Entwicklungshilfe zwischen den Fronten

Von Wolf-Dieter Vogel und Kristin Gebhardt |
Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" unterstützt mexikanische Kleinbauern mit Projekten zur lokalen Agrarproduktion. Seit aber die Gewalt zwischen Drogenkartellen, Soldaten und Polizisten eskaliert ist, haben sich die Bedingungen für diese Arbeit grundlegend verändert.
"Wir setzen uns dafür ein, dass unser einheimisches Saatgut erhalten bleibt: die mexikanischen Maissorten, die Bohnen und Kürbisse. Die Felder düngen wir nur organisch, ohne Chemikalien."

Für die Mexikanerin, die anonym bleiben will und die wir deshalb hier Lola García nennen, besteht kein Zweifel: Die Zukunft liegt in der nachhaltigen Landwirtschaft. Gerade hier in ihrer Heimat, einem Dorf im Bundesstaat Michoacán. Denn so wie bisher geht es nicht weiter. Importierter Billigmais und teure Pestizide haben die Bauern zugrunde gerichtet, es gibt kaum Arbeit.

"Viele Menschen sind ausgewandert. Ganze Familien. Die meisten Ehemänner sind in den USA."

García und ihr Mann sind geblieben und bestellen ihre Felder nach ökologischen Kriterien. Zudem ist die 40-Jährige Beraterin in einem Programm, das von "Brot für die Welt" gefördert wird. Das evangelische Hilfswerk unterstützt kleinbäuerliche Initiativen, die sich dafür einsetzen, die Ernährung der Bevölkerung durch lokalen Anbau zu sichern.

Die kleine, kräftige Frau macht nicht den Eindruck, als könne sie schnell etwas aus der Bahn werfen. Doch wenn sie von der zunehmenden Gewalt im Dorf spricht, wird ihre Stimme leise. Jeder hier sei bedroht.

Fast täglich melden die Nachrichten in Michoacán neue Morde. Drogenkartelle führen blutige Kämpfe um die Kontrolle von Transportrouten und Land. Lokale Politiker und Polizisten arbeiten eng zusammen mit den Kriminellen, die wie Paramilitärs auftreten. Die Regierung mobilisiert zwar die Armee gegen die Kartelle, doch seit die Soldaten in Michoacán sind, haben die Angriffe auf die Bevölkerung sogar noch zugenommen. Häufig können die Menschen nicht nachvollziehen, auf welcher Seite die Uniformierten stehen.

In einer Partnerorganisation von "Brot für die Welt" koordiniert Juana Arango die Mitarbeitenden aus den Gemeinden. Die Agrarökonomin spricht von einer dramatischen Entwicklung:

"Wir befinden uns in einem Krieg. Soldaten und Paramilitärs sind allgegenwärtig. Unsere Arbeit hat sich seit 2010 um 180 Grad gewendet. Es gab Drohungen und äußerst gewaltsame Angriffe gegen Bäuerinnen und Bauern und auch unser Beratungspersonal. Im vergangenen Jahr sind sogar Menschen verschwunden oder wurden ermordet."

Lola García blickt misstrauisch in Richtung der Felder am Dorfrand. Seit einem Jahr haben sich dort etwa 20 Männer in einem Camp niedergelassen. Wollen sie sich das Land aneignen? Verpacken sie Drogen? García weiß es nicht. Nachts landen Hubschrauber, und ständig fahren bewaffnete Männer mit Geländewagen durch die Gemeinde.

"Viele Leute säen nicht mehr aus, andere schon, aber die kümmern sich dann nicht mehr um die Saat. Aus Angst. Wir sind noch vier, fünf Personen, die ihre Felder bestellen, obwohl uns dort die Bewaffneten bedrohen."

Anfang März reiste Johannes Stockmeier, der Präsident des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche, nach Mexiko. Er besuchte Partner vom Hilfswerk "Brot für die Welt", das der Diakonie angeschlossen ist. Auch er fragt sich: Können die Projekte weitergeführt werden?

"Wenn beispielsweise schon eine Dorfversammlung, ja, über Fragen, die in dem fachlichen Landanbau erörtert werden sollen, nicht mehr zustande kommen, weil das sofort den Verdacht der Milizen erregt, ist das nur noch sehr, sehr eingeschränkt möglich, ja. Oder wenn eben 'campesinos' an dem Zugang zu ihren Parzellen gehindert werden, dann ist durch diese äußere Gewalt die Fortführung dieser Programme nicht möglich. Sie muss dann zum Teil ausgesetzt werden."

Die Akzente würden sich verschieben, Entwicklungsprogramme würden zu Menschenrechtsprogrammen, erklärt Stockmeier. Außerdem müsse in der Kooperation viel mehr Wert auf den Schutz der Mitarbeiter in Mexiko gelegt werden. Darauf besteht auch Projektkoordinatorin Juana Arango:

"Wir brauchen den Schutz von internationalen Organisationen, die unsere Leute begleiten. Sie sollen helfen, Strategien zu entwickeln, vor allem im Bereich der Prävention."

Der Diakonie-Präsident setzt zudem auf die Politik. Es sei wichtig …

" ... dass etwa auch aus der internationalen Staatengemeinschaft heraus auch noch mal Druck gemacht wird daraufhin, dass diese rechtlose Situation nicht einfach fortgesetzt wird."

Grundsätzlich stellt Stockmeier die Projektarbeit in Krisengebieten wie Mexiko jedoch nicht infrage. Er bewundert die Menschen, die trotz der Risiken ihre Felder bestellen und verweist auf Fortschritte bei der Wiederaufforstung und beim Einsatz für die Ernährungssicherheit. Für ihn ist klar: Die Programme müssen fortgesetzt werden.

"Die Alternative ist ja, dass wir diese Menschen auch in die Hoffnungslosigkeit entlassen und das kann nicht sein. Das hat auch nichts mit dem zu tun, was wir unter christlicher Hoffnung für solche Menschen verstehen, auch dafür, ja, dass wir ja an ihrer Seite stehen wollen."