"Erfolgreichster Ministerpräsident Deutschlands"

Von Alexandra Gerlach |
Halbzeitbilanz für Georg Milbradt. Zweieinhalb Jahre nach der letzten Landtagswahl schauen die Sachsen langsam auf den nächsten Wahlkampf. Für Ministerpräsident Milbradt keine komfortablen Aussichten, obwohl er schon zum zweiten Mal in Folge mit dem Titel "erfolgreichster Ministerpräsident Deutschlands" geehrt wurde.
Februar 2007, Pressetermin auf dem Fichtelberg. Ministerpräsident Georg Milbradt auf dem Gipfel - geographisch und politisch. Zum zweiten Mal in Folge wurde er mit dem Titel "Erfolgreichster Ministerpräsident Deutschlands" ausgezeichnet. Zur Halbzeit der Großen Koalition in Sachsen geht es heute um die Perspektive des Erzgebirges. Was soll werden, wenn der Schnee – wie von Klimaforschern prophezeit - ausbleiben wird in den deutschen Mittelgebirgen?

"Allein vom Schnee kann man nicht leben, vor allem wenn die Gefahr besteht, dass er auch weniger häufig sein wird. Man muss also ein Angebot kreieren, weiter entwickeln, dass ganz ganzjährig verfügbar ist, und das vor allen Dingen auch den Gast anspricht, wenn kein Schnee da ist."

Der liegt heute zwar reichlich, aber Politik hat weiterzuschauen, sonst fährt der Bürger mit ihr Schlitten, wählt sie ab. Nun, nach der halbtägigen Konferenz steht eine kurze Schlittenfahrt für den Regierungschef auf dem Programm. Ein reizvolles Bildmotiv. Den erfahrenen Presseleuten jedoch treibt ein solcher Fototermin den Angstschweiß auf die Stirn: Wer will schon die Nachricht vermitteln, dass man mit dem Ministerpräsidenten Schlitten fahren kann.

Milbradt hat den Mantel vergessen, seine Begleiter verhindern im letzten Moment, dass er bei Minusgraden leicht unter Null einfach im grauen Anzug auf dem Motorschlitten der Bergwacht losgefahren wäre.

"Ja, kommen Sie. Habt Ihr den Erste-Hilfe-Koffer dabei?"

Professor Georg Milbradt, Jahrgang 1945, seit knapp fünf Jahren Ministerpräsident in Sachsen, braust davon – auf einem gelben Motorschlitten der Bergwacht Johanngeorgenstadt, ohne Mütze, ohne Schal. Er ist scharfen Gegenwind gewöhnt und hüglige Pisten. Den erfolgreichen Jahren als Finanzminister folgten der politische Absturz und dann ein beispielloses politisches Comeback.

Mildbradt. Der "Beste Ministerpräsident Deutschlands" hat die Neuverschuldung des Freistaates gestoppt, der nun beim Wirtschaftswachstum bundesweit mit an der Spitze liegt. Das ist die eine Seite, von der zu erzählen sein wird. Die andere schaut auf den Menschen Georg Milbradt, der ursprünglich in der Wissenschaft Karriere machen wollte, dann jahrelang die Finanzen der Stadt Münster erfolgreich managte und den die Wende in den Osten spülte. Von Anfang an im Freistaat dabei, tat er sich schwer mit den Regeln der Mediendemokratie. Und auf dem ersten Gipfel seines Erfolgs musste er erleben, wie tief und schmerzhaft ein politischer Absturz sein kann.

Milbradt, der westfälische Dickschädel, bewies da, dass er nicht so schnell zu schlagen ist. Er, der nur ungern den Klassenbesten gibt und der sich im Rampenlicht selten wohl fühlt. In diesen Wochen kann er sein fünfjähriges Jubiläum im Amt des Ministerpräsidenten feiern. Für einen wie Milbradt heißt feiern: arbeiten. Auch da spricht er über sich in der dritten Person. Andere Politiker können es nicht anders, er will es nicht anders.

"Man muss auch von seiner Arbeit in gewisser Weise überzeugt sein. Nicht dass man überheblich ist, aber man muss glauben, dass es der richtige Weg ist, um auch andere zu überzeugen, andere mitzunehmen, und sich auch selber zu motivieren, die Strapazen durchzuhalten."

Auf dem Gipfel und unten im Tal. Termine reihen sich dicht an dicht, mehrere Stationen, unterschiedliche Themen – Kreisbereisung, 12 Stunden, Tagesprogramm. Zwischen den Terminen, also im Auto, dann noch Fragen zur Arbeit.

