist in der Abenddämmerung prächtig angestrahlt, Fledermäuse umflattern die Laternen entlang des steilen Aufgangs. Eine gute Kulisse für die Tagung der Deutschen UNESCO-Kommission der Welterbestätten, denn auch der Status dieses Weltkulturerbes, 1999 an die Burg verliehen, stand schon in der Diskussion, weil Windkraftanlagen die Aussicht bedrohten oder weil eine Seilbahn die Gäste vom Parkplatz hier hoch befördern sollte. Egal, ob Wartburg, Kölner Dom oder Dresdens Brücke: Diskussionen gibt es immer. Das soll auch so sein, meint Birgitta Ringbeck, Beauftragte der Kultusministerien der Länder beim UNESCO-Welterbekomitee. Aber:

"Das Problem, was wir im Moment haben, ist dass durch die prominenten Fälle alles und jedes im Moment nach Paris geschickt wird. Und da muss man natürlich die Spreu vom Weizen trennen können, das heißt, was ist es wirklich wert, dass sich ein UN-Gremium damit beschäftigt. Und das gilt es für Deutschland zu organisieren und dafür ist auch diese Tagung da …"

Der Fall Dresdener Elbtal, dem der imageträchtige Welterbe-Titel möglicherweise aberkannt wird, soll sich nicht wiederholen, deshalb geht es jetzt auf der Tagung vor allem um ein gutes Management der Welterbestätten. Wie es geht – auch in Konfliktfällen, zeigen für Ringbeck die Diskussionen um eine Brücke im Oberen Mittelrheintal. Der etwa 65 Kilometer lange Abschnitt zwischen Koblenz und Bingen ist seit 2002 Weltkulturerbe. Als schützenswert gilt die gesamte Landschaft mit Weinanbau, Flusstal und Nutzung. Was läuft hier anders?

"Erstmal ist gut, dass von Anfang an alle beteiligt sind, alle informiert werden, dass dass man verschiedene Studien macht – und die auch übereinander legt. Und zwar nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern auch Studien, die das Verkehrskonzept hinterfragen, die die Technik hinterfragen – und natürlich auch Studien, die danach fragen, was ist der beste Ort, wenn man schon eine Brücke baut. Und welcher ist am nachhaltigsten, weil er am wenigsten eingreift in die Landschaft, ich glaube, dass ist, was den Unterschied ausmacht."

Die Welterbe-Kommission wehrt sich damit gegen die Kritik, jeglichen Veränderungen im Wege zu stehen:

"… denn die Welterbe-Konvention bedeutet ja nicht, dass etwas unter eine Käseglocke gestellt wird, sondern gerade bei den historischen Altstädten geht es um eine Entwicklung. Und das ist etwas, was man organisieren muss."

Was das Obere Mittelrheintal betrifft, schlägt der Präsident des Vereins der UNESCO-Welterbestätten, Horst Wadehn, scharfe Töne an. Sein Verein kooperiert mit der UNESCO, verfolgt aber vor allem Tourismus-Interessen der Welterbestätten. Er wendet sich vor allem gegen die vielen Güterzüge des europäischen Bahnverkehrs, die durch das enge Rheintal rollen:

"Zunächst ist es der gewaltige Lärm, der erzeugt wird, von diesen Zügen, der dazu führt, dass die Touristen verschreckt werden, und was noch viel schlimmer ist, dass nach und nach die wunderschöne Natur verschlimmert wird durch die Erschütterungen. Ich werde fordern, dass das Frachtgut völlig aus dem Mittelrhein verschwindet. Da soll die Bahn sich was einfallen lassen, die auf anderen Trassen fahren lassen – so geht es nicht."

Die Diskussionen im Rheintal gehen also in die nächste Runde. Was den Umgang mit ganzen Altstadt-Ensembles als schützenswerte Erbestätten betrifft, nennt Birgitta Ringbeck Regensburg als Positiv-Beispiel:

"Was wir natürlich haben im Moment ist der wirtschaftliche Druck, ist der städtebauliche Druck, unter dem viele Altstädte stehen und da gilt es eben, diese Entwicklung so zu gestalten, dass wir den Charakter erhalten. Und das geht …"

Wie die Regensburger Welterbe-Schützer vorgehen, davon können sich die anderen Weltstätten-Kommissionsmitglieder heute und morgen noch überzeugen lassen.