Erdöl war gestern
Die gestiegenen Benzinpreise haben es allen wieder vor Augen geführt - die Ölvorräte auf der Welt sind endlich. Es ist Zeit, nach Alternativen zu suchen. Viele Landwirte sehen neue Chancen - mit der Produktion von Biogas und Biodiesel werden sie unabhängig von der Mineralölindustrie und haben mit dem Verkauf von überschüssigem Strom noch eine zusätzliche Einnahmequelle. Im brandenburgischen Schwedt wird ein anderes Modell erprobt: Aus Roggen wird Alkohol produziert, der dem Benzin beigemischt wird oder es sogar vollständig ersetzen kann.
Sanfte grüne Hügel, in der Herbstsonne glitzernde Seen, an denen die Kraniche auf ihrem Weg nach Süden Rast machen, ab und zu dreht sich ein Windrad. Die uckermärkische Landschaft beruhigt gestresste Großstädter. Wer sich von Westen aus der Stadt Schwedt nähert, wird allerdings überrascht - die Silouette einer gewaltigen Industrieanlage schiebt sich plötzlich in den Blick. Das frühere petrochemische Kombinat Schwedt, heute im Besitz der großen Mineralölgesellschaften BP, Shell, Agip und Total. Am nördlichen Ende des PCK-Geländes wird an der Zukunft gebaut. Dort entsteht das größte Zentrum für erneuerbare Energien in Brandenburg. Mit einer Ölmühle, einer Biodieselanlage, einem Holzpellet-Werk und nicht zuletzt mit der Bioethanolanlage.
Betriebsleiter Klaus-Dieter Bettien führt über das Gelände. Alles ganz einfach, erklärt er, wir sind nichts anderes als eine riesengroße Schnapsbrennerei. Der Verfahrensingenieur hat sich zuvor mit der Margarineproduktion beschäftigt, jetzt lässt er in großem Stil Roggen zu Alkohol verarbeiten. Allerdings nicht zum Trinken, sondern zum Fahren. Ein Job mit Zukunft auf einem Markt mit Zukunft, ist Bettien überzeugt. Deshalb ist der Ingenieur nach Brandenburg an die polnische Grenze gezogen und hat Frau und Kinder in Schleswig-Holstein an der dänischen Grenze zurückgelassen.
Bettien: "Einerseits ist es eine Neuanlage, man hat nicht so häufig die Chance, in eine Neuanlage einzusteigen, zweitens die Problemlage und drittens die Aussicht auf eine Technologie, die, wenn sie denn sauber anläuft eine große Zukunftschance hat. "
Drei mit Roggen beladene LKW warten darauf, abgefertigt zu werden. Saugrüssel senken sich von oben in den Roggenberg und entnehmen eine Probe, die automatisch in das Getreidelabor befördert wird.
Peter Becker sitzt über eine kleine Glasschale gebeugt, in der sich Roggenkörner befinden. Mit einer Pinzette in der Hand prüft er die Zusammensetzung der Probe.
Becker: "Icke gucke nach den einzelnen Qualitätsparametern, zum Beispiel Bruchkorn, Mutterkorn. Das wird dann eingetütet und verschweißt, die Rückstellprobe, falls es doch mal Probleme gibt mit den Kunden. "
Kommt das okay vom Labor, kann das Getreide abgeladen und weiterverarbeitet werden. Als Zwischenlager dienen acht gewaltige Silos, von dort aus gelangt das Getreide in die Hammermühlen und wird zu Mehl vermahlen.
Der nächste Schritt: In großen Tanks werden dem Roggenmehl Wasser und Enzyme zugesetzt, es entsteht ein Getreidebrei, die Maische.
Das Herzstück der Anlage ist die Fermenterhalle. Haushohe Edelstahlkessel, in denen die Roggenstärke in Zucker verwandelt wird. Nebenan in der Brennerei entsteht dann durch Destillation der Alkohol, in diesem Fall Bioethanol genannt.
Die Bioethanolanlage in Schwedt befindet sich derzeit in der Versuchsphase. Ist sie voll ausgelastet, kann sie jährlich aus 600.000 Tonnen Roggen 200.000 Tonnen Bioethanol gewinnen. Das Problem: Noch gibt es keinen Markt für diese riesigen Mengen Alkohol. Die Investoren haben 50 Millionen Euro in das Prinzip Hoffnung gesteckt.
