Erfinder der "ökologischen Steuerreform" kritisiert Maßnahmen gegen Finanzkrise
Hans Christoph Binswanger, emeritierter Wirtschaftsprofessor und geistiger Vater des Konzepts einer ökologischen Steuerreform, hält die Strategie der Industrieländer zur Bekämpfung der internationalen Finanzkrise für unzureichend. Einfach nur Geld in die Wirtschaft fließen zu lassen, führe dazu, dass wahrscheinlich die nächste Krise schon vorbereitet werde, sagte Binswanger.
Hanns Ostermann: Guter Rat ist teuer, wenn man es wie derzeit gleich mit zwei weltweiten Krisen zu tun hat - der Krise an den internationalen Finanzmärkten einerseits und dem globalen Raubbau an der Natur andererseits. Dabei ist es fast müßig, darüber zu spekulieren, welche der beiden Krisen uns härter trifft.
Klar ist nur: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Wachstum um jeden Preis - dieser Weg führt in die Sackgasse. Über Alternativen möchte ich mit dem Schweizer Wirtschaftsökonomen, mit Professor Hans Christoph Binswanger, reden. Guten Morgen, Herr Binswanger.
Hans Christoph Binswanger: Guten Morgen.
Ostermann: Muss jedes Wachstum, Herr Professor Binswanger, so wie heute zwangsläufig in einer Spekulationsblase enden?
Binswanger: Die moderne Wirtschaft ist tatsächlich auf Spekulationen sozusagen fast angewiesen. Sie hat auf jeden Fall eine Spekulationstendenz, und in immer kürzeren Zeitabständen wird es daher immer wieder zu neuen Finanzkrisen kommen.
Ostermann: Sie gehen in Ihrem Buch "Die Wachstumsspirale" davon aus, es reicht ein Wachstum von etwa 1,8 Prozent. Wie kommen Sie überhaupt auf diese Zahl?
Binswanger: Zuerst möchte ich sagen, dass es hier um eine globale, also durchschnittliche Wachstumsrate in der Welt geht. Das heißt, dass bei uns auch niedrigere Wachstumsraten sein werden oder sein müssen, wenn man im Durchschnitt der Welt eben 1,8 Prozent hat, also bei uns etwa 1,0 Prozent. Das wird sich in Zukunft so einstellen müssen. Die Frage ist, wie das zu berechnen ist. Es hängt davon ab, wie die Gewinnerwartungen sind, wie die Zinsen sind und so weiter, es setzt sich zusammen aus verschiedenen Koeffizienten, die hier in einer gewissen Weise kombiniert sind.
Ostermann: Aber was muss geschehen, dass die westlichen Industrieländer ihr Wachstum auf ein geringeres Niveau absenken? Wie müssten die Grundlagen der Wirtschaft verändert werden?
Binswanger: Es braucht auch eine Finanz- und Bankreform in dem Sinne, dass die Zentralbank mehr Verantwortung bekommt für die Geldkürzungen, also für die Kredite, die gegeben werden von den Banken. Heute ist es so, dass die Banken Kredite geben, auch faule Kredite geben, auf Verschuldungsbasis, die dann die Zentralbanken unterstützen müssen. Es wäre wichtig, dass die Banken nur so viel Kredite geben können, als sie bereits Zentralbankgeld haben, das heißt, die Zentralbank muss mehr Verantwortung bekommen. Man spricht auch hier von 100-Prozent-Geld, also eine stärkere Einbindung der Zentralbank in die Verantwortung für das Wirtschaftsgeschehen.
Ostermann: Also im Klartext: Es kann nur so viel Geld ausgegeben werden, wie real da ist.
Binswanger: Das, würde ich sagen, das ist dann Sache der Zentralbank, das zu beurteilen und diese Verantwortung muss die Zentralbank bekommen, dies eben auch beurteilen zu können.
Ostermann: Herr Professor Binswanger, sind die niedrigen Wachstumsraten in den alten Industrieländern eigentlich als ein Zeichen einer Krise aufzufassen oder als ein Zeichen einer Umschichtung des Wachstumsprozesses in die Schwellenländer?
Binswanger: Das ist zweifellos auch der Fall. Es sind zwei Dinge, die sich hier überlagern, dass diesen Verschuldungsprozess sozusagen, der ja die Basis dieser ganzen Wachstumsüberbordung ist, von West nach Ost, wie es früher von Ost nach West war, und das ist natürlich ein Grund, warum es auch um so schwieriger wird, sich mit dieser Finanzkrise irgendwie einrichten zu können.
