Epitaph für einen Freund

Zu Gast: Frank Schneider, Moderation: Michael Dasche |
Im Schaffen von Schostakowitsch spielt Kammermusik eine bedeutsame Rolle. Im Vergleich zur monumentalen Sinfonik übernimmt sie die Aufgabe intimerer, auch enigmatischerer Zwiesprache mit Zeit und Welt.
Das gilt insbesondere für den Korpus von Schostakowitschs 15 Streichquartetten, von denen manche dem Gedächtnis wichtiger Freunde gewidmet sind. Es gilt erst recht für das 2. Klaviertrio von 1944, bei dem sich die Erschütterung des Komponisten über den frühen Tod des Musikologen Iwan Sollertinski mit der Anteilnahme am Leiden der Opfer von Krieg und Holocaust verbinden. Es ist eines der absolut tragischen Kunstdokumente des 20. Jahrhunderts und zugleich gattungsgeschichtlicher Meilenstein einer spezifisch russischen Tradition von Klaviertrios als Hommage an große Persönlichkeiten.

Demgegenüber handelt es sich beim ersten Trio op. 8 in c-moll von 1923 um ein Studienwerk aus Schostakowitschs früher Jugendzeit. Es ist reich an genialischen Zügen, im Ganzen aber vor allem ein Experiment des Komponisten auf der Suche nach persönlicher Stilistik. Die phantasieartige Form und der romantisch-schwelgerische Ton, der allerdings stellenweise persifliert wird, lassen ein verschlüsseltes Programm vermuten: womöglich eine imaginäre Liebesszene aus einen Stummfilm (ein Metier, in dem der junge Schostakowitsch seinen Unterhalt verdiente). Gewidmet ist das lange für verschollen gehaltene Stück Tatjana Gliwenko, Schostakowitschs erster Liebe, aus der sich eine lebenslange Freundschaft entwickeln sollte.