Die Europäische Union hat eine Richtlinie erlassen, nach der im Jahr 2010 knapp sechs Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs aus Biokraftstoff bestehen soll, erläutert Betriebsleiter Klaus-Dieter Bettien. Darauf setzt sein Unternehmen, die Nordbrandenburger Energie GmbH.
Bettien: "Es ist eine EU-Richtlinie, die nicht mit Zwangsmaßnahmen verbunden ist. Bzw. die EU könnte Zwangsmaßnahmen erlassen, aber in der Bundesrepublik ist es so, dass es eine freiwillige Selbstverpflichtung ist. "
Deutschland hat sich also zu einem Anteil von knapp sechs Prozent Biokraftstoff im Jahr 2010 verpflichtet. Im Moment sind es durch die Verwendung von Biodiesel zwei bis drei Prozent. Klaus-Dieter Bettien hofft darauf, dass die Mineralölhersteller ihrem Benzin künftig Bioethanol beimischen werden.
Bettien: "Der Anreiz, der für die Mineralölindustrie da ist, ist, dass Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen von der Mineralölsteuer befreit ist. Das ist ein Kostenvorteil. Wir können nur sagen, wir produzieren so kostengünstig wie möglich. Wir sind so kostengünstig, dass es sich lohnt, Bioethanol beizumischen. "
Obwohl es nur marginale technische Probleme gibt, weigert sich die Mineralölindustrie bislang, ihrem Benzin Bioethanol beizumischen. Die Raffinierie PCK, auf deren Gelände sich die Bioethanolanlage befindet, verwendet das Bioethanol nur zur Produktion eines Benzin-Zusatzstoffes. Klaus-Dieter Bettien setzt auf die Zukunft und den zunehmenden Druck der Verbraucher.
Bettien: "In der Politik tut sich schon was, weil der Druck durch die Bevölkerung kommt auch. Man sieht es täglich, die Kraftstoffpreise steigen, die Energiepreise steigen, es muss was getan werden. "
So wirbt der Bioethanolproduzent auch mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Region. Ein Argument, das in der Uckermark mit einer Arbeitslosenquote von mehr als 20 Prozent zieht. Die Nordbrandenburger Energie GmbH beschäftigt derzeit 80 Mitarbeiter. Außerdem unterstützen wir die Landwirtschaft in der Uckermark, sagt Betriebsleiter Bettien.
Bettien: "Wir bieten dann durch den Bedarf, den wir an Roggen haben, eine Möglichkeit, in der Landwirtschaft Arbeitsplätze zu erhalten, und auch rund um die Landwirtschaft Arbeitsplätze zu erhalten"
Auf dem 20 Kilometer entfernten Gut Kerkow schüttelt Johannes Niedeggen den Kopf. Ich glaube nicht, dass die Bioethanolanlage uns Bauern in der Uckermark etwas bringt, sagt der 41-jährige Landwirt.
Niedeggen: "Ne. Bioethanol wird hergestellt aus Getreide, bzw. Roggen, weil Roggen die billigste Getreidesorte ist, die auf dem Markt da ist. Roggen ist weit transportierbar und das hat nichts mit der Region zu tun, ich sehe nicht, dass das eine Chance für die Region ist. "
Johannes Niedeggen hat nicht vor, das auf seinen 700 Hektar Land produzierte Getreide an den Bioethanolproduzenten im benachbarten Schwedt zu verkaufen. Der Landwirt will sich möglichst unabhängig machen von der Industrie. Von Futter- oder Düngemittelproduzenten genauso wie von der Energiewirtschaft. Deshalb baut der 41-Jährige derzeit direkt neben den Kuhställen eine Biogasanlage, in der sein Getreide landen soll. Funktioniert genau wie eine Kuh, sagt der Landwirt und lächelt.
Niedeggen: " Also das, wo wir hier vorstehen, das ist die Beschickungshalle, das ist praktisch das Maul von unserer Kuh Biogaslage. Das heißt, hier werden die Futtermittel, Maissilage, Getreide, Mist und Gülle verarbeitet. Werden erst gemahlen und dann über eine Pumpe in den Fermenter gegeben. "
Im Fermenter entsteht Methan, im benachbarten Blockheizkraftwerk wird das Gas in Strom umgewandelt. Elektriker und Klempner sind gerade dabei, die Anlage zu installieren.