Ostermann: Nun gehen viele davon aus, dass nicht das Wachstum das Problem ist, sondern das unreflektierte Mengenwachstum, also der verschwenderische Durchlauf von nicht erneuerbaren Stoffen und Energien. Heißt das für die Industrienationen: weg von der Durchlaufökonomie, hin zu einer Kreislaufwirtschaft?
Binswanger: Ja, es ist eine doppelte Reform nötig, einerseits eben niedrige Wachstumsraten, nämlich so niedrig, dass der Rest an Wachstum, der dann doch resultieren muss, damit die Wirtschaft funktioniert, qualifiziert werden kann, das heißt, mit einem niedrigen Ressourcen- und Umweltverbrauch einhergehen kann. Es braucht also Maßnahmen sowohl im Bereich des Finanzwesens, der Kredite, des Bankwesens einerseits und Maßnahmen im Bereich der Effizienz, der höheren Effizienz, des Ressourcenverbrauchs.
Ostermann: Haben Sie eigentlich den Eindruck, dass dies in der Politik - diese Botschaft, die Sie da geäußert haben -, dass diese Botschaft in der Politik mittlerweile angekommen ist?
Binswanger: Nein, es ist noch nicht genügend angekommen. Wir brauchen zusätzliche Ansätze in beiden Richtungen, die dann wirklich dazu führen, dass nicht gleich wieder, wie das heute wahrscheinlich der Fall sein wird, die nächste Krise schon vorbereitet wird, indem man einfach nur Geld hineinschießt in die Wirtschaft und damit eigentlich die neuen Krisen vorbereitet.
Ostermann: Und wir brauchen doch wahrscheinlich auch wirksame Kontrollen der Finanzmärkte, um für ein nachhaltiges Wachstum zu sorgen?
Binswanger: Wir müssen eben das System so ändern, dass diese Kontrolle, wie ich schon sagte, vor allen Dingen der Zentralbank, möglich sein wird.
Ostermann: Wie wichtig ist für Sie, Herr Professor Binswanger, ein globales Steuersystem?
Binswanger: In Zusammenhang eben mit Erhöhung der Ressourceneffizienz oder Energieeffizienz ist es wichtig, dass ein umfassendes ökologisches Steuersystem eingeführt wird in dem Sinne, dass eine Abgabe auf Energie- und Materialverbrauch eben möglichst im globalen Maße eingeführt wird.
Ostermann: Der Schweizer Wirtschaftsökonom Professor Hans Christoph Binswanger im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur, vielen Dank.
Klar ist nur: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Wachstum um jeden Preis - dieser Weg führt in die Sackgasse. Über Alternativen möchte ich mit dem Schweizer Wirtschaftsökonomen, mit Professor Hans Christoph Binswanger, reden. Guten Morgen, Herr Binswanger.
Hans Christoph Binswanger: Guten Morgen.
Ostermann: Muss jedes Wachstum, Herr Professor Binswanger, so wie heute zwangsläufig in einer Spekulationsblase enden?
Binswanger: Die moderne Wirtschaft ist tatsächlich auf Spekulationen sozusagen fast angewiesen. Sie hat auf jeden Fall eine Spekulationstendenz, und in immer kürzeren Zeitabständen wird es daher immer wieder zu neuen Finanzkrisen kommen.
Ostermann: Sie gehen in Ihrem Buch "Die Wachstumsspirale" davon aus, es reicht ein Wachstum von etwa 1,8 Prozent. Wie kommen Sie überhaupt auf diese Zahl?
Binswanger: Zuerst möchte ich sagen, dass es hier um eine globale, also durchschnittliche Wachstumsrate in der Welt geht. Das heißt, dass bei uns auch niedrigere Wachstumsraten sein werden oder sein müssen, wenn man im Durchschnitt der Welt eben 1,8 Prozent hat, also bei uns etwa 1,0 Prozent. Das wird sich in Zukunft so einstellen müssen. Die Frage ist, wie das zu berechnen ist. Es hängt davon ab, wie die Gewinnerwartungen sind, wie die Zinsen sind und so weiter, es setzt sich zusammen aus verschiedenen Koeffizienten, die hier in einer gewissen Weise kombiniert sind.
