Er hat uns eine Schönheit vermittelt

Der französischen Sänger und Komponist Georges Moustaki
Der französischen Sänger und Komponist Georges Moustaki © picture alliance / dpa / Sandro Campardo
Moderation: Frank Meyer · 23.05.2013
Der französischen Sänger und Komponist Georges Moustaki hat die Chanson-Szene stark geprägt, sagt die Sängerin Ingrid Caven. Doch obwohl er um seinen Einfluss wusste, habe er nie aufgetrumpft.
Frank Meyer: Georges Moustaki ist tot. Heute morgen ist der Chanson-Sänger im Alter von 79 Jahren gestorben. Er hat Lieder für Édith Piaf geschrieben, für Yves Montand und Dalida - und für sich selbst. "Ma Liberté", "Ma Solitude", "Le Métèque", das sind einige seiner berühmtesten Chansons. Und wir wollen über ihn reden mit der Sängerin und Schauspielerin Ingrid Caven, die werden wir gleich in Paris am Telefon haben. Vorher ein kurzer Nachruf auf Georges Moustaki von unserem Kollegen Jürgen König.

Georges Moustaki ist heute mit 79 Jahren gestorben, das war ein Nachruf von Jürgen König. Und in Paris ist jetzt für uns am Telefon die Sängerin und Schauspielerin Ingrid Caven. Ich grüße Sie, Frau Caven!

Ingrid Caven: Ja, guten Tag!

Meyer: Erzählen Sie uns bitte, wie hat denn Ihre Geschichte mit Georges Moustaki begonnen? Wie haben Sie seine Musik kennengelernt?

Caven: Ja, zuerst habe ich so ein Bild von ihm gehabt: diese weiße Eleganz auf einem rasenden Motorrad mit schwerer Maschine. So haben wir eigentlich das äußere Bild von Moustaki gekannt. Er hat gerne schwere Motorräder gefahren. Und dann habe ich die ersten Lieder mit Rainer Werner Fassbinder gehört bei unseren ersten Reisen nach Griechenland, da haben wir immer wieder im Auto zwischen Athen und Piräus den "Métèque" aufgelegt.

"Avec ma gueule métèque, de juif errant, de pâtre grec …" – Alors, der griechische Hirtenjunge, der er auch nicht war, und doch war er es, und auch der ewige Jude, der er war. Und das hat uns sehr beeinflusst, diese Art, auch ohne Hysterie eine innere große Unruhe immer weiter zu tragen, die also sehr viel Energie hatte. Er war ja nicht die lahme Ente oder so was, sondern war sehr energisch in dem, was er dann sein Leben lang über die Musik vermitteln wollte, nämlich eine Schönheit, die eigentlich immer weiß, dass es mal zu Ende ist alles, und die vielleicht mit einem Wunsch nach Vitalität in der Seele zu tun hat.

Meyer: Und wie ging das zusammen, Ingrid Caven, weil Sie gerade auch von der Energie sprechen und vorher gesagt haben: schwere Motorräder. Das kriege ich jetzt gar nicht zusammen mit diesem leisen, melancholischen Liedermacher Georges Moustaki. Wie gehörte das denn zusammen?

Caven: Ja, aber ohne diese Energie, die da im Grunde schmort und nie erloschen war, bis in ganz späte Zeit… Oder als ich ihn kennenlernte, war er ja auch schon eigentlich weltweit berühmt, und hat diese Ruhe weiter ausgestrahlt, hat weiter sein Timing, seinen Atem weiter gepflegt und immer wieder neue Sachen geschrieben und Musik erfunden. Das kann man nicht ohne innere Energie, das ist unmöglich, also diese Idee, dass da einer immer so ruhig durch die Gegend läuft und dann ein ganzes Leben kreativ ist, das ist so eine Klischee-Idee. Er war sehr, sehr vital, aber er hatte nicht nötig, demonstrativ oder in Hysterie die Sachen rauszuschmeißen. Das war nicht nötig, er hatte die Struktur der Musik und der Poesie. Er war ein König in seinem Königreich, das er nie verlassen hat, und darin war er aber der Herrscher, und darin war er der Kreative.