"Man darf das Land ja nicht nur durch Aktenstudium kennen lernen, sondern man muss die Menschen und die Probleme sich auch dort ansehen, wo sie tatsächlich sind. Und man kommt ja vielfach auch an Stimmungen und Informationen, die in keiner Akte stehen. Und deshalb mache ich regelmäßig diese Kreisbereisungen und durchkämme sozusagen systematisch das Land. Das macht mir Spaß. Und ich habe den Eindruck, dass die Bevölkerung das auch positiv wertet, dass sie auf diese Art und Weise auch die Möglichkeit hat, mit dem Ministerpräsidenten zu reden, ob es nun der Unternehmer ist, die Jugendgruppe oder der Bürgermeister."

Unternehmer: "Gut, wir machen mal ein Foto für die Presse und outen uns jetzt, dass wir nämlich Zwillingsbrüder sind: geboren am 23. Februar 1945."
Milbradt: "Ach, das ist ja toll!"
"Das war jetzt ein guter Geck, oder? Ein guter Jahrgang …"

Für die nächste halbe Stunde muss der Regierungschef die Regie abgeben – für Milbradt ungewohnt, aber daran lässt der stolze Firmenchef keinen Zweifel. Die Firma, die mit hochkomplexen Präzisionswerkzeugen handelt, hat rege Kontakte in das nahe gelegene Tschechien. Angst vor dem Nachbarn hat man hier nicht. Statt über wirtschaftliche Nachteile zu klagen, baut man die bilateralen Beziehungen aus, auch im privaten Bereich. Der Firmeninhaber ist federführend bei der jährlichen Veranstaltung einer grenzübergreifenden Reitjagd, die seit Jahren regen Zuspruch erfährt, die aber dennoch dringend Fördermittel bräuchte. Die Gelegenheit, dies dem Ministerpräsidenten persönlich vorzutragen verschenkt er nicht, wohl wissend, dass das Credo Georg Milbradts lautet, dass die Grenzöffnung mehr Chancen als Risiken für den Freistaat bereithält – zumindest mittel- und langfristig. Eine Kopie des Fördermittelantrages reist von nun ab mit im Dienstwagen.

"Die Menschen müssen zueinander kommen. Das ist die einzige Chance, die Wunden, die diese Grenze geschlagen hat in dieser Geschichte, zu überwinden."

Nächster Termin. Bürgermeister und Oberbürgermeister aus den verschiedenen Erzgebirgskreisen hat er zu einem kommunalpolitischen Forum geladen.

Die Amtsträger sind sich nicht grün. Die anstehende Verwaltungs-, Funktional- und Kreisreform wird so manches Stadtoberhaupt den Posten kosten, Einflussbereiche werden neu zugeschnitten.

Die Diskussion bewegt sich auf vermintem Gelände. Das Treffen der rund 25 kommunalen Spitzenvertreter findet in einem großen schmucklosen Raum statt. Platten mit belegten Brötchen im Neonlicht, keine gemütliche Atmosphäre, auch politisch nicht. Ungeduldig appelliert Milbradt an den ihn begleitenden Landrat Karl Matko:

"Können Sie mal die Sitzungsleitung übernehmen? Wir sind nämlich nicht zum Kaffeetrinken gekommen."

Der sächsische Ministerpräsident spricht Tacheles mit den Bürgermeistern, lässt keinen Zweifel daran, dass es keine Alternative zur ungeliebten Reform gibt, da die Bevölkerungsentwicklung so stark rückläufig ist. Die demographische Entwicklung ist eines seiner Steckenpferde, neben den Finanzen. Zügig und präzise präsentiert er seine Pläne, in der nachfolgenden Diskussion zeigt er sich als erfahrener Fuchs in kommunalen Fragen. Viele Einwände der Bürgermeister pariert Milbradt mit Sachargumenten und diversen Fingerzeigen. Am Ende sind die Wogen deutlich geglättet:

Bürgermeister 1: "Ja, die Runde war sicherlich angenehm. Also der Aufruf des Ministerpräsidenten, die Region muss selber wissen, was sie an wirtschaftlicher Entwicklung braucht, das war schon wichtig, dass dieser Appell an uns gerichtet wurde."
Bürgermeister 2: "Ich war angenehm überrascht, dass er so klar und deutlich und doch fachkompetent gesprochen hat."
Bürgermeister 3: "Ansonsten die Grundaussagen, die er getroffen hat, diese Verwaltungs- und Funktionalreform bis zum Ende durchzuziehen, sind richtig."