Ostermann: Aber was muss geschehen, dass die westlichen Industrieländer ihr Wachstum auf ein geringeres Niveau absenken? Wie müssten die Grundlagen der Wirtschaft verändert werden?
Binswanger: Es braucht auch eine Finanz- und Bankreform in dem Sinne, dass die Zentralbank mehr Verantwortung bekommt für die Geldkürzungen, also für die Kredite, die gegeben werden von den Banken. Heute ist es so, dass die Banken Kredite geben, auch faule Kredite geben, auf Verschuldungsbasis, die dann die Zentralbanken unterstützen müssen. Es wäre wichtig, dass die Banken nur so viel Kredite geben können, als sie bereits Zentralbankgeld haben, das heißt, die Zentralbank muss mehr Verantwortung bekommen. Man spricht auch hier von 100-Prozent-Geld, also eine stärkere Einbindung der Zentralbank in die Verantwortung für das Wirtschaftsgeschehen.
Ostermann: Also im Klartext: Es kann nur so viel Geld ausgegeben werden, wie real da ist.
Binswanger: Das, würde ich sagen, das ist dann Sache der Zentralbank, das zu beurteilen und diese Verantwortung muss die Zentralbank bekommen, dies eben auch beurteilen zu können.
Ostermann: Herr Professor Binswanger, sind die niedrigen Wachstumsraten in den alten Industrieländern eigentlich als ein Zeichen einer Krise aufzufassen oder als ein Zeichen einer Umschichtung des Wachstumsprozesses in die Schwellenländer?
Binswanger: Das ist zweifellos auch der Fall. Es sind zwei Dinge, die sich hier überlagern, dass diesen Verschuldungsprozess sozusagen, der ja die Basis dieser ganzen Wachstumsüberbordung ist, von West nach Ost, wie es früher von Ost nach West war, und das ist natürlich ein Grund, warum es auch um so schwieriger wird, sich mit dieser Finanzkrise irgendwie einrichten zu können.
Ostermann: Nun gehen viele davon aus, dass nicht das Wachstum das Problem ist, sondern das unreflektierte Mengenwachstum, also der verschwenderische Durchlauf von nicht erneuerbaren Stoffen und Energien. Heißt das für die Industrienationen: weg von der Durchlaufökonomie, hin zu einer Kreislaufwirtschaft?
Binswanger: Ja, es ist eine doppelte Reform nötig, einerseits eben niedrige Wachstumsraten, nämlich so niedrig, dass der Rest an Wachstum, der dann doch resultieren muss, damit die Wirtschaft funktioniert, qualifiziert werden kann, das heißt, mit einem niedrigen Ressourcen- und Umweltverbrauch einhergehen kann. Es braucht also Maßnahmen sowohl im Bereich des Finanzwesens, der Kredite, des Bankwesens einerseits und Maßnahmen im Bereich der Effizienz, der höheren Effizienz, des Ressourcenverbrauchs.
Ostermann: Haben Sie eigentlich den Eindruck, dass dies in der Politik - diese Botschaft, die Sie da geäußert haben -, dass diese Botschaft in der Politik mittlerweile angekommen ist?
Binswanger: Nein, es ist noch nicht genügend angekommen. Wir brauchen zusätzliche Ansätze in beiden Richtungen, die dann wirklich dazu führen, dass nicht gleich wieder, wie das heute wahrscheinlich der Fall sein wird, die nächste Krise schon vorbereitet wird, indem man einfach nur Geld hineinschießt in die Wirtschaft und damit eigentlich die neuen Krisen vorbereitet.
Ostermann: Und wir brauchen doch wahrscheinlich auch wirksame Kontrollen der Finanzmärkte, um für ein nachhaltiges Wachstum zu sorgen?
Binswanger: Wir müssen eben das System so ändern, dass diese Kontrolle, wie ich schon sagte, vor allen Dingen der Zentralbank, möglich sein wird.
Ostermann: Wie wichtig ist für Sie, Herr Professor Binswanger, ein globales Steuersystem?
Binswanger: In Zusammenhang eben mit Erhöhung der Ressourceneffizienz oder Energieeffizienz ist es wichtig, dass ein umfassendes ökologisches Steuersystem eingeführt wird in dem Sinne, dass eine Abgabe auf Energie- und Materialverbrauch eben möglichst im globalen Maße eingeführt wird.
Ostermann: Der Schweizer Wirtschaftsökonom Professor Hans Christoph Binswanger im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur, vielen Dank.