Erfolgreicher Brotkasten

Von Thomas Gith · 19.07.2012
Als der Heimcomputer C64 vor 30 Jahren präsentiert wurde, ahnte niemand, welchen Erfolg das Gerät bald haben würde. Er sah aus wie ein Brotkasten, etwas gewölbt und länglich, mit einer fest montierten Tastatur, unter der sich die nötige Hardware befand. Einen Monitor gab es nicht dazu, und auch Eingabegeräte wie Floppy-Laufwerk oder Datasette mussten die Kunden extra kaufen. Was heute sehr unattraktiv klingt, war damals der letzte Schrei. Der C64 gilt bis heute als meistverkaufter Computer der Welt.
Im Berliner Computerspielemuseum steht er noch: In einer Glasvitrine aufgebahrt, gräulichgelbes Gehäuse – stolz wie eh und je: der C64. Ein Relikt der Technikgeschichte, das hier seinen musealen Ort gefunden hat.
Andreas Lange, Direktor des Computerspielemuseums:

"Das Besondere beim C64 war, dass es eben ein sehr leistungsfähiger aber auch sehr schnell sehr preisgünstig werdender Heimcomputer war. Er war eben auch besonders zum Spielen geeignet und insofern gab's sehr schnell 'ne ganze Reihe von Computerspielen für den C64 und das war auch eine der Hauptschienen, warum er sich dann doch auch so gut und schnell verbreitet hat."

Ob Giana Sisters, Summer oder Winter-Games: Zu elektronischer Musik tanzten
grob gepixelte Figuren über den am C64 angeschlossenen Fernsehbildschirm. Die Helden, Monster und Sportler steuerte man mit einem Joystick. Schnell existierten Hunderte Spiele, die zahlreiche Kinder und Jugendliche in den 80er-Jahren begeisterten.

"Für mich ist der C64 ein besonderer Punkt in meinem Leben, der meine Jugend und auch Kinderzeit begleitet hat. Und auch heute immer noch begleitet. Weil ich damit einfach Erinnerungen verbinde, und auch immer noch gerne mit dem Gerät spiele. Und ich sammle sie auch gerne, um sie vor dem Tode zu retten, sozusagen."

Malte Schulze, Jahrgang 1977, ist Gründer des Berliner C64-Clubs. Mitte der 80er-Jahre bekam er sein erstes Modell – mittlerweile hat er zahlreiche Varianten des C64 bei sich zu Hause stehen. Dass sich all diese Geräte nur in ihrem Aussehen unterscheiden, stört ihn nicht. Im Gegenteil: Denn dass die Hardware jahrelang unverändert blieb, machte den Reiz der Commodore-Rechner aus.

Andreas Lange. "Das Besondere, was eben der C64 aber auch andere Computer zu dieser Zeit hatten, war eben, dass sie auch geschlossene, überschaubare Systeme waren, die man einmal kennen lernte und dann kannte man sie und dann war da wenig Bewegung drin. Und das ist etwas, was sicherlich auch heute noch zu den lebendigen Fan-Communities beiträgt, die eben sich um diese Plattform damals gebildet haben und bis heute auch Bestand haben."

Während die Prozessoren, Grafikkarten und Festplatten aktueller Rechner ständig leistungsfähiger werden, bleib der C64, was er war: Jahrelang ruckelte der Prozessor mit knapp einem Megahertz vor sich hin, die Grafikkarte konnte 16 Farben abbilden und der Arbeitsspeicher umfasste gerade einmal 64 Kilobyte. Allerdings: Auf dieser immer gleichen Hardware fußte letztlich eine ganz eigene Ästhetik – bei Spielen und Musik.

"Eine der Besonderheiten des C64 war sein eingebauter Soundchip, der spezielle nur für die Sounderzeugung designt und eingebaut wurde. Das ist der sogenannte Sid-Chip. Und es gibt bis heute Musiker, die also noch auf dem Original Sid-Chip programmieren, insofern hat er also wirklich ein sehr langes Leben, obwohl der C64 als Plattform auf dem Markt schon längst verschwunden ist."

Natürlich gab es für den C64 auch ernsthafte Programme: Textverarbeitung war genauso möglich wie Tabellenkalkulation. Und viele Technikbegeisterte machten mit Basic und Assembler ihre ersten Programmiererfahrungen auf dem Commodore-Rechner. Doch berühmt wurde er als Spielcomputer - mit eigener Musik und Spielästhetik.

"Die Zeit, in der der C64 Anfang der 80er-Jahre herauskam, war eine sehr, sehr innovative Zeit. Das heißt also, es wurde auch eine ganze Reihe von neuen Spielgenres geschaffen. Und viele der heutigen Genres, nehmen wir zum Beispiel mal Adventure-Spiele, haben also ihre erste Blütezeit, ihre erste Hochzeit auf dem C64 erlebt."

Die Spiele musste man von labbrigen Floppy-Disks laden. Oder von Datasetten, einem Datenträger, der der Musikkassette ähnelte. Malte Schulze lässt diese Zeit noch einmal aufleben: auf seinem SX 64 – der tragbaren Variante des Rechners. Die ist gut 10 Kilogramm schwer, besitzt ein eingebautes Diskettenlaufwerk und einen gerade mal faustgroßen Farbmonitor.

"Also ich habe hier ein Spiel mitgebracht, 'It's Magic'. Dafür öffne ich die Diskettenklappe, schiebe die Diskette rein, tippe den Befehl zum Laden: LOAD, Anführungszeichen oben, Sternchen, Anführungszeichen oben, Komma 8, Komma 1, Return. Jetzt lädt er das Spiel und dann haben wir auch gleich schon einen Ton."

Und dann hüpft eine pixelige Figur durchs Bild: Tom, die Katze. Mit dem Joystick lässt man sie laufen, Punkte einsammeln und Gegnern auf den Kopf springen. Ein klassisches Jump- und Run-Spiel – das es in zahlreichen Varianten für den C64 gab. Doch trotz Spielspaß und Musikästhetik: Anfang der 90er war die Hochphase des C64 vorbei.

"Der C64 ist als kommerzielle Plattform untergegangen, weil er schlicht und einfach sich technisch nicht weiterentwickelt hat. Er wurde von Commodore nicht weiterentwickelt. Es gab dann das Nachfolgermodell, den Amiga, der war aber technisch ganz anders gelagert und auch nicht kompatibel zum C64. Und Commodore hat dann eben entschieden, den C64 nicht als solchen weiterzuentwickeln, und dann ging die technische Entwicklung über ihn hinweg."

Der Verdienst des C64 aber bleibt: Mit weltweit etwa 20 Millionen verkauften Exemplaren half er dabei, den Computer massenfähig zu machen. Und zahlreiche seiner Spielkonzepte existieren bis heute.
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