Niedeggen: "Die Energie, die im Gas steckt, wird zu 40 Prozent in Strom verwandelt, 60 Prozent ist Wärmeenergie, also warmes Wasser, das können wir auf dem Hof zum Heizen nutzen. "
Mit der Biogasanlage will Landwirt Niedeggen 60 Tonnen Diesel und 20 Tonnen Heizöl einsparen. Die Anlage wird außerdem fünfmal soviel Strom produzieren wie das Gut Kerkow jährlich verbraucht. Soweit die Theorie. Ob sie der Praxis standhält, werden die nächsten Monate zeigen. Genau wie die Bioethanolproduktion in Schwedt ist auch die Biogasanlage auf Gut Kerkow ein Modellprojekt. Das Risiko ist hoch, Johannes Niedeggen investiert eineinhalb Millionen Euro in die Anlage. Der Gedanke an die hohen Kredite bringt ihn so manche Nacht um den Schlaf.
Niedeggen: "Man hat natürlich danach technologische Probleme. Das Ganze muss sich ökonomisch drehen, wir haben alle unsere Kreditgeber, und wenn die ihr Geld nicht wiederkriegen, meckern die. Auf der anderen Seite ist das eine Technologie, die neu ist. Die ganze Mineralölindustrie hat eine wahnsinnige Macht, wahnsinnige Gelder, wo gegen solche Projekte wie diese hier gegen gearbeitet wird. "
Johannes Niedeggen führt in das Büro des früheren volkseigenen Gutes Kerkow. 1993 übernahm der gebürtige Kölner mit zwei Freunden das Gut, seitdem hängt über der Bürotür ein schlichtes dunkles Holzkreuz. Darunter steht in großen Buchstaben: "Wir machen aus Scheiße Energie." Auf dem Schreibtisch eine Schlange aus Holz und ein Bulle aus Metall - dazu ein Zitat von Mahatma Gandhi: "Die Erde hat genug für jedermann, aber nicht für jedermanns Gier." Johannes Niedeggen versteht sich als politischer Landwirt.
Niedeggen: "Also diese Abhängigkeit, die wir heute in der Landwirtschaft von der Industrie haben, da haben wir uns selber in den letzten 50 bis 100 Jahren reinmanövriert und jetzt bekommen wir die Chance, auch politisch, uns da wieder raus zu bewegen. "
Der Landwirt meint damit die Förderung der erneuerbaren Energien durch die abgewählte rot-grüne Bundesregierung. Das "Erneuerbare Energien-Gesetz" unterstützt Stromproduzenten wie ihn und verpflichtet die großen Energiekonzerne, den Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und einen festgelegten Preis dafür zu zahlen.
Niedeggen: "Wir haben für uns die Sicherheit, dass es für 20 Jahre garantiert ist und ich gehe nicht davon aus, dass da eine Regierung was daran ändert. Und ich hoffe, dass die Regelung bestehen bleibt für weitere Betriebe, die bauen wollen. Weil das die Chance ist, energiepolitisch unabhängig zu werden. "
Die Biogasanlage auf Gut Kerkow und die Bioethanolproduktion in Schwedt – zwei Beispiele aus Brandenburg, wie Energie aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden kann. Landwirte werden so zu Energiewirten – umso höher die Ölpreise steigen, umso wichtiger wird dieser Wirtschaftszweig.
Betriebsleiter Klaus-Dieter Bettien führt über das Gelände. Alles ganz einfach, erklärt er, wir sind nichts anderes als eine riesengroße Schnapsbrennerei. Der Verfahrensingenieur hat sich zuvor mit der Margarineproduktion beschäftigt, jetzt lässt er in großem Stil Roggen zu Alkohol verarbeiten. Allerdings nicht zum Trinken, sondern zum Fahren. Ein Job mit Zukunft auf einem Markt mit Zukunft, ist Bettien überzeugt. Deshalb ist der Ingenieur nach Brandenburg an die polnische Grenze gezogen und hat Frau und Kinder in Schleswig-Holstein an der dänischen Grenze zurückgelassen.
Bettien: "Einerseits ist es eine Neuanlage, man hat nicht so häufig die Chance, in eine Neuanlage einzusteigen, zweitens die Problemlage und drittens die Aussicht auf eine Technologie, die, wenn sie denn sauber anläuft eine große Zukunftschance hat. "
Drei mit Roggen beladene LKW warten darauf, abgefertigt zu werden. Saugrüssel senken sich von oben in den Roggenberg und entnehmen eine Probe, die automatisch in das Getreidelabor befördert wird.
Peter Becker sitzt über eine kleine Glasschale gebeugt, in der sich Roggenkörner befinden. Mit einer Pinzette in der Hand prüft er die Zusammensetzung der Probe.
