Erdogan als vermeintlicher Jude

"Klassischer antisemitischer Topos"

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält am 29. Juli 2016 eine Rede.
Der türkische Präsident Erdogan - ein Kryptojude? Das glauben Antisemiten in der Türkei © dpa-Bildfunk / AP / Kayhan Ozer / Presidential Press Service
Fabian Wolff im Gespräch mit Timo Grampes · 03.08.2016
Neues aus dem Reich der Verschwörungstheorie: Der türkische Präsident Erdogan sei in Wirklichkeit Jude. Sein Gegenspieler, der islamische Prediger Fethullah Gülen, auch. Und auch Staatsgründer Atatürk. Dahinter stecke "purer Antisemitismus", meint Fabian Wolff.
In der Türkei kursiert ein Gerücht, wonach der muslimische Staatspräsident Erdogan eigentlich Jude sei. Das ließe sich leicht als Beispiel dafür abtun, dass ein Gerücht nicht zu grotesk sein kann, als dass ihm nicht irgendwelche Leute dennoch Glauben schenkten - hätte man das Gleiche nicht auch schon vom türkischen Staatsgründer Kemal Atatürk behauptet: Auch dieser soll ein sogenannter "Kryptojude" gewesen sein, also einer, der seinen Glauben nur im Verborgenen lebt.

Auch die "Reichsbürger" pflegen solche Vorstellungen

Hinter solchen Gerüchten steckten "purer Antisemitismus" und die Vorstellung vom jüdischen Strippenzieher, der im Hintergrund die Geschicke lenkt. "Ein ganz klassischer antisemitischer Topos", sagt der Journalist Fabian Wolff. Treffen kann es offenbar jeden: Er habe auch gelesen, dass der islamische Prediger Fethullah Gülen Jude sei. Oder Alt-Kanzler Helmut Kohl:
"In den 1980ern und jetzt wieder im Zuge der Reichsbürgerbewegung lebendig ist zum Beispiel die Behauptung, dass Helmut Kohl eigentlich Henoch Kohn heiße und seine Eltern galizische Pelzhändler seien und er Mitglied der Freimaurer-Loge B'nai B'rith sei."
Diese Projektionen und Gerüchte werden auch dadurch genährt, dass es im Lauf der Geschichte immer wieder erzwungene Konversionen von Juden gab - im Osmanischen Reich etwa das Volk der Dömne. Jetzt überall Kryptojuden zu wittern, produziere "im Grunde eine einfache Erklärung dafür, dass in der Gesellschaft etwas nicht funktioniert, nämlich: die Freimaurer, die Juden, die Dönme sind schuld", sagt Wolff.