Meyer: Sie haben ja auch Lieder von ihm gesungen. Er hat ja für ganz verschiedene Menschen Lieder geschrieben, insgesamt sehr viele, über 300. Was würden Sie sagen, was war das Eigene an seiner Musik, warum wollten Sie auch Chansons von ihm singen?

Caven: Er hat für mich keine neuen Chansons geschrieben, sondern ich habe Sachen, zwei oder drei Sachen von ihm gesungen, die er für andere geschrieben hat, für Édith Piaf. Und ich habe den "Milord" gesungen, eigentlich – den "Milord" habe ich schon ganz früh immer so vor mich hin geträllert, und dann auch mit einem Arrangement von Peer Raben, dem Komponisten, der die Filme von Rainer, die Musik geschrieben hat, habe ich auch "Der Fremde" gesungen: "Leute, ich bin ein Fremder, ich komm von weit her, bin nicht von hier, und ihr verschließt die Türen vor mir, denn ich suche ein Quartier. Wenn ich euch frage, wenn ich euch bitte, spüre ich eine Wand, die zwischen euch und mir sich nicht öffnet in diesem fremden Land." Aber diese Sachen sind für alle geschrieben, weil jeder hat von uns auch eine Einsamkeit. Nur, die zuzulassen, dazu gehört eine enorme Kraft.

Meyer: Sie sind auch mit ihm gemeinsam aufgetreten, ein-, zweimal, glaube ich nur, oder einmal nur, aber wie war es dazu gekommen, warum ist er mit Ihnen auf die Bühne gegangen?

Caven: Ach, das war eine enorme Chance für mich, ich fand, das war ein großes Geschenk, und ich habe, glaube ich, den "Fremden" gesungen mal, und auch den "Milord" irgendwann. Und einmal auf jeden Fall hat er mich auch begleitet damit, und das war sehr aufregend. Und da habe ich eben gesehen, wie energisch er ist, also im Untergrund, in seiner Musik, wie stark das ist, diese Ruhe dann hervorzuzaubern, das ist eine große Kraft, dazu muss man einen langen Atem haben, wie man so schön sagt, und das lief so gut, ich weiß gar nicht mehr, nachher hat man mir gesagt, er sei eben auch so sehr, sehr, glaube ich, zufrieden gewesen mit dem, was ich da gemacht habe – obwohl ich es ja dann nach meiner Art gemacht habe, nicht? Aber diese Energie zu behalten, immer wieder Ruhe zu bringen über die Musik und die Poesie – er ist ein Poet, und das sind Leute, die viel Energie verbrauchen zum Nachdenken auch.

Meyer: Ingrid Caven, es gab ja nun zur Zeit von Georges Moustaki viele Größen in der französischen Chansonszene. Was hat ihn denn für Sie so ganz besonders gemacht? War das diese Poesie und die Ruhe, von der Sie gerade schon gesprochen haben? War es noch etwas anderes?

Caven: Ja, eben diese Energie, die auch nicht nötig hat, bei dem, was man über die Musik oder die Poesie nach außen bringt, das muss nicht auch noch verstärkt werden durch irgendein Auftrumpfen oder durch eine Hysterie oder durch ein ich bin wer oder so, sondern man kann sich zurückhalten und die Musik und die Worte sprechen für sich und klingen für sich und finden ihren Weg zum anderen.

Meyer: George Moustaki ist heute morgen im Alter von 79 Jahren gestorben. Wir haben über ihn gesprochen mit der Sängerin und Schauspielerin Ingrid Caven. Ganz herzlichen Dank nach Paris, Frau Caven!

Caven: Danke!

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