Der sächsische Ministerpräsident, so scheint es, sitzt fest im Sattel, in diesem Februar 2007. Und er sieht das offensichtlich auch so.

"Ich hoffe ja, dass ich weiter dabei bin, Wiedervorlage Sommer/Herbst des Jahres 2010."

Der Schrecken der letzten Landtagswahl liegt zweieinhalb Jahre zurück. Da verlor im September 2004 die bis dahin allein regierende CDU im Freistaat fast erdrutschartig knapp 16 Prozent der Stimmen. Ein bitterer Verlust, der vor allem ihm, dem Spitzenkandidaten angelastet wurde. Dem früheren Stadtkämmerer von Münster, der mehr als zehn Jahre lang eng an der Seite von Kurt Biedenkopf arbeitete und als Finanzminister die Grundlagen für die heute solide Haushaltslage schuf. Noch immer werden seine Verdienste für das Musterland des Ostens mit dem Begriff "Milbradt-Dividende" umschrieben. Sachsen hat die zweitniedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller Länder und kann so weit mehr investieren als die meisten anderen Bundesländer.

Biedenkopf und Milbradt, das war das Dream-Team des Ostens, Milbradt schien der geborene Nachfolger für Biedenkopf zu sein. Bis zum Januar 2001, als Biedenkopf seinen langjährigen erfolgreichen Finanzminister entließ, ohne einen fachlichen Grund dafür zu nennen.

Es begann eine Schlammschlacht ohnegleichen, zumal der Gründungsministerpräsident Sachsens die Presse wissen ließ, dass sein Kronprinz zwar ein "hervorragender Finanzfachmann, aber ein miserabler Politiker" sei. Milbradt zog sich zurück, speckte ab, veränderte seinen Auftritt und startete durch, zu einem spektakulären Comeback, und setzte sich bereits im September 2001 an die Spitze der CDU. Doch der Giftpfeil, den Kurt Biedenkopf abgeschossen hatte, wirkt nach, bis heute. Immer mal wieder taucht es auf, das Bild vom fähigen Finanzmann, dem es an politischem Fingerspitzengefühl und ausgeprägtem Charisma mangele.

"Man gewöhnt sich an vieles und lernt ja auch, wie Presse funktioniert. Das natürlich durch den Neuigkeitswert, den auch der Leser oder auch der Zuschauer haben möchte, eher negative Nachrichten Verbreitung finden als positive, weil Positives eher das Normale ist, aus dem Grunde muss man auch in der Lage sein, Anwürfe und Kritik zu ertragen, auch selbst dann, wenn sie im Einzelfall unberechtigt ist."

Nach der Landtagswahl vom September 2004 war es wieder soweit. Die CDU geschockt, die absolute Mehrheit und damit die Alleinregierung dahin, die rechtsextreme NPD im Landtag. Der CDU-Spitzenkandidat Georg Milbradt geriet unter Druck. Wiewohl er gleich nach seinem ersten Amtsantritt die große Flut managen musste und dabei punkten konnte, profitierte die CDU im Landtagswahlkampf 2004 davon nicht. Daran änderte auch nichts, dass er in den Umfragen bei den Bürgern recht gut ankam.

Erstmalig muss Sachsens CDU seit Herbst 2004 die Macht teilen - mit einer schwachen SPD, die ein historisches Tiefstwahlergebnis eingefahren hat und nur knapp vor der NPD liegt in der Wählergunst. In den nachfolgenden Koalitionsverhandlungen gehen die zwei zukunftsträchtigen Ressorts, Wirtschaft sowie Wissenschaft und Kunst, an den sozialdemokratischen Regierungspartner. In der ebenso rat- wie ruhelosen CDU brodelt es an der Basis und in der neuen Fraktion.

Doch das Drama hält weitere Steigerungen bereit. An einem Mittwoch im November 2004 tritt der Landtag zusammen, um den Ministerpräsidenten zu wählen. Neben dem CDU-Spitzenkandidaten Georg Milbradt kandidiert auch der inzwischen verstorbene NPD-Abgeordnete Uwe Leichsenring. Die Fraktionschefin der Bündnisgrünen, die an diesem Tag erstmals Platz genommen haben im sächsischen Landtag, Antje Hermenau, erinnert sich:

"Herr Milbradt saß in den Reihe der Union, neben Herrn Hähle, also er hatte Flucht in seine Gruppe gesucht, kann man so sagen. Er war aber auch nicht als Ministerpräsident gewählt, deswegen war es auch richtig, dass er in der Fraktion saß und nicht vorne auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten. Nachdem das erste Stimmenergebnis bekannt gegeben wurde, gab es eine große Überraschung. Herr Milbradt hatte sich betont zurückhaltend verhalten, der hat versucht, sich nichts anmerken zu lassen, fand ich relativ professionell. Ich glaube, er hätte leichter mit ein paar mehr Enthaltungen gelebt, als damit, dass zwei Stimmen zur NPD rübergewandert sind, wo ja die Vermutung nahe lag, auch wenn es hinterher von allen Seiten abgestritten worden ist, dass die aus den Reihen der Union gekommen sein könnten."