Becker: "Icke gucke nach den einzelnen Qualitätsparametern, zum Beispiel Bruchkorn, Mutterkorn. Das wird dann eingetütet und verschweißt, die Rückstellprobe, falls es doch mal Probleme gibt mit den Kunden. "
Kommt das okay vom Labor, kann das Getreide abgeladen und weiterverarbeitet werden. Als Zwischenlager dienen acht gewaltige Silos, von dort aus gelangt das Getreide in die Hammermühlen und wird zu Mehl vermahlen.
Der nächste Schritt: In großen Tanks werden dem Roggenmehl Wasser und Enzyme zugesetzt, es entsteht ein Getreidebrei, die Maische.
Das Herzstück der Anlage ist die Fermenterhalle. Haushohe Edelstahlkessel, in denen die Roggenstärke in Zucker verwandelt wird. Nebenan in der Brennerei entsteht dann durch Destillation der Alkohol, in diesem Fall Bioethanol genannt.
Die Bioethanolanlage in Schwedt befindet sich derzeit in der Versuchsphase. Ist sie voll ausgelastet, kann sie jährlich aus 600.000 Tonnen Roggen 200.000 Tonnen Bioethanol gewinnen. Das Problem: Noch gibt es keinen Markt für diese riesigen Mengen Alkohol. Die Investoren haben 50 Millionen Euro in das Prinzip Hoffnung gesteckt.
Die Europäische Union hat eine Richtlinie erlassen, nach der im Jahr 2010 knapp sechs Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs aus Biokraftstoff bestehen soll, erläutert Betriebsleiter Klaus-Dieter Bettien. Darauf setzt sein Unternehmen, die Nordbrandenburger Energie GmbH.
Bettien: "Es ist eine EU-Richtlinie, die nicht mit Zwangsmaßnahmen verbunden ist. Bzw. die EU könnte Zwangsmaßnahmen erlassen, aber in der Bundesrepublik ist es so, dass es eine freiwillige Selbstverpflichtung ist. "
Deutschland hat sich also zu einem Anteil von knapp sechs Prozent Biokraftstoff im Jahr 2010 verpflichtet. Im Moment sind es durch die Verwendung von Biodiesel zwei bis drei Prozent. Klaus-Dieter Bettien hofft darauf, dass die Mineralölhersteller ihrem Benzin künftig Bioethanol beimischen werden.
Bettien: "Der Anreiz, der für die Mineralölindustrie da ist, ist, dass Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen von der Mineralölsteuer befreit ist. Das ist ein Kostenvorteil. Wir können nur sagen, wir produzieren so kostengünstig wie möglich. Wir sind so kostengünstig, dass es sich lohnt, Bioethanol beizumischen. "
Obwohl es nur marginale technische Probleme gibt, weigert sich die Mineralölindustrie bislang, ihrem Benzin Bioethanol beizumischen. Die Raffinierie PCK, auf deren Gelände sich die Bioethanolanlage befindet, verwendet das Bioethanol nur zur Produktion eines Benzin-Zusatzstoffes. Klaus-Dieter Bettien setzt auf die Zukunft und den zunehmenden Druck der Verbraucher.
Bettien: "In der Politik tut sich schon was, weil der Druck durch die Bevölkerung kommt auch. Man sieht es täglich, die Kraftstoffpreise steigen, die Energiepreise steigen, es muss was getan werden. "
So wirbt der Bioethanolproduzent auch mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Region. Ein Argument, das in der Uckermark mit einer Arbeitslosenquote von mehr als 20 Prozent zieht. Die Nordbrandenburger Energie GmbH beschäftigt derzeit 80 Mitarbeiter. Außerdem unterstützen wir die Landwirtschaft in der Uckermark, sagt Betriebsleiter Bettien.
Bettien: "Wir bieten dann durch den Bedarf, den wir an Roggen haben, eine Möglichkeit, in der Landwirtschaft Arbeitsplätze zu erhalten, und auch rund um die Landwirtschaft Arbeitsplätze zu erhalten"
Auf dem 20 Kilometer entfernten Gut Kerkow schüttelt Johannes Niedeggen den Kopf. Ich glaube nicht, dass die Bioethanolanlage uns Bauern in der Uckermark etwas bringt, sagt der 41-jährige Landwirt.
