Er brachte Millionen zum Swingen

Von Uwe Golz · 18.04.2006
Mit ihm starb einer der Großen des Sinti-Jazz. Der in Mainz geborene Schnuckenack Reinhardt wurde 85 Jahre alt. Seine Musik verkörpert den Inbegriff deutschen Zigeuner-Jazz, ein politisch unkorrekter Begriff, der ihn nie gestört hat. Während des Faschismus wurde ihm seine Geige zur Waffe.
Schnuckenack Reinhardt ist tot. Und mit ihm starb einer der wirklich Großen des Sinti-Jazz. Seine Geige, sein Rhythmus und seine tief in der Sinti-Tradition verwurzelte Musik hat Millionen zum Swingen gebracht und zu Tränen gerührt. 85 Jahre alt ist Schnuckenack Reinhardt geworden, 85 Jahre, von denen 82 angefüllt waren mit Musik.

Der in Mainz geborene Schnuckenack begann mit drei Jahren, Geige zu spielen. Für einen Knirps nicht unbedingt das richtige Spielzeug, doch wenn die Jazz-Legende, der Gitarrist Django Reinhardt ein Cousin ist und der Vater auch Musiker, dann gehört die Musik zum Leben wie das tägliche Brot.

Mit zwölf bereits stand Schnuckenack an der Seite des Vaters musikalisch seinen Mann. Es folgte kein lustiges Zigeunerleben – harte Arbeit war angesagt, die Familie bestand auf einer vernünftigen musikalischen Ausbildung und die absolvierte der junge Schnuckenack am Mainzer Konservatorium.

Lange sollte das musikalische Glück nicht dauern. 1938 deportierte die Nazis die Familie Reinhardt nach Polen. Über diese Zeit sagte Schnuckenack Reinhardt später: "Die Musik hat unser Leben gerettet". Fünf Jahre lang schlugen sie sich – getarnt als deutsch-ungarische Musiker – durch, immer in der Furcht lebend, entdeckt und enttarnt zu werden. Fünfmal, so erinnerte sich Schnuckenack später, entgingen sie nur knapp einer Erschießung durch SS-Truppen. Der jüngste Bruder allerdings wird in Auschwitz von den Nazis ermordet.

Die Geige wurde zu seiner Waffe, sagt er in dem Dokumentarfilm "Die Ballade vom Schnuckenack Reinhardt", zu einer Waffe, die ihm half, sich von den Ängsten und der Furcht zu befreien. Der Mainzer Sinti wurde zu einem Weltbürger und blieb doch immer Mainzer. Schnuckenack Reinhardt wird ein musikalischer Botschafter Deutschlands – einer der mit seiner Musik Geschichten erzählen kann, und dessen Leben selbst ein Zeugnis der Geschichte deutscher Sintis war und ist.

Er wurde und wird es auch immer bleiben zum Inbegriff deutschen Zigeuner-Jazz, ein politisch unkorrekter Begriff, doch das hat Schnuckenack nie gestört. Seine swingende Geige brachte ihm zwar viele Ehrungen, wichtiger aber war ihm die Freude der Menschen, die seiner Musik lauschten.

"Ein Virtuose der Herzen", nannte ihn einst ein Kritiker und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, aus dessen Händen Schnuckenack Reinhardt 1996 die Peter-Cornelius-Medaille für seine Verdienste um die Musik erhalten hatte, sagte: "Die Welt hat einen großen Musiker verloren. Sein Tod stimmt uns alle sehr traurig. In Mainz stand seine Wiege und in Rheinland-Pfalz hatte er immer eine Bühne für seine Kunst." Hier irrte der Ministerpräsident, Schnuckenack Reinhardt hatte die Welt als Bühne seiner Musik.