Mit versteinerter Mine registriert Milbradt das Geschehen im Plenarsaal. Offensichtlich haben ihm Leute aus den eigenen Reihen die Gefolgschaft versagt. Wer das war, wird offiziell nie ermittelt. Doch für Milbradt muss dies einer der schwärzesten Tage seiner politischen Laufbahn gewesen sein.

"Ich glaube, sowohl in der Unionsfraktion, als auch in allen anderen Fraktionen, saßen die Leute ziemlich schockiert da, und haben sich gewundert, dass es zwei gab, die politisch solche Gartenzwerge sind, dass sie nicht begriffen haben, dass man der NPD ums Verrecken nicht die Stimme geben darf."

Auch im zweiten Wahlgang erhält Georg Milbradt nur 62 Stimmen. Fünf abtrünnige Abgeordnete statuieren ein bitteres Exempel für die bis dahin so stolze CDU im Freistaat. Und nur, weil im zweiten Wahlgang die einfache Mehrheit der im Plenarsaal anwesenden Abgeordneten ausreicht, langt es diesmal für Milbradt.

Die Presse ätzt: spricht von einem "geschwächten" und "schwachen Ministerpräsidenten", der schon am Start seiner zweiten Amtszeit gescheitert sei. In der Rückschau fällt die Bilanz nicht so düster aus. Das müssen auch Oppositionspolitiker im Landtag konstatieren. Antje Hermenau, Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im sächsischen Landtag:

"Ich habe nicht den Eindruck, dass Herr Milbradt ein schwacher Ministerpräsident oder ein geschwächter Ministerpräsident ist. Ich glaube aber, er ist noch kein vollständiger Ministerpräsident. Er hat es zwar jetzt geschafft, in den letzten zwei Jahren, sich aus dem Gewand des Finanzministers heraus zu schälen. Das hat ihm sehr hauteng gesessen, das war sein Lieblingskostüm, das trug er gerne. Es ist ihm schwer gefallen, das abzulegen. Das hat man immer wieder gemerkt. Bei allen möglichen Debatten war er oft auch Finanzminister und wenig Ministerpräsident. Das ändert sich langsam."

Das bekommt auch der kleine Koalitionspartner SPD zu spüren. Eifrig ist dieser bemüht, im Schatten der mächtigen CDU am Kabinettstisch eigenes Profil zu entwickeln. Zwei Ministerposten hat die SPD besetzt, das Wirtschafts- sowie das Wissenschafts- und Kunstressort. Doch der große Wurf, um programmatisches Profil zu zeigen, ist bislang nicht gelungen, wenngleich die CDU zugibt, dass es schwieriger geworden ist, zu regieren, da um jeden Kompromiss hart gerungen werden muss. Jeder noch so kleine Schritt wird abgestimmt. Oder besser: sollte abgestimmt werden.

Dass das nicht immer gelingt, zeigte jüngst der Streit um ein so genanntes Energie-Effizienz-Papier aus dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium, das für einen handfesten Koalitionskrach sorgte. Ein Papier zur künftigen Ausrichtung der Energiepolitik im Freistaat, das unüberbrückbare Differenzen beinhaltete und letztlich auch an der Frage der friedlichen Nutzung der Kernenergie scheiterte, und das um ein Haar ohne letztendliche Abstimmung im Kabinett gelandet wäre. Es knirschte im Gebälk, die Drähte glühten und am Ende wurde im Koalitionsausschuss viereinhalb Stunden lang heftig diskutiert, mit dem Ergebnis, dass das Papier gestoppt wurde. Ausgerechnet am Valentinstag kam es zum Eklat. Wirtschaftsminister Thomas Jurk:

"Es gibt Dinge, über die wird man sich auch in Zukunft ärgern. Das gehört dazu, weil - wie gesagt - auch der Valentinstag nicht dazu führt, dass wir eine Liebesheirat haben, das ist nach wie vor so."

