Erdogan-Satire

Reaktionen auf die Böhmermann-Entscheidung

Der Moderator und Satiriker Jan Böhmermann
Der Moderator und Satiriker Jan Böhmermann © imago
Von Nadine Lindner · 15.04.2016
Die Opposition greift Angela Merkel an wegen ihrer Zustimmung zu einem Strafverfahren gegen Jan Böhmermann. Auch die SPD war dagegen und hat noch einmal ihre Ablehnung bekräftigt. Doch am Ende war das Wort der Kanzlerin ausschlaggebend.
In ihrem lange erwarteten Statement sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, für die Unabhängigkeit der Justiz aus:
"Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen."
Sie betonte, dass mit der Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen Beleidigung von ausländischen Staatsorganen keine Vorverurteilung einhergehe.
Merkel sprach auch die schwierige Situation von Journalisten in der Türkei an. Mit Sorge sehe sie auch Einschränkungen des Demonstrationsrechts im NATO-Partnerland und EU-Beitrittskandidaten.
Die Meinungsunterschiede innerhalb der Bundesregierung im Fall der Strafverfolgung wurden nach der Erklärung noch einmal deutlich.
Leicht ist der Bundesregierung diese Entscheidung offenbar nicht gefallen. Denn vorausgegangen war eine längere Debatte zwischen SPD und Union, die auch Merkel in ihrer kurzen Rede thematisierte:
"An dieser Prüfung waren das Auswärtige Amt, das Bundesjustizministerium, das Bundesinnenministerium und das Bundeskanzleramt beteiligt. Es gab unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD."
Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Reaktionen im Nachgang aus: Die CDU begrüßte die Zulassung der Strafverfolgung als Stärkung des Rechtsstaats.

Kanzlerin-Votum kassiert SPD-Ablehnung

Anders die SPD: Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit einer weiterhin ablehnenden Haltung:
"Das war eine schwierige Entscheidung, für beide Alternativen gab es gute Gründe. Die SPD-geführten Ressorts haben nach sorgfältiger Abwägung gegen die Erteilung der Ermächtigung gestimmt. Wegen der Stimmengleichheit entschied die Stimme der Bundeskanzlerin."
Die Ermächtigung hätte nicht erteilt werden sollen, sagte der Außenminister, denn die Meinungs- Presse und Kunstfreiheit genieße den hohen Schutz der Verfassung.
Die Entscheidung zur Zulassung der Strafverfolgung bei Jan Böhmermann hat eine wahre Flut von Reaktionen aus Politik und Medien hervorgerufen.
Die Opposition übt heftige Kritik: Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch:
"Ich muss Ihnen sagen, dass ich entsetzt darüber bin, dass die Entscheidung so gefallen ist. Ich bin der Auffassung, dass sie als Bundeskanzlerin, unsere Position, die es hier im Lande gibt, dass es hier ein Maß an Freiheit gibt, doch hätte anwenden sollen."
Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hatte Merkel bereits in den vergangenen Tagen duckmäuserisches Verhalten vorgeworfen und erneuerte nun seine ablehnende Haltung, die Entscheidung sei ein Kotau vor Erdogan:
"Nachdem sie sich entschieden hat, das Strafverfahren zuzulassen, muss Frau Merkel jetzt mit dem Vorwurf leben, dass sie vor Erdogan eingeknickt ist.

Grünen prangern "Türkei-Deal" an

Vor wenigen Tagen hatte Merkel betont, dass die politischen Verhandlungen in der Flüchtlingspolitik und der Fall Böhmermann völlig voneinander entkoppelt seien. Genau daran hat Hofreiter Zweifel.
"Sie muss mit dem Vorwurf leben, dass ihr der Deal mit der Türkei wichtiger ist."
Auch die türkische Gemeinde in Deutschland lehnt die Entscheidung ab. Man hätte es bei dem Verfahren wegen persönlicher Beleidigung belassen sollen, schreibt die Berliner Zeitung. Die Welt zitiert die Deutsch-Türkische Gesellschaft mit einem ähnlichen Tenor: Merkel habe sich von Erdogan abhängig gemacht.
Das ZDF, der Sender von Jan Böhmermann, hat die Zustimmung der Bundesregierung für ein gesondertes Strafverfahren gegen den Moderator als "politische Entscheidung" bewertet.
Der Deutsche Journalistenverband kritisierte die Entscheidung. Das sei ein falsches Signal an die Adresse der türkischen Regierung.
Jan Böhmermann selbst hat sich bislang noch nicht geäußert.
Einigkeit zwischen den politischen Lagern besteht dagegen bei der Frage nach der Zukunft des umstrittenen Paragraphen 103 StGB. Merkel sagte, dass noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetzesentwurf verabschiedet werden solle. SPD-Justizminister Heiko Maas unterstützte das Ansinnen:
"Paragraph 103 Strafgesetzbuch wollen wir abschaffen. Der Gedanke einer Majestätsbeleidigung passt nicht mehr in unser Strafrecht."
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