"Erdnussflips sind eine Philosophie für sich"

Von Barbara Wiegand |
Thomas Rentmeister ist ein Lebensmittelkünstler. Er schafft Plastiken aus Nußnougat- oder Penatencreme. Formt Kartoffelchips zu riesigen Skulpturen, als überragenden Kunstgenuss.
"Ich finde, dass das Materialien sind, die insofern sehr viel mit dem Menschen zu tun haben, weil man sie isst und weil es deswegen keine neutralen Materialien sind. Wie zum Beispiel Gips oder Holz. Weil man immer so eine bestimmte intime Beziehung zu diesen Materialien hat. Speziell Nutella, weil man da so Kindheitserinnerungen dran knüpft."

Auch im Haus am Waldsee spielt das Thema "Essen" eine große Rolle. Dabei sind es ziemlich süße Dinge, die Thomas Rentmeister angerichtet hat – zuckersüße Dinge. Im Erdgeschoß hat er fünf Tonnen des kristallinen Nahrungsmittels in einen Einkaufswagen gekippt, wohl wissend, dass das Gefährt das süße Zeug nicht halten kann. So entstand um den Wagen herum eine von Rentmeister dezent mit der Schippe in Form gebrachte, blütenweiße Dünenlandschaft. Dem Ausstellungstitel "Mehr" entsprechend als Kommentar auf unsere Überflussgesellschaft gedacht, ist die Schüttskulptur auf jeden Fall ausbaufähig

"Ich würde am liebsten noch eine Version die die dreifache Menge an Zucker hat. Aber dafür ist es hier zu klein gewesen im Haus am Waldsee. Es müsste eigentlich drei bis viermal soviel sein, Also 20 Tonnen."

"Mehr" Zucker gibt es aber auch schon in dieser Schau – im ersten Stock erinnert ein Quader aus mit Patex zusammengeklebten Würfeln an eine Designerleuchte. Nebenan weckt die übers Bett gestreute Saccharose die Vorstellung eines süßen Sandmannes, der nach getaner Arbeit das im Schlaf zerwühlte, zuckrige Bett zu einer poetischen Traumlandschaft werden lässt.

Auch andere ausgestellte Werke macht der 1964 in Reken, Westfalen geborene Rentmeister zu einem mit jeder Menge Ironie gewürzten Kunst-Genuss.

"Ich kann ja noch mal über diese Erdnussflips reden, wie die am besten auf dem Stuhl liegen. Das ist eine Philosophie für sich. Das sind 18 Stück. In Dortmund hat immer eine Museumsmitarbeiterin/ein Museumsmitarbeiter einen aufgegessen und hatte gedacht, dass ich das nicht merken würde. Aber ich hatte sie vorher gezählt. Also, die sollen möglichst zufällig hingelegt werden, was gar nicht so einfach ist. So eine gewollte Zufälligkeit. Deshalb bin ich da auch sehr pingelig, wenn jemand anderes die in eine nicht gewollte Position rückt."

Wenn er diese akkurat angeordneten Flips gar nicht mundgerecht auf einem Stuhl serviert, wenn eine weiße Leinwand mit einer in leichten Schwüngen verlaufenden Linie darauf von Ferne betrachtet perfekt ästhetisch scheint, sich von Nahem aber als ziemlich eklige Reihe aneinander geklebter Fußnägeln erweist - dann spielt Thomas Rentmeister mit menschlichen Sehgewohnheiten und alltäglichen Materialien.

"Ich glaube das liegt daran, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin. Wir hatten so einen alten Schuppen, wo man spielen durfte. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind tagelang mit Wasser Türen wo das Holz bloß lag, angestrichen habe. So dass das Wasser das Holz dunkel gefärbt hat, was aber wieder wegtrocknete. Wenn man unten fertig war, konnte man oben wieder anfangen. Solche Materialerfahrungen, deshalb habe ich mich dann irgendwann für Bildhauerei entschieden. Ich glaube, wenn ich heute groß geworden wäre, in der Stadt, hätte ich vielleicht mehr Videokunst gemacht."

So gleicht sein 300 Quadratmeter großes Atelier in Weißensee durchaus einer Art Labor, meint Rentmeister. Als einer der Letzten, wie er lachend sagt, ist auch er vor zwei Jahren dem Trend der Kunstszene gefolgt und nach Berlin gezogen. Hier entstehen jetzt seine Arbeiten. Manchmal sind das auch Zeichnungen, figürlich oder abstrakt.

Vor allem aber ist Thomas Rentmeister ein Bildhauer. Reizten ihn in den 90er Jahren noch spiegelglatte Kunststoffoberflächen, entdeckt er jetzt immer öfter die Schönheit im Gewöhnlichen. Etwa wenn er schneeweiße Tempotaschentücher sorgfältig in einem pechschwarzen Regal stapelt.

So lotet Rentmeister mit Leichtigkeit die Grenzen zwischen Kunst und Alltag aus. Und stellt mit diesen humorvoll inszenierten Dingen des täglichen Ge- und Verbrauchs ein ums andre Mal auch den hehren Ewigkeitsanspruch der Kunst in Frage.

Service:

Die Ausstellung "Thomas Rentmeister - Mehr" ist bis zum 29. April 2007 im Haus am Waldsee in Berlin zu sehen.