Am Ende saßen die beiden Chefs der Koalition, Georg Milbradt für die CDU und der stellvertretende Ministerpräsident Thomas Jurk für die SPD, ebenso vergrätzt wie bockig in der anschließenden Pressekonferenz:

Jurk: "Die Frage ist, was lasse ich nicht mit mir machen? Ich habe meine Position heute nicht geräumt."
Milbradt: "Hat auch niemand erwartet. Nur die umgekehrte Vorstellung, dass wir unsere Position räumen, ist auch nicht eingetreten."

Während Milbradt den kleinen Koalitionspartner immer wieder spüren lässt, dass er als Ministerpräsident die Richtlinienkompetenz für sich beansprucht, bleibt die eigene Partei für ihn ein riskantes und auch unberechenbares Pflaster, wenngleich potenzielle Konkurrenten sich derzeit noch nicht aus der Deckung wagen. Denn in der sächsischen CDU wird immer mal wieder gegrummelt. Da wird gelästert, Milbradt führe das Land wie eine "Statistik-Behörde" und habe die Ausstrahlung eines "Rechenschiebers".

Im September vergangenen Jahres sorgte dann ausgerechnet ein Zeitungsinterview des ansonsten stets loyalen CDU-Fraktionsvorsitzenden Fritz Hähle für Aufregung. Der einst treue Bewunderer Kurt Biedenkopfs hatte überraschend scharf den Ministerpräsidenten-Nachfolger angegriffen und kundgetan, dass er bei Milbradt die "persönliche Ausstrahlung" vermisse. Und auf die Frage, ob er sich denn vorstellen könne, dass Milbradt bei der nächsten Landtagswahl 2009 wieder als Spitzenkandidat der CDU antreten werde, hatte Hähle sybillinisch zu Protokoll gegeben, "wenn er es sein will, wird er es wohl sein". Ratlos blickten zahlreiche Parteifreunde auf diese Statements, während die CDU-Führung versuchte, die Aussagen klein zu reden.

Georg Milbradt soll sich, nachdem er von den Äußerungen erfahren hat, das Jackett über die Schulter geworfen haben und lächelnd seiner Wege gegangen sein. Man gewöhne sich an vieles, sagt er viel später auf die Frage, wie er mit Kritik an seiner Person umgehe.

"Auf der anderen Seite sollte man aber auch nicht soweit gehen, zu sagen, es ist egal, was die Zeitungen über mich schreiben und die Leute über mich denken, denn in einer Demokratie braucht man tendenziell die Zustimmung der Betroffenen, nicht in jeden Fall, aber man braucht die generelle Zustimmung. Man braucht ein Getragensein."

Dass er dafür auch die Medien braucht, ist ihm bewusst, wenngleich es ihm immer wieder sichtlich schwer fällt, locker vor der Fernsehkamera zu agieren. Komplizierte Sachverhalte auf Statements von 20 oder 30 Sekunden zu verkürzen, ist seine Sache nicht. Und das lässt er die Kameras spüren. Für den Mann an der Spitze der sächsischen CDU, der sich Ende dieses Jahres erneut um den Landesvorsitz bewerben will, bleibt dies die Achillesferse. Für die Basis ist die mediale Ausstrahlung offenbar weniger ein Problem. Auf der CDU-Regionalkonferenz in Görlitz Anfang Februar sind diese Töne zu hören:

CDU-Mitglied: "Seine größte Stärke ist auf jeden Fall, eine Verwaltung effektiv zu führen, dabei die Effizienz sehr in den Mittelpunkt zu rücken. Er ist sicherlich der beste Haushälter, den wir in Sachsen haben."

Und auch die Frage, ob es dem Landesvater an Charisma fehle, ist für die CDU-Basis offenbar nur bedingt ein Problem:

CDU-Mitglied 1: "Solche pauschalen Aussagen kenne ich auch. Ich weiß nicht, ob die uns weiterhelfen. Ich denke, man muss immer gucken, wie ist jemand in seiner Person, wo will er hin, und wie formuliert er es."
CDU-Mitglied 2: "Wir sind keine Monarchie. Wir sind ein Land, das traditionell wirtschaftlich bestimmt ist, und da brauchen wir ökonomischen Sachverstand, da brauchen wir politisches zusammenführen, wir brauchen keine Fürsten."
CDU-Mitglied 3: "Und wie gesagt: Schauspieler brauchen wir nicht."

Das sagt übrigens auch Milbradt über Milbradt - und bleibt sich dabei treu.