Niedeggen: "Ne. Bioethanol wird hergestellt aus Getreide, bzw. Roggen, weil Roggen die billigste Getreidesorte ist, die auf dem Markt da ist. Roggen ist weit transportierbar und das hat nichts mit der Region zu tun, ich sehe nicht, dass das eine Chance für die Region ist. "
Johannes Niedeggen hat nicht vor, das auf seinen 700 Hektar Land produzierte Getreide an den Bioethanolproduzenten im benachbarten Schwedt zu verkaufen. Der Landwirt will sich möglichst unabhängig machen von der Industrie. Von Futter- oder Düngemittelproduzenten genauso wie von der Energiewirtschaft. Deshalb baut der 41-Jährige derzeit direkt neben den Kuhställen eine Biogasanlage, in der sein Getreide landen soll. Funktioniert genau wie eine Kuh, sagt der Landwirt und lächelt.
Niedeggen: " Also das, wo wir hier vorstehen, das ist die Beschickungshalle, das ist praktisch das Maul von unserer Kuh Biogaslage. Das heißt, hier werden die Futtermittel, Maissilage, Getreide, Mist und Gülle verarbeitet. Werden erst gemahlen und dann über eine Pumpe in den Fermenter gegeben. "
Im Fermenter entsteht Methan, im benachbarten Blockheizkraftwerk wird das Gas in Strom umgewandelt. Elektriker und Klempner sind gerade dabei, die Anlage zu installieren.
Niedeggen: "Die Energie, die im Gas steckt, wird zu 40 Prozent in Strom verwandelt, 60 Prozent ist Wärmeenergie, also warmes Wasser, das können wir auf dem Hof zum Heizen nutzen. "
Mit der Biogasanlage will Landwirt Niedeggen 60 Tonnen Diesel und 20 Tonnen Heizöl einsparen. Die Anlage wird außerdem fünfmal soviel Strom produzieren wie das Gut Kerkow jährlich verbraucht. Soweit die Theorie. Ob sie der Praxis standhält, werden die nächsten Monate zeigen. Genau wie die Bioethanolproduktion in Schwedt ist auch die Biogasanlage auf Gut Kerkow ein Modellprojekt. Das Risiko ist hoch, Johannes Niedeggen investiert eineinhalb Millionen Euro in die Anlage. Der Gedanke an die hohen Kredite bringt ihn so manche Nacht um den Schlaf.
Niedeggen: "Man hat natürlich danach technologische Probleme. Das Ganze muss sich ökonomisch drehen, wir haben alle unsere Kreditgeber, und wenn die ihr Geld nicht wiederkriegen, meckern die. Auf der anderen Seite ist das eine Technologie, die neu ist. Die ganze Mineralölindustrie hat eine wahnsinnige Macht, wahnsinnige Gelder, wo gegen solche Projekte wie diese hier gegen gearbeitet wird. "
Johannes Niedeggen führt in das Büro des früheren volkseigenen Gutes Kerkow. 1993 übernahm der gebürtige Kölner mit zwei Freunden das Gut, seitdem hängt über der Bürotür ein schlichtes dunkles Holzkreuz. Darunter steht in großen Buchstaben: "Wir machen aus Scheiße Energie." Auf dem Schreibtisch eine Schlange aus Holz und ein Bulle aus Metall - dazu ein Zitat von Mahatma Gandhi: "Die Erde hat genug für jedermann, aber nicht für jedermanns Gier." Johannes Niedeggen versteht sich als politischer Landwirt.
Niedeggen: "Also diese Abhängigkeit, die wir heute in der Landwirtschaft von der Industrie haben, da haben wir uns selber in den letzten 50 bis 100 Jahren reinmanövriert und jetzt bekommen wir die Chance, auch politisch, uns da wieder raus zu bewegen. "
Der Landwirt meint damit die Förderung der erneuerbaren Energien durch die abgewählte rot-grüne Bundesregierung. Das "Erneuerbare Energien-Gesetz" unterstützt Stromproduzenten wie ihn und verpflichtet die großen Energiekonzerne, den Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und einen festgelegten Preis dafür zu zahlen.
Niedeggen: "Wir haben für uns die Sicherheit, dass es für 20 Jahre garantiert ist und ich gehe nicht davon aus, dass da eine Regierung was daran ändert. Und ich hoffe, dass die Regelung bestehen bleibt für weitere Betriebe, die bauen wollen. Weil das die Chance ist, energiepolitisch unabhängig zu werden. "
Die Biogasanlage auf Gut Kerkow und die Bioethanolproduktion in Schwedt – zwei Beispiele aus Brandenburg, wie Energie aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden kann. Landwirte werden so zu Energiewirten – umso höher die Ölpreise steigen, umso wichtiger wird dieser Wirtschaftszweig.